„In einer Welt, die überflutet wird von belanglosen Informationen, ist Klarheit Macht.“ 

- Yuval Noah Harari

Veränderter Bewusstseinszustand

Veränderter Bewusstseinszustand (VBZ, auch außergewöhnlicher Bewusstseinszustand oder erweiterter Bewusstseinszustand, engl. altered state of consciousness, ASC, manchmal auch veränderter Wachbewusstseinszustand, VWB) bezeichnet eine nach verschiedenen Kriterien festgelegte Modulation des Bewusstseins. Den Begriff in seiner heutigen Verwendung prägte der Psychiater Arnold M. Ludwig 1966, nachdem er eine umfangreiche Übersicht über bekannte Bewusstseinsveränderungen angelegt hatte. Auch der amerikanische Psychologe Charles Tart hat wesentlich zur Bekanntheit des Begriffs beigetragen. Ebenso wenig wie es heute eine allgemeine anerkannte Definition von Bewusstsein gibt, gibt es eine allgemeine Definition von veränderten Bewusstseinszuständen. Die bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts hauptsächlich verfolgten Modelle aus dem Bereich der Psychologie, Philosophie und Anthropologie werden heute ergänzt durch Modelle aus der Neurochemie und Neurophysiologie. Daneben sind veränderte Bewusstseinszustände auch in fast allen Kulturen und Religionen von Bedeutung. Zur gezielten Anwendung kommen sie auch bei psychotherapeutischen Behandlungen.

1. Begriff und Abgrenzung

Ebenso wenig wie für das Phänomen Bewusstsein existiert auch für veränderte Bewusstseinszustände kein allgemein anerkanntes, tragfähiges Modell. Dieser Mangel liegt auch an den vielfältigen Bedeutungen und Verwendungen des Begriffes „Bewusstsein“.[1] Die Besonderheit in der Erforschung des Bewusstseins liegt in der Möglichkeit, zwei gegensätzliche Forschungsweisen zu verfolgen. Da die neuronalen Strukturen und Funktionen als Voraussetzung für Bewusstsein gelten, sind die naturwissenschaftlichen Methoden, insbesondere die neurowissenschaftlichen Forschungsansätze, der eine Zugang. Da zudem auch psychologische und soziale Aspekte und Funktionen wesentlicher Teil der Betrachtung des Bewusstseins sind und somit psychologische und sozialwissenschaftliche Methoden angewendet werden, nennt man diesen Ansatz auch allgemeiner die „Dritte-Person-Perspektive“. Der andere Zugang ist die subjektive Erfahrung, die sogenannte Erste-Person-Perspektive, die immer zur Abgrenzung und Beschreibung von Zuständen genutzt wird.[2] Dieser subjektive Forschungszugang beruht auf der sogenannten Introspektion und ist somit Teil eines der wichtigsten Probleme in der aktuellen Bewusstseinsphilosophie, der epistemischen Asymmetrie.[3] Das Problem dieser Erste-Person-Perspektive dabei ist, dass sie zufällig ist. Ebenso gilt sie als epistemologisch nicht abgesichert. Die Gegenüberstellung und das Zusammenwirken dieser zwei grundverschiedenen Methoden sind für die Erforschung von Bewusstseinszuständen und zur Gewinnung von Erkenntnissen allerdings so wesentlich wie in keinem anderen Wissenschaftsfeld.[4]

 

In der Diskussion über ein verändertes Bewusstsein wird auch deutlich, dass kein allgemeiner Konsens darüber besteht, was genau mit Bewusstsein gemeintist. So wird der Begriff in vielfältiger Weise gebraucht. Bewusstsein kann beispielsweise als eine kognitive Funktion wie Aufmerksamkeit oder als phänomenologisches Konzept im Sinne von subjektiver Erfahrung verstanden werden.[5] Während die Frage nach dem Bewusstsein selbst hauptsächlich in der Psychologie und Philosophie gestellt wurde, beschäftigten sich dagegen meistens Mediziner und Psychiater mit der Frage nach bestimmten Zuständen und Störungen des Bewusstseins.

 

Unterschieden wird ein VBZ in der Regel von einer reinen Modulation des Ich-Erlebens, bei der verschiedene kognitive Funktionen wie das Gedächtnis oder die Wahrnehmung nicht mehr wie gewohnt in ein Selbstbild integriert werden. Ebenso sind veränderte Bewusstseinszustände auch keine mentalen Simulationen wie ein Gedankenexperiment.[6] Unterscheidungen zum psychiatrischen Bereich der Bewusstseinsminderung und Bewusstseinsstörungen werden nicht allgemein vorgenommen und werden häufig diskutiert.

 

Da sich zudem veränderte Bewusstseinszustände nicht nur vor einem kulturellen, religiösen und ideengeschichtlichen Kontext manifestieren, sondern diesen auch mit prägen, ist jeder Versuch einer Modellbildung schwierig. Die Erforschung von veränderten Bewusstseinszuständen gilt auch als Möglichkeit, allgemein die Entstehung, Aufrechterhaltung und Entwicklung des Bewusstseins besser zu verstehen.

