„In einer Welt, die überflutet wird von belanglosen Informationen, ist Klarheit Macht.“ 

- Yuval Noah Harari

Vladimir Nabokov. Lolita (Zitatesammlung)

Erste Worte:
Lolita, Licht meines Lebens, Feuer meiner Lenden. Meine Sünde, meine Seele. Lo-li-ta: die Zungenspitze macht drei Sprünge den Gaumen hinab und tippt bei Drei gegen die Zähne. Lo. Li. Ta.

Sie war Lo, einfach Lo am Morgen, wenn sie vier Fuß zehn groß in einem Söckchen dastand. Sie war Lola in Hosen. Sie war Dolly in der Schule. Sie war Dolores auf amtlichen Formularen. In meinen Armen aber war sie immer Lolita.

Hatte sie eine Vorläuferin? Ja doch, die hatte sie. Es hätte vielleicht gar keine Lolita gegeben, hätte ich nicht eines Sommers ein gewisses Urmädchenkind geliebt. In einem Prinzenreich am Meer. Ach, wann war es doch? Ungefähr so viele Jahre vor Lolitas Geburt, wie mein Alter in jenem Sommer betrug.“

Humbert erblickt Lolita das erste Mal:
„Ich ging noch immer hinter Mrs. Haze her durch das Eßzimmer, als es plötzlich grün um uns her wurde. ‹Die Piazza›, sang meine Geleiterin, und ohne die geringste Warnung schwoll eine blaue Meereswelle unter meinem Herzen, und auf einer Binsenmatte in einem Sonnenteich kniete halbnackt meine Riviera-Liebe, drehte sich auf den Knien zu mir her und sah mich über dunkle Brillengläser forschend an. Es war das gleiche Kind – die gleichen zerbrechlichen, honigfarbenen Schultern, der gleiche seidige, geschmeidige nackte Rücken, der gleiche kastanienbraune Haarschopf.
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Ein gepunktetes schwarzes Tuch, um ihren Oberkörper geknotet, verbarg meinen alternden Gorillaaugen, nicht aber den Blicken junger Erinnerung die jugendlichen Brüste, die ich eines unsterblichen Tages liebkost hatte. Und als wäre ich die Märchenamme einer kleinen Prinzessin (verlaufen, geraubt, wiedergefunden, in Zigeunerlumpen, durch die ihre Nacktheit den König und seine Meute anlächelt), erkannte ich das winzige dunkelbraune Muttermal an ihrer Seite. Mit Ehrfurcht und Entzücken (der König weint vor Freude, es blasen die Trompeten, die Amme ist betrunken) erblickte ich wieder ihren holden eingezogenen Bauch, wo einst mein südwärts segelnder Mund kurz verweilte, und die knabenhaften Hüften, an denen ich den gezackten Abdruck küsste, den das Gummiband ihrer Shorts hinterlassen hatte - an jenem letzten, unvergesslichen Tag hinter den «Roches Roses». Die fünfundzwanzig Jahre, die ich seitdem durchlebt hatte, liefen in einer zitternden Spitze zusammen und entschwanden.
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Es bereitet mir die größte Schwierigkeit, dies Aufleuchten, dies Erschauern, diesen Schock leidenschaftlichen Wiedererkennens mit angemessener Kraft zu schildern. In dem flüchtigen, sonnendurchschossenen Moment, als mein Blick über das kniende Kind glitt (ihre Augen blinzelten über die strengen schwarzen Brillengläser hinweg - der kleine Onkel Doktor, der mich von all meinen Schmerzen heilen sollte), während ich in meiner Verkleidung als Erwachsener (ein männliches Prachtexemplar aus dem Filmland) an ihr vorüberging, gelang es dem Vakuum meiner Seele, jede Einzelheit ihrer frischen strahlenden Schönheit in sich aufzusaugen und an den Zügen meiner toten Braut zu messen. Etwas später natürlich hatte sie, diese nouvelle, diese Lolita, meine Lolita, ihr Urbild völlig verdunkelt.“

Zerstörte Jugend:
„Was ich hörte, war der Klang spielender Kinder, sonst nichts. Und ich war mir auch der bitteren Tatsache bewusst, dass ich nicht unter Lolitas Abwesenheit litt, sondern dass mir ihre Stimme in diesem Chor fehlte.“

Letzte Worte:
„Die arme Lolita ist ein paar Wochen später nach der Niederkunft mit einem totgeborenen Mädchen in „Gracestar“, einer Siedlung im fernen Nordwesten im Wochenbett gestorben. Sie hat niemals erfahren, dass Humbert Clare Quilty am Ende aufgespürt und getötet hat. Auch Humbert wusste nichts von Lolitas Tod, als er kurz vor seiner eigenen Vernichtung – er starb noch in Untersuchungshaft am 16. November 1952 an Koronarthrombose, diese letzten Worte seiner tragischen Lebensgeschichte niederschrieb:
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Solange das Blut durch meine schreibende Hand pulst, bist du noch ebenso ein Teil seeliger Materie wie ich. Ich kann noch immer mit dir sprechen und bewirken, dass du in der Fantasie späterer Generationen an Leben bleibst, ich denke an Auerochsen und an Engel, an das Geheimnis zeitbeständiger Pigmente, prophetische Sonette, die Zuflucht der Kunst – und dies ist die einzige Unsterblichkeit, an der du und ich gemeinsam teilhaben dürfen, meine Lolita.“

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