„In einer Welt, die überflutet wird von belanglosen Informationen, ist Klarheit Macht.“ 

- Yuval Noah Harari

richtige Ernährung (philosophische Gedanken)

Was die eigene Ernährung betrifft, kann man vor folgendem „Tetralemma“ stehen: (1) Man kann günstig, schnell und lecker essen / kochen, aber dann wird es nicht gesund sein. (2) Man kann schnell, lecker und gesund essen / kochen, aber dann wird es nicht günstig sein. (3) Man kann günstig, lecker und gesund essen / kochen, aber dann wird es nicht schnell gehen. (4) Oder man kann günstig, gesund und schnell essen / kochen, aber dann wird es nicht lecker schmecken.

Das Studentenviereck, suche dir drei Ecken bzw. 2 Seiten aus, mehr scheint nicht zu gehen.
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Ich denke nicht, dass dieses Modell ganz ausgereift ist. Jedoch hat es sich so in meinem Denken verfestigt und war der Ausgangspunkt zu ein paar unkonventionellen Überlegungen zum trendigen Thema „richtige Ernährung“:

  • Ernährung ist ein Kampf um knappe Ressourcen. Seit jeher haben wir mit Tieren und anderen Menschen um diese Ressourcen konkurriert. Mit der neolithischen Revolution haben wir dann begriffen, dass sich jene Ressourcen auch künstlich aufstocken lassen.
  • Die Allerwenigsten ernähren sich ethisch selbstlos: Ernährung heißt, dass der Stärkere den Schwächeren frisst. Veganer sind davon vermutlich nicht ausgeschlossen, weil wir gute Gründe zur Annahme haben, dass auch Pflanzen empfindsam sind, auf jeden Fall sind sie auch Lebewesen. Eine Ausnahme bilden die Frutarier, die tatsächlich von sich behaupten können, sich in gewisser Weiße moralisch zu ernähren. Etliche Menschen, etwa in der Arktis, können sich indes nicht frutarisch ernähren, sie sind auf den Verzehr von erjagtem Wild angewiesen. In diesen Erdregionen heißt es z.T.en wirklich noch, töten oder getötet werden. Wer dort wirklich selbstlos und nicht nur fressen will, weil er der Stärkere ist, muss konsequenterweise verhungern. Mir ist über die gesamte Menschheitsgeschichte hinweg kein einziges derart „moralisch motiviertes“ Suizidieren bekannt.
  • Der Rückgriff auf die menschliche Natur hilft uns nicht weiter: Es stimmt, dass den meisten von uns Fleisch schmeckt, aber viele von uns haben auch Lust mit der heißen Nachbarin zu schlafen, notfalls mittels Gewalt. Es würde in unserer Natur liegen, die Nachbarin zu vergewaltigen, und dennoch tuen wir es nicht, gerade weil wir moralbefähigt sind und gerade weil Moral oft bedeutet, sich von seinen natürlichen Gelüsten zu emanzipieren. Seien es Gelüste nach totem oder lebendigem Fleisch.

  • Der Rückgriff auf das Tierreich ist irreleitend: Der gemeine Mensch wird weder von innen noch von außen dazu gezwungen, Tierprodukte zu essen. Dahingegen kann beispielsweise ein Löwe nur Fleisch verdauen und ist auch nicht zu moralischen Gedanken fähig, die ihm dazu bringen könnten, einen altruistischen Hungertod zu sterben, dem Löwe kann deshalb kein Vorwurf gemacht werden.

  • Der Rückgriff auf die Menschheitsgeschichte ist verfehlt: Anhänger der sogenannten Paläo-Diät nehmen mit Verweis auf die Altsteinzeit viel Fleisch und kaum Kohlenhydrate zu sich. Das zeugt von einem falschen Geschichtsverständnis, Vor- und Frühmenschen haben sich in Wahrheit vor allem von Blättern, Früchten, Insekten, Fisch und ein Quäntchen Aas ernährt.
  • Der Grund, weshalb so viele Menschen nach der richtigen, korrekten Ernährung suchen, ist Geld bzw. Zeit. Außerdem ist es ein Ausschlagen des kapitalistischen Optimierungsgedankens auf unsere Essgewohnheiten. Und nicht zuletzt ist es das Verlangen nach Simplizität und Orientierung (einfach und klar formulierte Ernährungslehren) in einer immer komplizierteren und undurchsichtiger werdenden Ernährungswelt.
  • Die Suche nach einer gesundheitlich, ökologisch und moralisch richtigen Ernährung ist an sich etwas Gutes. Dadurch, dass die Möglichkeit nach ihr aber nur den hinreichend Gebildeten Wohlhabenden vorbehalten ist und die Kluft zwischen Arm und Reich zunimmt, wird unsere Gesellschaft auch was die „richtige Ernährung“ anbetrifft immer zweigeteilter.
  • Ernährung und Religion: Die „richtige Ernährung“ ist zu einem regelrechten Movement, - ja für viele zu so einer Art Ersatzreligion geworden, von der sie andere nun überzeugen wollen. Überzeugender als der erhobene Zeigefinger war aber schon immer das überzeugende Vorleben. Das gilt für religiöse- und Ernährungsmissionare gleichermaßen. 

  • Ernährung und Philosophie: Ein fruchtbarer Ansatz, dem ich selber anhänge, besagt, dass umso empfindsamer ein Lebewesen ist, desto schützenswerter ist es auch (siehe: Peter Singer, Speziesismus). Menschenaffenfleischessen geht also gar nicht, Rindfleisch schon eher, Insekten sind in Ordnung, Rüben gut und Äpfel optimal.

  • Ernährung und Ethik: Letzten Endes würde uns Singer aber vielleicht eher dazu raten, einfach den allerbilligsten Reis vom Discounter zu kaufen. Denn jeder so gesparte Cent kann als Spende aufgewendet werden. Und wenn (1) Ethik bedeutet, das eigene und fremdes Glück zu mehren und Leid zu schmälern und wenn (2) mit 15 Euro Kindern in der Dritten Welt schon lebensrettende Impfungen verabreicht werden können, dann kann jeder beim Essen gesparte Cent ethisch wirksamer als Spende eingesetzt werden. So gesehen ist die (ethisch) „richtige“ Ernährung auch vielleicht einfach nur die billigste.

Verzichten Sie auf das nächste Nutellaglas und ermöglichen Sie dafür, vielleicht mit der oben verlinkten App, einem hungernden Menschen eine Mahlzeit. Es wäre keine Entbehrung, sondern eine Win-Win-Situation!

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Kommentare: 1
  • #1

    WissensWert (Samstag, 29 Juli 2017 17:31)

    Nahezu jedes Lebewesen muss andere Lebewesen verkonsumieren um zu überleben. Gab es je einen Menschen, der freiwillig verhungert ist, weil er kein anderes Lebewesen töten wollte?


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