1.1. Definitionen und ihre Schwierigkeiten

Eine bis heute verbreitete Definition von Bewusstseinszuständen stammt von Charles Tart. Er orientiert sich dabei an Arnold M. Ludwig, der 1966 die subjektiven Veränderungen im Erleben relativ zu einem „Normalbewusstsein“ als Maßstab für veränderte Bewusstseinsinhalte nimmt.[7] Tart definiert einen veränderten Bewusstseinszustand über eine deutliche qualitative Veränderung des Musters der geistigen Verarbeitung bzw. der Art mentaler Funktionen. Damit grenzt er sie einerseits gegen bloße Veränderungen von Gefühlen und anderen Bewusstseinsinhalten ab. Andererseits fokussiert sich diese Definition auf die subjektive Erfahrung und nimmt keinen direkten Bezug zu empirischen Messungen oder Verhaltensbeobachtungen. Dennoch können veränderte Bewusstseinszustände nach Tart auch mit einer Reihe subjektiv und objektiv veränderter Parameter einhergehen.

 

G. William Farthing variiert diese Definition 1992 nur leicht:[8]

„Ein veränderter Bewusstseinszustand ist ein zeitweiser Wechsel im Gesamtmuster subjektiver Erfahrung, so dass das Individuum glaubt, seine psychischen Funktionen seien deutlich verschieden von bestimmten allgemeinen Normen seines normalen Wachbewusstseins.“
– G.W. Farthing, 1992

Um das weite Spektrum an möglichen Erfahrungen im „normalen“ Wachbewusstsein von veränderten Bewusstseinszuständen zu trennen, definieren Tart (1969) und Farthing (1992) deshalb ASCs anhand von sechs Kriterien:

1.    ASCs sind nicht nur Veränderungen der Bewusstseinsinhalte.

2.    ASCs zeichnen sich durch ein verändertes „Schema der Erfahrung“ aus, nicht nur in der Veränderung einzelner Aspekte oder Dimensionen.

3.    ASCs müssen nicht unbedingt sofort bemerkt werden; ihr Auftreten kann auch erst später festgestellt werden.

4.    ASCs sind relativ kurzzeitig und reversibel.

5.    ASCs werden ausgehend von den Unterschieden zum Alltagsbewusstsein beschrieben und identifiziert.

6.    ASCs sind letztlich durch die subjektive Erfahrung definiert und nicht durch Verhalten oder physiologische Messungen.

Ein Klassifizierungsschema nach der Art der Entstehung bzw. Induktion veränderter Bewusstseinszustände stellt Dieter Vaitl auf:[9]

·         Spontan wie Tagträume und Nahtoderfahrungen

·         Physisch und physiologisch wie durch Fasten und Sex

·         Psychologisch beispielsweise durch Musik, Meditation oder Hypnose

·         Durch Krankheiten wie Epilepsie oder Gehirnverletzungen induziert

·         Pharmakologisch durch psychoaktive Substanzen

Die Vorstellung eines „Normalbewusstseins“ zur Unterscheidung zu VBZs wird allerdings auch kritisiert. So stellen gängige Theorien das Bewusstsein als Prozess da, der nicht als stabiler, „normaler“ Zustand begriffen werden kann.[10] Ähnlich argumentiert auch schon Charles Tart selbst, der das Alltagsbewusstsein als nützliches Werkzeug in einem komplexen System von ständigen Veränderungen sieht. Somit wäre ein „Normalbewusstsein“ nur eine nützliche Konstruktion, um sinnvoll über Veränderungen zu sprechen. Die Erfahrung der „normalen psychischen Funktionen im Wachbewussten“ eignet sich auch für Dieter Vaitl als Maßstab für psychologische und neurobiologische Modelle der Bewusstseinszustände nur bedingt; auch sei unklar, wie Normalität definiert ist.[11]

 

Charles Tart unterscheidet ebenso zwischen einem „altered state of consciousness“ und einem „identity state of consciousness“. Ein „altered state“ ist dabei definiert über eine unterschiedliche subjektive Erfahrung,[12] wobei ein „identity state“ über einen signifikanten Unterschied verschiedener Parameter von anderen Zuständen definiert ist. Diese Parameter sind in Tarts Vorstellung über sein systemtheoretisches Modell festgelegt.

