Libet-Experiment

Als Libet-Experiment wurde eine Versuchsreihe des Physiologen Benjamin Libet bekannt. Libet maß den Zeitraum zwischen der ersten Bewusstwerdung und den korrelierenden Nervenaktivitäten einer Handlungsentscheidung. Zur Verblüffung Vieler kam er zu der Erkenntnis, dass bei einer willentlichen Entscheidung zuerst die korrelierenden Nervenaktivitäten einsetzen und sie uns erst danach bewusst wird.

Daraus konnte geschlussfolgert werden, dass die bewusste Absicht einer Handlung nicht die mit ihr korrelierenden Nervenaktivitäten (Aktivierung des Motorkortex) kausal verursachen kann. Es folgten lebhafte Debatten binnen der Philosophie des Geistes, etwa darüber, ob dadurch ein Epiphänomenalismus wahrscheinlicher wird. Die meisten Diskussionen hatte Libets Experiment jedoch beim Thema der Willensfreiheit ausgelöst.

Eine diesbezüglich langangehaltene Interpretation der Experimente lautete wie folgt: Entscheidungen werden ursächlich im kausal-determinierten Nervensystem getroffen, kommen daraufhin in das Bewusstsein und machen dort fälschlicherweise den Eindruck, erst in diesem bzw. aus freien Stücken getroffen wurden zu sein. Eigentlich aber sei die Annahme eines freien Willens eine Farce.
N.m.E. wird die Aussagekraft des LE hier und an anderen Stellen überschätzt,
insofern aus ihm Aussagen über Themen herausgelesen werden, über die etwas auszusagen es nicht imstande ist.

1. Das Experiment

a. Versuchsaufbau

Libets Ausgangspunkt waren diverse EEG-Experimente, bei denen gezeigt werden konnte, dass bei einer einfachen Handbewegung zwischen einer bestimmten einleitenden Nervenaktivität im Motorkortex und ihrer tatsächlichen Ausführung etwa eine Sekunde verstreicht. Gemäß Libets Alltagserfahrung war die empfundene Zeit zwischen Handlungsabsicht und –ausführung jedoch sehr viel kürzer.

Ziel seines Versuches war es daher, möglichst präzise festzustellen, (1) wann der Proband eine bewusste Handlungsentscheidung trifft, (2) wann die dazugehörige einleitende Nervenaktivität im motorischen Kortex erfolgt, (3) und wann die betreffende Muskulatur aktiv wird. Mit einem Elektromyogramm (EMG) vermochte er die Muskelaktivität genau zu messen. Auch für die Messung des Bereitschaftspotentials im Kortex existierte mit dem EEG eine etablierte Methode.

Nur wie sollte man den Zeitpunkt einer bewusst, subjektiv erlebten Handlungsentscheidung messen? Das war komplizierter, denn jede Zeichengebung des Probanden hierzu wäre durch die dabei unvermeidliche und relativ variable Reaktionszeit zwangsläufig ungenau gewesen. Libet entschied sich deshalb dafür, seine Versuchsperson auf eine schnell laufende Uhr blicken zu lassen, die er durch einen Lichtpunkt auf einem Oszilloskop realisierte, der innerhalb von 2,56 Sekunden einen vollständigen Kreis beschrieb. Nach einer Handbewegung sollten die Probanden dann die Stellung der Uhr zu dem Zeitpunkt nennen, bei dem sie den bewussten „Drang“ oder Wunsch verspürten, die Hand zu bewegen.

Libets Experiment: (0) Ruhe, bis (1) das Bereitschaftspotential gemessen wird, (2) der Proband wird seiner Entscheidung bewusst und merkt sich die Position des roten Punktes und (3) handelt.
Libets Experiment: (0) Ruhe, bis (1) das Bereitschaftspotential gemessen wird, (2) der Proband wird seiner Entscheidung bewusst und merkt sich die Position des roten Punktes und (3) handelt.

Um die Exaktheit dieses Verfahrens zu überprüfen, wurde in einem Vorexperiment eine Hautpartie der Probanden elektrisch gereizt. Danach sollten sie mittels der Oszilloskop-Uhr den Zeitpunkt der Stimulierung angeben. Hierbei ergab sich eine hinreichend geringe Variation mit einer mittleren Abweichung von ~50 ms gegenüber dem realen Zeitpunkt des Reizes.

