„In einer Welt, die überflutet wird von belanglosen Informationen, ist Klarheit Macht.“ 

- Yuval Noah Harari

Übersetzungsprobleme mit der Bibel

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Wir finden in der Bibel - Gottes Wort, wie mancherorts behauptet wird - kuriose Übersetzungsprobleme und Fehler. Dies ist (wie wir an anderer Stelle noch sehen werden) ein ziemlich starker Beweis dafür, dass die Bibel eben nicht das geoffenbarte Wort Gottes sein kann, denn wenn Gott es ernst meint mit einer Offenbarung, dann müsste er genau diese Fehler vermeiden. 

Einer der eher kuriosen Fehler hat mich schon in meiner Kindheit beschäftigt. Und zwar der Vers: 

Markus 10:25 (Elberfelder Bibel): 25 Es ist leichter, dass ein Kamel durch das Öhr der Nadel geht, als dass ein Reicher in das Reich Gottes hineinkommt. 

In der griechischen Sprache (und die vier Evangelien wurden auf Griechisch verfasst) unterscheidet sich das Wort für "Kamel" nur durch einen Vokal vom Wort "Schiffstau". Die Wahrscheinlichkeit für eine Fehlübersetzung ist also ziemlich hoch (das wird aber nicht von der Mehrheit der Bibelforscher gesehen, sie dazu einen
Zeit-Artikel). Auf jeden Fall ist übersetzen auch immer eine spekulative Tätigkeit  [1]. Immerhin ist aramäisch, die Sprache, die zum Beginn der Zeitrechnung in der Gegend gesprochen wurde, eine sehr blumige Sprache mit einem Hang zur Übertreibung. Ein Beispiel für diese dramatisierende Ausdrucksweise ist das bekannte Jesus-Zitat von dem Splitter und dem Balken im Auge (Lukas 6:41-42 oder Matthäus 7:3-5). Ein "Balken im Auge" ist sicher nicht wörtlich zu nehmen. Also könnte auch das Kamel eine stark übertriebene Ausdrucksweise sein. Die Frage ist dann aber auch, wo Jesus noch übertrieben hat ... 

Ernster scheint mir schon das Problem, dass das Wort "Kreuz" in der Bibel nicht ein einziges Mal vorkommt. An den Stellen, wo bei uns das Wort "Kreuz" oder "kreuzigen" steht, wird das griechische Wort stauros (= Pfahl) oder das Wort xylon (= Holz, Baum oder Balken) benutzt. Das Kreuz ist ein heidnisches Symbol und wurde - wie so vieles im Christentum - von den Christen nur übernommen. Einzelheiten dazu siehe auch unter
Ist das Kreuz wirklich ein christliches Symbol?  [2]. Allerdings gibt es durch neuere archäologische Forschungen doch durchaus gute Gründe für die Annahme, dass die Kreuzigung zu der damaligen Zeit üblich war, die Debatte hält aber noch an (siehe Crucification in Antiquity). 

Grundlagen der Trinität  [
3] ist unter anderem folgende Überlegung: Jesus benutzt auf der einen Seite häufiger Ausdrücke wie "Sohn des Menschen" oder "Menschensohn", andererseits bezeichnet er sich als "Gottes Sohn" und nennt Gott seinen "Vater". 

Dazu muss man wissen, dass Jesus Aramäisch gesprochen hat, eine blumige und ausdrucksstarke Sprache, in der Floskeln wie "Wahrlich, ich sage Euch" u. ä. gang und gäbe waren (und noch sind). Überhaupt kommen doppelte Bekräftigungen häufig vor. 

Was bedeutet nun "Sohn des Menschen"? Im Aramäischen heißt "bar" Sohn und "nasha" heißt Mensch. Im Original hat also Jesus "bar-nasha" gesagt, wenn man dies wortwörtlich übersetzt, dann heißt das "Sohn des Menschen" oder "Menschensohn". Wenn man im Aramäischen aber "bar" einem Wort voranstellt, dann ändert man damit seinen Sinn. "Barabba" heißt wortwörtlich übersetzt "Sohn des Vaters", die korrekte (sinngemäße) Übersetzung aber wäre "er ähnelt seinem Vater". "Bar-Agara" heißt wörtlich übersetzt "Sohn des Dachfirsten", richtig wäre aber "Verrückter". "Bar-hila" heißt wörtlich "Sohn der Macht", sinngemäß aber Soldat. "Bar- nasha" heißt also nicht "Sohn des Menschen" sondern ganz einfach nur - Mensch. Menschensohn ist also eine falsche Übersetzung (ins Griechische, dann wieder zurück in unsere Sprache)! 