 

In einem stärker naturalistischen, informationsverarbeitenden Ansatz wird das Bewusstsein und seine Funktionen als Repräsentation der Welt verstanden. Damit verbunden ist eine gedankliche Trennung der aktuellen Bewusstseinsinhalte von einem grundlegenderen neuronalen, informationsverarbeitenden Mechanismus. Auch in dieser Vorstellung gibt es Definitionen für VBZs. Ein normales Wachbewusstsein ist dabei ein Zustand, in dem die bekannten Repräsentationen der Umwelt und des Selbst akkurate und zuverlässige Informationen liefern. Eine Änderung des Bewusstseinszustandes kommt demnach durch eine Fehlrepräsentation von Bewusstseinsinhalten zustande. Die „normale“ Repräsentation der Welt[13] geht verloren und der „Zustand“ ist ein Zustand der bewussten Repräsentation. Ein Vorteil dieser Definition ist die Möglichkeit, nach Anzeichen für veränderte Mechanismen auch in physiologischen und neurologischen empirischen Daten zu suchen. Auch können damit temporäre und globale Änderungen des Zustandes von andauernden, neuronal begrenzten psychischen Krankheitsbildern abgegrenzt werden.[14] António Damásio definiert ein Proto-Selbst als diejenige Repräsentation, die die Aufrechterhaltung der grundlegenden Körperfunktionen (Homöostase) infolge der Beteiligung von Hirnarealen wie dem Hirnstamm im Bewusstsein erzeugt. Die Veränderungen dieses „Statusmodells“ vom Körper im Gehirn könnten dann eine Veränderung des Bewusstseinszustandes bewirken.

1.2. Zustände von wissenschaftlichem Interesse

Stanley Krippner[15] unterscheidet zwanzig Zustände von näherem Interesse:

 

Schlaf, Traumschlaf, Einschlaferleben (Hypnagogie), Aufwacherleben (hypnopompischerZustand), Hypervigilanz (Hyperalertness)LethargieEkstase(rapture)HysterieDissoziation (fragmentation), „Regression“, meditative Zustände, Trance­zustände (reverie), Tagträume, „innere Wahrnehmung“ (internal scanning)StuporKoma, Gedächtniszugriff (stored Memory), „erweitertes“ Bewusstsein und „normales“ Wachbewusstsein.[16]

2. Prävalenz

Der Anteil verschiedener Bewusstseinszustände an der Erfahrungswelt des Menschen:[17]

·         60 % Wachbewusstsein

·         12 % Tiefschlaf

·         10 % Leichtschlaf

·         8 % Traumschlaf

·         4 % Fakultativ veränderte Bewusstseinszustände

·         3 % Subtrance

·         2 % Tagträume

·         1 % Einschlaferleben

·         1 % Aufwacherleben

 

Das Vorkommen von ASCs nach verschiedenen Studien.[18]

ASC Population Anteil positiver
Antworten (Passie, 2007)
Quelle
Depersonalisation Studenten 23 %
46 %
Roberts, 1960
Dixon 1963
Hypnoseartige Zustände Studenten
Normalprobanden
40–60 %
80–90 %
Shor 1960
As u. a. 1962
Mystische Zustände Studenten 29 %
30–40 %
28 %
45 %
Kokoszka 1992/93
Tart 1969
Palmer, 1979
Greeley & McGready 1979
„Superficially altered states of consciousness“ Studenten
Normalprobanden
81 %
72–89 %
81,8 %
Kokoszka 1992/93
Shor 1960
Siuta 1987
Religiöse Erfahrung Normalpopulation

Kirchgänger
36,4 %
30–35 %
50 %
30–35 %
Hay & Morisy 1978, Hay 1979
Hardy 1970, Back & Bourque 1970, Greeley 1975
Wuthnow 1976
Glock & Stark 1965

Weitere Prävalenzen nach Vaitl (2012) und Matthiesen (2007)

ASC

Anteil positiver Antworten
Vaitl (2012)

Quelle

„Außergewöhnliches Erlebnis“ wie
außersinnliche Wahrnehmung oder
paranormale Erfahrung

insg. „fast 75 %“

Bauer und Schtsche 2003
Beltz 2009

Außerkörperliche Erfahrung

22–36 %

Alvarado 2000

 

Matthiesen (2007)

 

Nahtoderfahrung

5–10 %

Gallup & Procter 1982
Schmied et al. 1997

Nach der häufig zitierten Studie von Erika Bourguignon aus dem Jahr 1973 kultivieren 90 % von weltweit 488 untersuchten Gesellschaften Rituale und Praktiken der Bewusstseinsveränderung.[19] Alle Kulturen unterscheiden dabei zwischen krankhaften und gesunden Bewusstseinszuständen.[20]

3. Phänomenologie des veränderten Bewusstseins

Bewusstseinszustände und Bewusstseinsstrukturen sind äußere Zuschreibungen und als solche nicht direkt erfahrbar. Der phänomenologische Ansatz konzentriert sich deshalb auf die unmittelbare subjektive Erfahrung und versucht mit Hilfe von Fragebögen und Systematisierung Strukturen und Zustände zu identifizieren.