Vor dem eigentlichen Versuch wurden die Probanden gebeten, einen völlig beliebigen Zeitpunkt zu wählen, um die rechte Hand zu bewegen („at any time they felt the urge or wish to do so“), sowie sich den Stand der Uhr zu jenem Zeitpunkt zu merken. In einem Teil der Versuche sollten sie einer auftretenden Handlungsabsicht möglichst spontan nachkommen, in einem anderen Teil sollten sie zwischen Handlungseinfall und willentlicher (anzugebender) Ausführung bis zu einer Sekunde verstreichen lassen, die Bewegung also gewissermaßen vorausplanen.

b. Ergebnis

Der Nullpunkt der Zeitskala wurde bei der anschließenden Auswertung der Ergebnisse stets auf den Beginn der Muskelaktivierung gelegt, der anhand des EMG ja zweifelsfrei festzustellen war. Relativ zu diesem Bezugspunkt wurden die Zeitabstände von jeweils 40 EEG-Aufzeichnungen eines Probanden gemittelt. Eine solche Durchschnittsbildung ist üblicherweise nötig, um derartige Daten zuverlässig auswerten zu können.

Die Ergebnisse waren auch für Libet selbst überraschend. Die relativ zu dem definierten Nullpunkt des Beginns der Muskelaktivität Zeiten waren im Mittel wie folgt:

·      Bei −1050 ms trat das Bereitschaftspotential auf, wenn der Proband eine Vorausplanung der Bewegung berichtete;

·      Bei −550 ms setzte das Bereitschaftspotential von spontanen Handlungen ein;

·      Der berichtete Zeitpunkt der willentlichen Entscheidung für die unmittelbar anschließende Handlung lag in beiden Fällen gleichermaßen bei −200 ms.

Das Bemerkenswerte an diesem Ergebnis war, dass der Zeitpunkt, zu dem die willentliche Entscheidung bewusst wurde, in jedem Fall deutlich nach dem Zeitpunkt lag, an dem im motorischen Kortex eine, für die Bewegung charakteristische, einleitende Nervenaktivität bereits begonnen hatte. Da das Vorexperiment sichergestellt hatte, dass die Ungenauigkeiten der Zeitangaben der Versuchspersonen erheblich kleiner waren als die maßgebliche Zeitverzögerung der empfundenen Willensentscheidung, so folgte daraus, dass Willensentscheidungen die Aktivierung des Motorkortex nicht kausal verursachen können.

2. Neurodeterministische Interpretation

Libet, und mit ihm viele andere, folgerten daraus einen Neurodeterminismus: Der Entschluss zu handeln werde von unbewussten Gehirnprozessen gefällt, bevor er dann als Absicht ins Bewusstsein dringt. Die bewusste Entscheidung soll somit nicht ursächlich für eine Handlung sein. In Folge sah man die Willensfreiheit des Menschen in Frage gestellt. Der Angriff auf die Willensfreiheit ist dabei nicht nur philosophisch interessant, sondern gerade auch von praktischem Belang, da wir uns gemeinhin als frei handelnde Individuen empfinden und überdies unsere Gesellschaft und unsere Rechtsprechung auf der Annahme des freien menschlichen Willens beruhen.

Wir tun nicht, was wir wollen; wir wollen, was wir tun.“
Wolfgang Prinz

Kurz darauf ging Libet zu der These über, dass es ein Zeitfenster von zirka 100 ms gebe, innerhalb dessen der bewusste Wille eine bereits eingeleitete Handlung noch verhindern könne (Veto- oder Kontroll-Funktion des Willens). In diesem Sinne könne das Bewusstsein „willensbestimmte Ergebnisse selektieren und unter ihre Kontrolle bringen“. Er untermauerte diese Position mit weiteren Experimenten, die zeigten, dass ein Bereitschaftspotential nicht zwingend zu einer Handlung führt, sondern bis zirka 50 ms vor der Muskelaktivierung noch abgebrochen werden kann. Die angeführten 100 ms errechnete er aus den 200 ms von der bewussten Entscheidung bis zur Muskelaktivierung, abzüglich der 50 ms, innerhalb derer die Bewegung nicht mehr aufzuhalten ist, sowie korrigiert um die 50 ms, die sich im Vorexperiment als systematischer Ablesefehler der Uhr ergeben hatten.