In arabischen Filmen findet man diese Sprachformel häufiger - "Sohn eines Esels" heißt nicht, dass eine Eselin die Mutter war, sondern das der so bezeichnete sich "störrisch wie ein Esel" verhalten hat, also einem Esel [im Verhalten] ähnlich ist. "Sohn einer Schlange" bezeichnet einen Lügner etc. Keine dieser Beleidigungen bezieht sich auf die Eltern des Beleidigten! 

"Bar dahala" heißt wortwörtlich "Sohn Gottes" und wird im Aramäischen in verschiedenen Bedeutungen verwendet - niemals aber in der wortwörtlichen Bedeutung! "Bar dahala" heißt Waise oder sanftmütiger junger Mann (ein sanftmütiger älterer Mann wird als "Mann Gottes" bezeichnet), ein Friedensstifter, ein guter, freundlicher oder frommer Mensch. 

"Sohn eines ..." drückt also eine Ähnlichkeit aus. "Sohn Gottes" (bar dahala) sagt aus "wie ein Gott" oder "gottähnlich" (der Sinn geht aus dem Kontext hervor). Sohn drückt im Aramäischen auch nicht unbedingt eine Verwandtschaftsbeziehung aus - ein Lehrer wird einen guten Schüler, den er liebt, auch als seinen "Sohn" bezeichnen. Und umgekehrt: Der Schüler wird seinen Lehrer als "Vater" bezeichnen. Wenn Jesus also Gott als seinen "Vater" bezeichnet, dann drückt er damit seine Verbundenheit mit und seine Liebe zu Gott aus. Dieselbe Verbundenheit (Frömmigkeit) bezeichnet dann auch "bar dahala", Gottes Sohn (in Wahrheit: fromm). 

Anders gesagt: Als die Synoptiker den Begriff "bar dahala" hörten, haben sie ihn falsch übersetzt. Jesus hat sich niemals wirklich als Sohn Gottes bezeichnet! Wenn man "bar dahala" im Aramäischen Sinne benutzt, dann kann man dies für jeden Menschen tun, denn laut Bibel schuf Gott den Menschen nach seinem Ebenbild. Wir alle sind "bar dahala" - Gott ähnlich. Manche von uns sind auch "bar dahala" im Sinne von fromm. 

Falsch übersetzt wurde auch ehedaya. Das heißt im Aramäischen wörtlich "der besonders geliebte Sohn". Das wurde ins Griechische übersetzt mit "monogenes" ("monos", einzig, "genos", Art, meint also "einen der Art", was korrekt ist). Später wurde daraus "Gottes eingeborener Sohn" statt "einer, der von Gott besonders geliebt wird" gemacht (diesen Ausdruck findet man nur im Johannes-Evangelium). Diese falsche Übersetzung aus dem Griechischen wurde im arianischen Streit benutzt, um die Arianer zu diskreditieren, ist also eine Folge der Kirchenpolitik. 

Diese Beispiele (neben einigen anderen) habe ich in dem Buch "The Book Your Church Doesn't Want You To Read" ("Das Buch, von dem Ihre Kirche nicht möchte, dass Sie es lesen",
Leedom 1993) ein einem Artikel eines biblischen Sprachwissenschaftlers gefunden (der, nebenbei bemerkt, ordinierter Priester ist und der auf die dortigen Sprachen, besonders Aramäisch, spezialisiert ist - kein Ungläubiger also, der davon sowieso nichts versteht, wie gerne behauptet wird). Herausgeber des Buches ist Tim C. Leedom.

Konfusius, er zitiert: "Murphys Gesetz der Forschung: Genügend Forschung wird Deine Theorie tendenziell bestätigen."


Anmerkungen:

 