 

Arnold M. Ludwig (1966) unterscheidet sieben Aspekte veränderter Wachbewusstseinszustände:

1.    Veränderung des Denkens

2.    Gestörter Zeitsinn

3.    Kontrollverlust

4.    Veränderung der Emotionalität

5.    Körperschemaveränderung

6.    Wahrnehmungsveränderung

7.    Verändertes Bedeutungserleben

Adolf Dittrich (1985, 1998) identifiziert aufbauend auf dem APZ-Frageboden (Außergewöhnliche psychische Zustände) fünf „Kernerfahrungen“ veränderter Bewusstseinszustände, die unabhängig von der Methode sind, wie sie erreicht werden. Dazu zählt er:[21]

·         Ozeanische Selbstentgrenzung (OSZ)

·         Angstvolle Ich-Auflösung (AIA)

·         Visuelle Umstrukturierung (VUS)

·         Auditive Veränderung (AVE)

 

·         Vigilanz­reduktion (VIR)

Weiterhin existiert der PCI-Fragebogen (Phenomenology of Cousciouness Inventory) von Roland Pekala, welcher die Aufmerksamkeitsleistung in den Mittelpunkt des Interesses stellt. Wie beim APZ/OAVAV sollen damit retrospektiv (also nach einer Erfahrung) Bewusstseinszustände anhand von phänomenologischen Parametern unter standardisierten Bedingungen ermittelt werden. Der Fragebogen besteht aus 53 Merkmalen, die in 12 „Dimensionen“ unterteilt sind. Eine allgemeine Ausrichtung auf veränderte Bewusstseinszustände liegt auch dem ASASC-Fragebogen (Assessment Schedule of Altered States od Counsciousness) von Renaud van Quekelberghe (1991) zugrunde.

 

Daneben gibt es noch eine Reihe weiterer Fragebogeninstrumente, welche aber meist auf spezielle Bewusstseinszustände abgestimmt sind; so den Near Death Experience Scale von Bruce Greyson (1983) zur Erfassung von Nahtodeserlebnissen[22] oder den Mystical Experience Scale von Ralph W. Hood (1975) zur Einteilung von mystischen Erfahrungen.[23][24] Trotz verschiedener methodischer Schwierigkeiten und grundlegenden Grenzen einer wissenschaftlich durchgeführten introspektiven bzw. retrospektiven Methode zeigen Fragebögen wie der OAVAV und der PCI eine gute Aussagekraft und Zuverlässigkeit.[25]

 

Julien Silverman beschreibt verschiedene Merkmale, die einen veränderten Bewusstseinszustand auszeichnen:[26]

·         Störung der Aufmerksamkeit, Konzentration, Urteilsfähigkeit und des Gedächtnisses

·         Gestörtes Zeiterleben

·         Schwierigkeiten der Selbstkontrolle und Realitätskontrolle

·         Veränderungen der Emotionalität, des Körpererlebens und Bedeutungserlebens

In der Vergangenheit wurden viele phänomenologische Untersuchungen mit Hilfe von psychotropen Substanzen und anderen Techniken durchgeführt, um das Bewusstsein gezielt zu beeinflussen. Roland Pekala nennt unter anderem psychedelische Drogen, EEG-basiertes Biofeedback, Meditation, Hypnose und

Cannabiskonsum. Allgemein wird die Reliabilität und Validität phänomenologischer Forschungsergebnisse auch heute diskutiert. Die Schwierigkeit ist, dass sich mentale Phänomene nicht isolieren lassen. Ebenso gibt es für keine Skala zur Einteilung von Bewusstseinsqualitäten eine Möglichkeit, diese auf physiologische oder neuronale Messwerte und Modelle abzubilden.[27]

Geschichte der Forschung und Modellbildung

Besonders tranceähnliche Zustände erregten das Interesse der Forscher im 19. Jahrhundert und führten zu ersten Beschreibungs- und Erklärungsansätzen. Für den Anthropologen Sir Edward Tylor waren Phänomene wie Visionen oder der Besessenheits­glaube Ausdruck primitiver Kulturen. Pioniere in der systematischen deskriptiven Erforschung der subjektiven Erfahrung waren Franz Brentano und William James. Erste Modelle über Bewusstseinsprozesse und zur Aufmerksamkeitssteuerung stammen von den Experimentalpsychologen Wilhelm Wundt und Edward Bradford Titchener. Wilhelm Wundt ordnete Bewusstsein nach grundlegenden statischen Elementen, Brentano dagegen nach Ereignissen und James nach Prozessen.[28] Die philosophische Strömung der Phänomenologie zu Beginn des 20. Jahrhunderts führte zur Abgrenzung und Definition vieler qualitativer Merkmale des Bewusstsein.[2] Dieser Forschungsansatz ist nach wie vor der einzige Zugang zu jeder Beschreibung und Einteilung von bewusstseinsverändernden Erfahrungen. Mit einem deskriptiven, phänomenologischen Ansatz dokumentierten Traugott Konstantin Oesterreich (1921) und William James (1902) detaillierte Beschreibungen von veränderten Bewusstseinszuständen. Erste systematische Modelle über veränderte Bewusstseinserfahrungen stammten von Richard Müller-Freienfels (Zur Psychologie der Erregungs- und Rauschzustände, 1910) und Siegfried Behn (1914).[29] Behn unterteilt aus religionspsychologischem Interesse veränderte Bewusstseinszustände in unterwache und überwache. Die Entwicklung der Psychoanalyse führte dagegen eher wieder zu einer Psychiatrisierung und Pathologisierung veränderter Bewusstseinszustände.[30] Mit dem Aufkommen des Behaviorismus wurde die Erforschung subjektiver Bewusstseinsprozesse und -strukturen nahezu aufgegeben. Die Forschungsmethode der Introspektion geriet zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Verruf. Ihr wurde von Vertretern der Gestaltpsychologie vorgeworfen, nur die Qualität und Intensität der Erlebniskategorien zu beachten, die Bedeutungsebene aber nicht abzubilden. Einer der Hauptkritikpunkte an der Introspektion war die Feststellung, dass introspektiv ermittelte Daten in der Regel in einem retrospektiven Prozess ermittelt wurden. Die Probanden müssen sich an die veränderten Zustände erinnern, sie benennen und beschreiben. Dieses Problem scheint durch die modernen bildgebenden Verfahren, die Veränderungen zeitnah aufzeichnen können, zumindest teilweise beseitigt.