Libet mutmaßte in der Folge, dass das Veto selbst nicht unbewusst eingeleitet werde, sondern unmittelbar auf bewusster Ebene stattfinde. Diese Vermutung stützte er jedoch nicht auf experimentelle Befunde. Zur Begründung verwies er stattdessen darauf, dass ihn alternative Annahmen zu Schlussfolgerungen über die Willensfreiheit führen würden, die er für unbefriedigend hielte. Unter Verweis auf die verbietende Formulierung vieler sozialer Regeln („Du sollst nicht...“) sah er aufgrund seiner Mutmaßung die moralische Verantwortlichkeit des Menschen wiederhergestellt.

3. Kritik an der neurodeterministischen Interpretation

à#Libet-Experiment #Kritik 

Der Punkt ist, dass bei all diesen Deutungsansprüchen weitaus mehr vom LE erwartet wird, als es am Ende leisten kann. Wenn man sich mal den Versuchsanbau und die Schlusslinien anschaut, dann kann – unabhängig davon, welche Ergebnisse tatsächlich herauskommen, mit ihm nicht gezeigt werden, dass bewusste Entscheidungen kausal irrelevant für Handlungen sein sollen. Und deswegen kann die starke Deutung des LE, die häufig gewählt wird, dass das Libet-Experiment nämlich den freien Willen widerlege, nicht aufrechterhalten werden.

Libet selbst hatte aus seinem Experiment auch nie eine Widerlegung der Willensfreiheit abgeleitet. Er glaubte lediglich, die zuvor charakterisierte "Vetofunktion des Willens" nachweisen zu können. Doch auch, ob Libet mit seinem Experiment einen glaubhaften Nachweis für die Existenz eines solchen "Vetos" erbringen konnte, ist fraglich. Dafür müsste man voraussetzen, dass in den genannten Experimenten tatsächlich eine bereits eingeleitete Handlung spontan unterbrochen wurde. Was aber nicht der Fall war. Die Versuchspersonen wussten eindeutig schon bei der Einleitung ihrer Handlung, dass sie diese zu einem vorgegebenen Zeitpunkt unterbrechen würden.

a. Interpretatorische Einwände

Das Setting in den Libet-Experimenten unterscheidet sich entscheidend von einer normalen Entscheidungssituation, in der wir die Wahl zwischen einer Reihe sich ausschließender Handlungen treffen können, wobei jede Handlung auch tatsächlich vollführt werden kann. Kann man überhaupt davon sprechen, dass die Versuchspersonen in den LE wirklich eine Entscheidung treffen? Immerhin steht die auszuführende Handlung (Bewegung der rechten Hand) schon von vornerein fest; außerdem muss die Bewegung sehr häufig wiederholt werden. Die Versuchspersonen können bestenfalls den zeitlichen Ablauf geringfügig variieren.

Deshalb kann man argumentieren, dass die einzige Entscheidung vor Beginn des eigentlichen Versuches getroffen wird – nämlich dann, wenn die Versuchsperson einwilligt, an dem Versuch teilzunehmen und im Folgenden vierzig Mal hintereinander eine einfache Handbewegung auszuführen. Was mit Hilfe der Uhr, die die Versuchspersonen beobachten, gemessen wird, wäre also nicht der bewusste Entschluss, die Bewegung auszuführen, sondern nur der Akt der Auslösung der Bewegung, zu der sich die Versuchsperson schon zu vor Beginn des eigentlichen Experimentes entschlossen hatte. Der Anstieg des Bereitschaftspotentials wäre auf die Erwartung zurückzuführen, dass die gleiche Bewegung kontinuierlich wiederholt werden muss. Dies stimmt mit Befunden überein, denen zufolge der Anstieg des Bereitschaftspotentials durch kognitive Prozesse beeinflusst werden kann.