  1. Und darauf kommt es an - nicht, ob nun "Kamel" oder "Schiffstau" die korrekte Übersetzung ist, deswegen habe ich auch ausdrücklich auf einen Link verwiesen, der die gängige Übersetzung verteidigt.
  2. Ich bin dafür kritisiert worden, dass ich auf eine Seite der "Zeugen Jehovas" in dieser Frage verweise - ich halte dies für ein Argument ad hominem. Hier ein weiterer Link (der Zeugen Jehovas) der die Kritik zurückweist: Response to Volume 16 of the The Watchman Expositor - Jehovah Witnesses. Es ist bedauerlich, dass einige wenige Christen nur Argumenten zugänglich sind, wenn sie von Leuten geäußert werden, die ihren Glauben exakt teilen, ansonsten Argumente pauschal zurückweisen. Ich habe den Link ausgesucht, weil der Text die beste Erklärung auf Deutsch bot, nicht weil ich Werbung für die Zeugen Jehovas machen möchte. Ich möchte, dass Sie sich eine eigene Meinung bilden, dazu gehört auch, alle Seiten gehört zu haben - auch die Christliche Ansicht. Hier noch ein paar christliche Seiten, die dieselbe Auffassung vertreten: Is the cross a pagan symbol?, The Cross and Crucifixion. Und hier einige Seiten, die dies bestreiten: Refuting Jehovah's Witnesses, Jehovah Witnesses And The Symbol Of The Crosssowie Jehovah's Witnesses and the Cross. Man beachte die Argumente in den beiden letzten Links: Es wird auf die Anzahl der Nägel abgehoben - dies ist irrelevant, im letzten Link wird sogar behauptet, dass bei einem Pfahl das Schild mit der Aufschrift keinen Platz gehabt hätte und von seinen Händen verdeckt worden wäre. Ich denke, man muss schon ziemlich verzweifelt sein, um zu solchen "Argumenten" zu greifen. Aber der erstgenannte Link hat einige Argumente zu bieten, insofern ist das nicht repräsentativ. Es bleibt die Beobachtung, dass sich die Christen auch untereinander nicht auf die simpelsten Dinge einigen können. Und dass für "Gottes heiliges Wort" schon erstaunlich viele Probleme in den kleinsten Beispielen zu entdecken sind.
  3.  Bzw. der Idee, Jesus war Gottes Sohn - aber um Jesus zum Teil der göttlichen Trinität zu erklären, musste Jesus ein Gott sein. Ein weiteres Motiv könnte natürlich auch sein, dass sich ein Gott als Verkünder besser macht als ein schlichter, menschlicher Prophet, denn schließlich konnten die Heiden mit zahllosen Göttern aufwarten, die Menschengestalt angenommen hatten - letzteres ist natürlich eine wilde Spekulation, wenn auch nicht ganz so wild wie die Annahme, Jesus sei Gott gewesen. Wir sollten uns nichts vormachen, vieles von unseren Kenntnissen der Religion ist spekulativ bis hochspekulativ, was Christen aber nicht davon abhält, ihre jeweiligen Kenntnisse als "sicheres Wissen" zu verkaufen, während jede abweichende Meinung "nur allenfalls" eine Spekulation ist. Diese vermeintliche Sicherheit und "Glaubensgewissheit" bei hochspekulativen Dingen ist das, was metaphysischen Glauben auszeichnet, und was so seltsam mit der praktisch erfahrbaren Unsicherheit des Lebens kontrastiert und aller wissenschaftlichen Erfahrung Hohn spricht.

Gastbeitrag von: Volker Dittmar

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Kommentare: 1
  • #1

    WissensWert (Samstag, 01 Juli 2017 14:15)

    Gottfried Sommer
    1. Das ist doch trivial. In neueren Übersetzungen versuchen Theologen, die schlimmsten Gräuel der Bibel wegzulassen. Sie unterschlagen die zentralen Sinnbedeutungen.

    Beispiele:

    Der "göttliche David, dieser so sanftmütige und große Prophet" (Theodoret) "führte das Volk heraus und legte sie unter eiserne Sägen und Zacken und eiserne Keile und verbrannte sie in Ziegelöfen." (2.Samuel 12,31)

    Seit 1951 beschreiben die Übersetzungen etwas völlig anderes:
    "das Volk darin führte er weg; und stellte sie an die Sägen und in die Eisengruben und an die eisernen Äxte und ließ sie an den Ziegelöfen arbeiten."

    Völkermord wird in Fronarbeit umgedichtet.

    Fünfzigtausendsiebzig Männer werden getötet, weil sie ein Möbelstück angesehen haben (die Bundeslade).

    Später editiert die evangelische Kirche und reduziert auf "siebzig" (1. Samuel 6,19).

    Theologen versuchen, die schlimmsten Gräuel aus der Bibel zu entfernen.

    2. Die bevorzugte Bibel-Übersetzung der Textforscher, deren Übersetzung den Originaltexten am nächsten kommt, ist die New Standard Revised Version. (NRSV)

    Die übersetzt genau wie Luther.

    12 If one does not repent, God will whet his sword; he has bent and strung his bow; 13 he has prepared his deadly weapons, making his arrows fiery shafts.

    Gott ist es - nicht der Feind - der sein Schwert schärft.
    Gott ist es - nicht der Feind - der die tödlichen Pfeile zurichtet.

    http://www.biblestudytools.com/nrs/psalms/7.html


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