 

In Europa wurde zunehmend die „klassische Introspektion“ des 19. Jahrhunderts in der phänomenologischen Psychologie, der Psychoanalyse und die Gestaltpsychologie weiterentwickelt, während sie in den USA dagegen besonders vom Behaviorismus verdrängt wurde.[31] Nicht zuletzt war die Aufgabe der Introspektion ein politischer, vom Zeitgeist getragener Wechsel der vorherrschenden wissenschaftlichen Methoden.[32]

 

Erst in den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts mit der sogenannten kognitiven Wende wurden introspektive Methoden wieder zu einem legitimen Forschungsgegenstand. Die klinisch-wissenschaftliche Erforschung der Hypnose, das zunehmende Interesse an Träumen und sensorischer Deprivation und besonders die neuen technischen Möglichkeiten, hiermit empirische und experimentell manipulierbare Untersuchungen durchzuführen, führten erneut zu einem größeren Interesse an veränderten Bewusstseinszuständen. So wurde argumentiert, dass die in den Neurowissenschaften angenommenen Korrelationen zwischen mentalen und neuronalen Zuständen besser genutzt werden können, wenn man die mentalen Zustände besser untersucht. Auch erfüllten sich die Ansprüche der Behavoristen an eine Vorhersehbarkeit und Kontrolle des Verhaltens nicht in dem für einen naturwissenschaftlichen Ansatz erwarteten Maß.[33] So war auch der Wechsel zurück zu Methoden der Introspektion keine wissenschaftliche Revolution, sondern ein breiter Prozess, der auch von gesellschaftspolitischen Kräften getragen wurde und die alten Ansätze nicht völlig verdrängte. Die Arbeit von David Lieberman[34] erwies sich dabei als ähnlich richtungsweisend wie die von John B. Watson[35] sechzig Jahre zuvor, die den Behaviorismus begründete.

 

In der New-Age­-Bewegung fanden die introspektiven Methoden zu veränderten Bewusstseinszuständen und insbesondere durch die Verwendung psychedelischer Substanzen auch ein breites populärwissenschaftliches Interesse. Die Rezeption der wichtigsten Publikationen dieser Zeit fasste 1970 Charles Tart in seinem populären Werk Altered States of Consciousness zusammen. Ausgehend von dem psychologischen Aspekt von Bewusstseinszuständen entwickelten sich seitdem mehrere Konzepte zur Beschreibung und Kartierung des subjektiven Erfahrungsraumes.[36] Die Hochzeit der Introspektion und der Experimente mit psychedelischen Substanzen endete in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Einerseits machte eine weltweit restriktive Drogenpolitik viele Forschungsansätze schwierig oder unmöglich. Andererseits beflügelte das Aufkommen vieler neuer technischer Möglichkeiten wie der Elektroenzephalografie die Hoffnung auf schnelle und tiefgreifende Erkenntnisse. Moderne bildgebende Verfahren aus der Hirnforschung wie die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) oder die Funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) können aufklären, welche Hirnstrukturen und -prozesse an der Entstehung und Aufrechterhaltung des Bewusstseins beteiligt sind. Der erwartete Durchbruch wie die Entschlüsselung des „Sitzes des Bewusstseins“ oder des genauen Zusammenhanges zwischen Frequenzbändern im EEG und der damit assoziierten Erfahrung stellte sich jedoch nicht ein.

 

In der Medizin und Psychiatrie wird Bewusstsein selbst heute nicht definiert, sondern Eigenschaften des Erlebens wie Klarheit, Vigilanz (Wachheit) und Gedächtnis. Ebenso wie das phänomenale Bewusstsein selbst besitzen auch Bewusstseinszustände eine evolutionäre Geschichte und somit funktionale evolutionäre Vorteile. So spielen auch evolutionsbiologische Ansätze in der Bewusstseinsforschung eine Rolle; in Bezug auf die Erforschung von veränderten Bewusstseinszuständen steht dieser Ansatz allerdings noch ganz am Anfang.[37]