Neuere Versuche sprechen immer mehr für diese Interpretation. So konnten Keller und Heckhausen. K. und H. zeigen, dass die Instruktion die Aufmerksamkeit der Versuchspersonen auf unwillkürliche Bewegungsimpulse richtet, die im Normalfall praktisch ständig vorhanden sind. Solchen Bewegungsimpulsen geht ein Bereitschaftspotential voraus, das dem von Libet gemessenen sehr ähnlich ist. Durch die Instruktion werden die Versuchspersonen veranlasst, ihre Aufmerksamkeit auf diese Bewegungsimpulse zu richten, die sie dann als "Drang, sich zu bewegen" interpretieren. Natürlich stellen solche Bewegungsimpulse keine Entscheidungen in irgendeinem interessanten Sinne dar; auch Keller und Heckhausen gehen daher davon aus, dass die eigentliche Entscheidung fällt, wenn die Versuchspersonen einwilligen, die Instruktion auszuführen.

Diese Interpretation deckt sich auch mit einer von Goschke vorgelegten allgemeinen Theorie der Handlungssteuerung. Dieser Theorie zufolge können bewusste Absichten nicht einfach als direkte Ursachen verstanden werden, die eine Handlung einfach wie einen Billardball anstoßen; bewusste Absichten wirken vielmehr indirekt, indem sie die Wahrscheinlichkeit für die Ausführung einer Handlung – möglicherweise über einen längeren Zeitraum – vergrößern oder verringern: Genau dies wird durch die Instruktion in den Libet-Experimenten bewirkt!

Völlig unabhängig von dem Problem, ob in den Versuchen Libets wirklich von einer Entscheidung die Rede sein kann, stellt sich die Frage, was denn durch das Bereitschaftspotential festgelegt wird. Da Libets Versuchsaufbau Handlungsalternativen – wie das Bewegen einer anderen Hand – von vornherein ausschloss, lässt der Versuch offen, ob die Versuchspersonen nicht auch nach dem Auftreten des Bereitschaftspotentials eine andere als die ursprünglich intendierte Handlung hätten ausführen können. Die Existenz einer solchen Möglichkeit würde offensichtlich erhebliche Freiheitsspielräume eröffnen.

Für die Annahme eines solchen Freiheitsspielraumes spricht etwa das hier ebenfalls kritisierte Nachfolgeexperiment von Haggard und Eimer. Bei Haggard und Eimer gab es eine Bedingung, in der die Versuchsperson die Wahl zwischen zwei unterschiedlichen Handbewegungen hatten. Haggard und Eimer kamen zu den Ergebnis, dass das symmetrische Bereitschaftspotential nicht festlegt, was die Person tun wird. Zwar gibt es methodische Einwände gegen diese Schlussfolgerung, derselbe Schluss lässt sich jedoch auch aus einer Untersuchung von Herrmann et al. (in Vorbereitung) ziehen. Die Autoren konnten in einem Reaktionszeitexperiment zeigen, dass Versuchspersonen auch nach dem Auftreten des symmetrischen Bereitschaftspotentials die Wahl zwischen Bewegungen beider Hände hatten.

b. Methodische Einwände

Abgesehen von Unklarheiten bei der anschließenden Interpretation der Libet-Experimente gibt es auch Vorbehalte, die sich auf das Experiment selbst beziehen, insbesondere auf die Art der Datierung von Bereitschaftspotential und Willensakt. Fragen nach der Datiermethode sind hier von zentraler Bedeutung, weil die zeitliche Abfolge von Bereitschaftspotential und Willensakt die Basis aller Behauptungen über Kausalzusammenhänge, insbesondere über die kausale Rolle des bewussten Willens, bildet.