William James
William James

5. Modelle

Die historisch und aktuell diskutierten Modelle der Bewusstseinszustände sind sehr heterogen, dies gilt auch für die heute wichtigen neurowissenschaftlichen Ansätze. So sind alle Versuche, Veränderungen des Bewusstseins auf zentrale Mechanismen der Hirnphysiologie zurückzuführen und damit die Modelle zu vereinfachen und zu vereinheitlichen, bisher gescheitert.[38] Trotzdem sind in der aktuellen Forschung die neurowissenschaftlichen Modelle weiterhin in der Überzahl. Daneben dienen Modelle aus der Psychologie eher als Erklärungsansätze und Deutungsrahmen. Modelle, welche alle Bewusstseinszustände beschreiben sollen, werden in der Regel ohne eine umfassende empirische Überprüfung aufgestellt. Dagegen sind spezielle Modelle und Erklärungsansätze, die einzelne oder wenige Bewusstseinszustände beschreiben, experimentell meist besser untersucht.[39] Traditionelle, religiöse Modelle haben nach wie vor ihre Vertreter und spielen für psychotherapeutische Behandlungsmethoden zunehmend eine Rolle. Ähnliches gilt für Bewusstseinsmodelle und Psychotherapien der transpersonalen Psychologie.

5.1. Deskriptive Modelle

Klaus Thomas führt die Unterscheidung zwischen unterwachen und überwachen Zuständen von Siegfried Behn fort und erweitert sie, indem er einerseits die unterwachen Bewusstseinszustände in „Zustände des Schlafes“ und „religiöse Zustände“ differenziert und andererseits vier neue Klassen von außerwachen 

Zuständen einführt.[40]

Die Hypnoseforscherin Erika Fromm entwickelt, aufbauend auf Sigmund Freuds Unterscheidung zwischen Primärprozessen und Sekundärprozessen im psychischen Erleben, die Theorie, dass jeder Bewusstseinszustand sich in einem Kontinuum zwischen einem Primärprozess und Sekundärprozess befindet. Dieses erweitert sie dann auf fünf „Dimensionen“, wobei das Erleben beispielsweise zwischen Phantasie und Realitätsorientierung, bildlicher Vorstellung und Konzeptualisierung variiert. Fromm versucht so die Dynamik von Traumarbeiten, aber auch die Funktionsweise der Hypnose zu erklären. Mit Hilfe einer gezielten Variation zwischen Primär- und Sekundärprozessen sollen so auch Ansätze zur Erklärung und Therapie psychotischer Zustände ermöglicht werden.[41]

5.2. Neurophysiologische Modelle

Modelle der kognitiven Neurowissenschaften gehen von der These aus, dass neuronale Strukturen und Prozesse ein wichtiger oder wesentlicher Bestandteil der Erklärungen für VBZs sind. Im Bereich der Neurowissenschaften gibt es mehrere Einzelhypothesen zu spezifischen Aussagen über die Bildung von Bewusstseinsprozessen. Diese sind aber weit entfernt davon, allgemeine und universelle Aussagen über die Entstehung von Bewusstseinsqualitäten oder gar über Bewusstseinszustände zu machen.

 

So spielen beispielsweise NMDA-Synapsen eine wichtige Rolle bei der Bildung und Erhaltung von mentalen Repräsentationen. Auch ist bekannt, dass das colinerge Neurotransmittersystem den Schlaf-Wach-Rhythmus und die REM-Phasen steuert. Pharmakologische Störungen dieser Synapsen können so zu einer Veränderung der Repräsentation externer Zusammenhänge führen; Wahrnehmungsinhalte verlieren ihre bekannte Struktur und werden als „außergewöhnlich“ erlebt.[42]

 

Veränderungen im Bewusstseinszustand sind eng mit dem sogenannten Arousal-System verbunden, welches eine Grundaktivierung des Gehirns aufrechterhält. Zu diesem System werden unterschiedliche Regionen des Gehirn mit jeweils verschiedenen Funktionen gezählt. Diese werden auch als LCCS (Limited Capacity Control System, dt. ‚Limitiertes Kapazitätskontrollsystem‘) bezeichnet. Dieses LCCS ist sowohl für eine anhaltende Wachheit als auch für die temporäre selektive Aufmerksamkeit verantwortlich. Werden nun Reize als neu und komplex bewertet, dann wird das LCCS aktiviert; dessen begrenzte Fähigkeit der Verarbeitung spiegelt die begrenzte Fähigkeit zur Aufmerksamkeit wider.[43]

5.2.1. Aufmerksamkeitsleistungen

In vielen Modellen und Konzepten ist die Aufmerksamkeit nicht nur ein Merkmal des Bewusstseins unter vielen, sondern bildet die zentrale Qualität des bewussten Seins ab. Anhand der Variation der Aufmerksamkeit wird dann die Variation des Bewusstseins generell beschrieben und zur detaillierten Analyse wird sie in verschiedene Eigenschaften unterteilt.

 

Aus den Erfahrungen mit Schizophrenie­ patienten und LSD-Konsumenten entwickelte der amerikanische Psychologe und Neurophysiologe Julien Silverman 1968 ein Modell der veränderten Bewusstseinszustände. Dazu betrachtete er besonders die Aufmerksamkeitsleistung, die er anhand von psychologischen und neurophysiologischen empirischen Untersuchungen modellierte. Jedes Merkmal der Aufmerksamkeitsleitung beschreibt dabei eine Reaktion und einen möglichen Reaktionsmechanismus. Die fünf Dimensionen dieser Aufmerksamkeitsmerkmale sind beispielsweise die Differenzierungsfähigkeit und Ablenkbarkeit. So wird von Silverman jeder Person ein bestimmter „Aufmerksamkeitstil“ zugeordnet und veränderte Bewusstseinszustände können dann anhand dieser Parameter charakterisiert werden. Dadurch wird ein multidimensionaler Rahmen geschaffen, mit dessen Hilfe Bewusstseinszustände klassifiziert werden können.[44]

 

Den Fokus auf die Aufmerksamkeit und ihre Parameter legten ebenso Steven M. Fishkin und Ben Morgan Jones.[45] Ihr Modell geht von der Feststellung aus, dass der Inhalt des Bewusstseins nur davon bestimmt ist, was und wie etwas in die Aufmerksamkeit gelangt. Die Aufmerksamkeit funktioniert dabei wie ein Fenster, welches alles steuert, was ins Bewusstsein kommen kann. Dieses Fenster variiert nun in verschiedenen Parametern wie Größe und Bewegungsgeschwindigkeit. Insgesamt unterscheiden Fishkin und Jones acht Parameter und können so jedem Bewusstseinszustand bestimmte Ausprägungen dieser Parameter zuordnen.[16]

5.2.2. Kontinuum der ergotropen und trophotropen Erregung

Der Psychopharmakologe Roland Fischer stellte 1971 sein Modell der Bewusstseinszustände in Cartography of the ecstatic and meditative states vor. Seine Arbeiten stützen sich auf langjährige Experimente mit psychedelischen Substanzen wie Psilocybin und LSD. Fischer baut auf dem Konzept von zwei reziproken zentralnervösen Systemen, dem ergotropen System und dem trophotropen System, auf. Das „normale“ Erleben bewegt sich danach auf einem Kontinuum der ergotropen Erregung hin zu einem übererregten Zustand, zu ekstatischen und psychotischen Erfahrungen und auf dem Kontinuum der trophotropen Erregung hin zu einem untererregten Zustand wie dem Samadhi-Zustand der Yoga-Tradition. Die ergotrope Richtung der Übererregung ist für Fischer die in der westlichen Tradition bekannte und übliche, die trophotrope Richtung ist die durch meditative Übungen hervorgerufene in den östlichen Traditionen.

 

Beide Extreme bedeuten auch eine Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf innerpsychsiche Vorgänge und weg von der Sinneswahrnehmung. Fischer meint, die gegenseitige Ausschließung beider Erregungssysteme anhand von physiologischen Daten wie EEG-Muster und Augenbewegungen belegen zu können. So können bei halluzinatorischen Erfahrungen vermehrt desynchronisierte Elektroenzephalogramme festgestellt werden, bei tiefer meditativer Versenkung dagegen eine hohe Synchronisation.[46] Weiterhin dient ihm das Verhältnis zwischen sensorischer und motorischer Aktivität zur Differenzierung von Bewusstseinszuständen. Ist die sensorische Aktivität erhöht und die motorische vermindert, so sei das ein Merkmal für Traumschlaf, Tagträume oder Halluzinationen. Der sogenannte S/M-Wert ist dann hoch.[47] In späteren Veröffentlichungen unterscheidet Fischer drei „Raum-Zeiten“, die physische, die sensorische und die zerebrale Raum-Zeit. Äußere Objekte werden demnach in der sensorischen Raum-Zeit wahrgenommen und in der zerebralen Raum-Zeit mit einer Bedeutung versehen. Damit werden die physische Welt, die Welt der Bedeutung und die Welt der „rohen“ Sinnesdaten unterschieden, wobei beim gesunden Menschen alle drei Welten fortwährend Informationen austauschen. Veränderte Bewusstseinszustände zeichnen sich dann jeweils durch spezifische Unterschiede in diesen Raum-Zeiten aus.

 

Fischers Modell der Erregungsskala postuliert somit eine sich gegenseitig ausschließende Existenz von „normalen“ und exaltierten Zuständen. Das „Ich-Erleben“ findet sich in der Mitte der Skala, das „Selbst-Erleben“ an deren beiden Extremen. Eine Verbindung zwischen beiden wäre somit in der Mitte möglich; also in Träumen und in halluzinatorischen Zuständen.[48] Mit seinem Ansatz verbindet Fischer die westliche und östliche Einteilung von veränderten Bewusstseinszuständen auf Basis einer neurophysiologischen Theorie der Erregung.[49]

5.3. Funktionelle Neuroanatomie

5.3.1. Funktionelle Hypofrontalität

Das menschliche Gehirn ist aus neuroanatomischen Strukturen aufgebaut, die sich im Laufe der Evolution entwickelt haben. Betrachtet man aus dieser Sicht diese Strukturen als hierarchische Organisation, dann können auch die „Bewusstseinsschichten“ diesen zugeordnet werden. Dittrich (2003) entwickelte daraus ein hierarchisches Modell des Bewusstsein, an dessen Spitze die dorsolaterale Region steht. Veränderte Bewusstseinszustände werden in diesem Modell durch den temporären Ausfall verschiedener präfrontaler Regionen erklärt. Es zeigt sich, dass alle untersuchten VBZs mit einer Hemmung der frontalen Region korrelieren. Durch das Fehlen oder die Verminderung der präfrontalen Funktionen – wie Selbst-Modellierung, Denken und Gedächtniszugriff – werden andere Regionen der Großhirnrinde aktiver. So lassen sich viele phänomenologische Veränderungen während des Träumens, der Meditation und der Einnahme psychedelischer Substanzen erklären.