Die Probleme der Datierung werden sichtbar, wenn man auch die Nachfolgeexperimente mit einbezieht. Beträchtliche Differenzen gibt es schon bei den Mittelwerten für den bewussten Willensakt aller Versuchspersonen eines Experimentes. Bei Libet ebenso wie bei Keller und Heckhausen liegt dieser Wert bei 200 Millisekunden vor der Handbewegung, bei Haggard und Eimer dagegen bei 350 Millisekunden und bei Trevena und Miller nur 122 Millisekunden vor der Bewegung. Wesentlich größer noch sind die Differenzen zwischen den einzelnen Versuchspersonen. Wie schon gesagt, basieren die ermittelten Daten in der Regel auf etwa 40 Durchgängen. Bei Libet liegen die Schwankungen zwischen 422 und 54 Millisekunden, bei Haggard und Eimer zwischen 984 und 4 Millisekunden vor der Handlung. Bei Keller und Heckhausen finden sich Werte zwischen 362 Millisekunden vor und 806 Millisekunden nach der Bewegung; ebenso gaben bei Trevena und Miller 40% der Versuchspersonen einen Zeitpunkt an, der nach der Ausführung der Bewegung lag.

Erklären lassen sich die Differenzen zum einen durch Unklarheiten bei der Instruktion. Nicht alle Versuchspersonen dürften also die gleiche Vorstellungen davon gehabt haben, was mit dem "Drang, sich zu bewegen" gemeint war. Hinzukommen dürfte die seit längerem bekannte Aufmerksamkeitsabhängigkeit bei der Datierung von Reizen aus unterschiedlichen Modalitäten. Wendet die Versuchsperson ihre Aufmerksamkeit einem akustischen Reiz zu, wird sie diesen Reiz z.B. im Vergleich zu einem nicht aufmerksam beobachteten optischen Reiz vordatieren; konzentriert sich die Versuchsperson dagegen auf den optischen Reiz, wird dieser vordatiert. Offensichtlich stellt die Datierung des "Drangs, sich zu bewegen" anhand einer optischen Wahrnehmung, nämlich der Position eines Punktes auf einem Zifferblatt, ein ganz analoges Problem dar. Da nicht kontrolliert werden kann, ob die Versuchspersonen ihre Aufmerksamkeit auf ihren Bewegungsdrang oder auf die Uhr richten, könnte also ein Teil der Schwankungen hieraus zu erklären sein, zumal man annehmen kann, dass es hier individuelle Präferenzen gibt, die bei der geringen Zahl der Versuchspersonen durchaus ins Gewicht fallen dürften.

c. Naturalistische Einwände

Die Standardinterpretation der Libet-Experimente geht von einer grundsätzlichen Entgegensetzung von Hirn und handelnder Person aus (Dualismus), die keineswegs selbstverständlich ist. Handlungen sind meine Handlungen, wenn sie auf meine Überzeugungen, Präferenzen und Überlegungen zurückgehen. Naturalisten behaupten aber, anders als die Standardinterpretatoren der LE, dass Überlegungen durch neuronale Prozesse und dass Überzeugungen und Präferenzen durch neuronale Zustände realisiert sind. Wenn das richtig ist, können auch Handlungen, die von Prozessen in meinem Gehirn ausgelöst werden, meine Handlungen sein. Und wenn überdies der Kompatibilismus richtig ist, können diese Handlungen sogar frei sein. So gesehen zeigen die Libet-Experimente bestenfalls, dass die Entscheidungsprozesse, die einer Handlung vorausgehen, nicht vollständig bewusst sind. Dies entspricht jedoch nur einer Tatsache, die sich bei der Untersuchung kognitiver Prozesse häufig feststellen lässt: Nur das Ergebnis dieser Prozesse gelangt in unser Bewusstsein, während die Prozesse selbst weitgehend unbewusst ablaufen.

Fazit: Letzten Endes bleibt zu Libets Experimenten; die gezeigt haben, dass Versuchspersonen den Zeitpunkt, zu dem sie ihre willentliche Entscheidung getroffen haben, stets auf einen späteren Zeitpunkt datiert haben, als die erste neuronale Aktivität auftrat; vielleicht nur lakonisch anzumerken, dass das ja gar nicht anders passieren hätte können, wenn man Bewusstsein und Willensentscheidungen als mit Neuronenaktivität erklärbar ansieht. Denn eine Ursache geht nun mal immer ihrer Wirkung voraus. Das Problem wird also zum Scheinproblem, wenn man auch unbewusste Entscheidungen als willentliche betrachtet, wie es sich zwanglos aus der Akzeptanz (unbewusster) persönlicher Präferenzen ergibt.

4. Verweise

  • Filme: Im Science-Fiction-Film "Minority Report" nimmt ein Polizist Mörder fest, bevor sie die Tat überhaupt begangen haben. Ihre Straftaten lassen sich angeblich mit absoluter Sicherheit vorhersagen. Solch eine "Vorverurteilung" von Straftätern könnte tatsächlich theoretisch möglich sein, vorausgesetzt, der (Neuro-)Determinismus ist wahr.
  • Inkompatibilismus: Die neurodeterministische Interpretation des LE setzt voraus, dass eine Willensentscheidung nicht frei sein kann, wenn sie von einem determinierten System wie dem Gehirn getroffen wurden ist. Diese Unvereinbarkeitsthese zwischen Freier Wille und Determinismus ist die zentrale Behauptung des sog. Inkompatibilismus. Der Inkompatibilist argumentiert wie folgt: Freiheit setzt voraus, dass man eine Wahl hat, und da der Determinismus diese kategorisch ausschließt, sind (Willens-)Freiheit und Determinismus inkompatibel. Diese Argumentation klingt schlüssig und sie entspricht auch unserer Alltagsintuition. Es gibt jedoch auch gute Argumente, die sich gegen sie richten, und die der Kompatibilismus anbringt. Mit der Wahrheit des Kompatibilismus würde die gesamte neurodeterministische Interpretation des LE in sich zusammenbrechen. Willensentscheidungen könnten neuronal-determiniert und zugleich frei sein.

Stand: 2016

Kommentare: 10
  • #10

    ghovjnjv (Donnerstag, 08 September 2022 09:24)

    1

  • #9

    Jonas Freitag (Dienstag, 21 Juni 2022 14:16)

    guten Tag

  • #8

    ubaTaeCJ (Donnerstag, 12 August 2021 09:10)

    1

  • #7

    ubaTaeCJ (Donnerstag, 12 August 2021 09:10)

    1

  • #6

    ubaTaeCJ (Donnerstag, 12 August 2021 09:07)

    1

  • #5

    Harald Fischer (Samstag, 09 Januar 2021 19:04)

    Wäre ein Kind bei diesen Experimenten dabei gewesen, hätte es wahrscheinlich gesagt : Im Kopf sind zwei, einer der zeitgleich empfängt und einer, der verspätet ausführt, damit wär dieser 40jährige Unsinn aus der Welt. H. Fischer
    Was das Kind nicht gewusst hätte, es sind drei im Kopf.

  • #4

    WissensWert (Montag, 02 April 2018 22:37)

    Die Aussage „Wenn A dann B“ hat zwei Bedeutungen: Die eine ist die von logischen Abhängigkeiten, die zweite die zeitliche Abhängigkeit von Ursache und Wirkung. Man muss sich für eine von beiden entscheiden, dann verschwinden Paradoxa dieses Typs.

    Libets Veto-Funktion ist eine Krücke, weil er tatsächlich glaubte, Willensfreiheit gegenüber seinem Experiment retten zu müssen. Dabei ist eigentlich nur seine Interpretation falsch. Und das hat Geert Keil in seinem Buch herausgearbeitet: Kausalketten haben keinen Anfang und kein Ende. Unsere Willensakte wurzeln z.T. so weit zurück in der Vergangenheit, und bewusste und unbewusste Vorgänge sind derart gemischt, dass eine so willkürliche Trennung, egal zu welchem Zeitpunkt, absurd ist. Sowohl Entscheidungen, die mir bewusst werden (die ich bewusst treffe), als auch unbewusste werden von meinen Präferenzen beeinflusst, die ebenfalls bewusst/unbewusst und von meinem gesamten bisherigen Leben (zum Teil vor der Geburt, pränatal, zum Teil vor meiner Zeugung, genetisch) bestimmt sind.

  • #3

    WissensWert (Dienstag, 24 Oktober 2017 03:43)

    http://www.spektrum.de/news/wie-frei-ist-der-mensch/1361221

  • #2

    WissensWert (Freitag, 13 Oktober 2017 22:49)

    https://youtu.be/Ze5OVwkzjro

  • #1

    WissensWert (Samstag, 07 Mai 2016 00:42)

    http://www.heise.de/tp/artikel/42/42679/4.html


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