5.3.2. Diskonnektivität

Eine Veränderung oder Auflösungen der funktionalen Konnektivität (Diskonnektivität) zwischen Thalamus und Kortex ist ein Erklärungskonzept für veränderte Bewusstseinszustände.[42] Beide sind normalerweise über die Gamma-Oszillation von 40 Hz miteinander verbunden (oszillatorische Resonanzaktivität).

5.4. Neurochemische Modelle

5.4.1. CSTC Loop Model

Veränderte Bewusstseinszustände können durch endogene (körpereigene) oder exogene Neurotransmitter ausgelöst werden. Diese Möglichkeit machen sich viele Experimente zu Nutze, um die neurophysiologischen Korrelate veränderter Bewusstseinszustände zu erforschen. Der Schweizer Psychiater Franz Xaver Vollenweider untersucht die Wirkung von Halluzinogenen im Gehirn mit Hilfe von bildgebenden Verfahren. Daraus erstellte er ein Regelkreis-Modell, welches psychedelische Symptome als Folge einer verminderten Hemmung mentaler Aktivitäten erklärt. Wenn der Thalamus die Reize nicht mehr ausreichend filtern kann, wird der Kortex „sensorisch überflutet“. Dieser verliert demnach die Fähigkeit zur Integration von Information, wodurch es zu einer Ich-Auflösung und Depersonalisation kommen kann. Der hemmende Einfluss des Striatums auf den Thalamus verhindert dabei die „sensorische Überflutung“. Das CSTC-Modell umfasst die vier Neurotransmitter SerotoninGABADopamin und Glutaminsäure und beschreibt fünf Regelkreise. Vollenweiders Arbeiten zeigen unter anderem, dass psychedelische und psychotische Symptome nicht einzelnen Hirnregionen zugeordnet werden können. Er konnte zeigen, dass die Dimensionen im APZ-Fragebogen (siehe Phänomenologie) mit einer metabolischen Veränderung korrelieren.[50]

5.4.2. Meta-Repräsentationen

Eine weitere Theorie basiert auf der Vorstellung von „Meta-Repräsentationen“. Sie besagt, dass nicht nur einzelne Neuronen, sondern ganze Gruppen einen bestimmten Sinnesreiz repräsentieren. Werden dann die NMDA-Synapsen dieser Gruppen gestört, so fallen stabile Wahrnehmungsinhalt auseinander und werden als „außergewöhnlich“ wahrgenommen.[42]

5.5. Pharmakologie

Psychedelische Substanzen können eine gezielte Veränderung des Bewusstseinszustandes hervorrufen. Die bekannten Verbindungen lassen sich nach Stoffklasse und Wirkung in vier Klassen einteilen:

·         serotonerge Psychedelika wie LSD und Mescalin

·         psychedelische und dissoziative Anästhetika

·         entaktogene

·         weitere Substanzen wie Cannabis und Kokain

Die Wirkung psychedelischer Substanzen wird vom „Set“, der Einstellung und Erwartung des Konsumenten, sowie vom „Setting“, also den Umständen der Einnahme oder Verabreichung, erheblich mitbestimmt. Nach Timothy Leary machen diese Bedingungen sogar 99 % der Erfahrungen aus. Diese Einschätzung wird heute im Prinzip bestätigt, wodurch sich Einschränkungen für placebo­kontrollierte Studien ergeben. Aber auch eine breite Anerkennung von Psychotherapien auf der Basis von psychedelischen Substanzen ist erschwert – wegen der Abhängigkeit ihrer Wirkungen von Set und Setting und somit der Möglichkeit, zuverlässige Behandlungserfolge zu erzielen.[51] Dennoch sind Experimente mit Psychedelika in der neurowissenschaftlichen Grundlagenforschung seit einigen Jahren wieder fest etabliert. Nach Dieter Vaitl sind pharmakologisch induzierte Bewusstseinsveränderungen nicht mehr vom Individuum steuerbar, wogegen „erlernte Bewusstseinszustände“, auch wenn sie phänomenologisch nicht verschieden sind, weiterhin für das Individuum steuerbar und insbesondere beendbar bleiben.[52]

5.5.1. Techniken zur Aktivierung endogener Neurotransmitter

Nach Adolf Dittrich et al.[53] eignen sich eine Reihe traditioneller und moderner psychotherapeutischer Techniken, über die Beeinflussung körpereigener Neurotransmitter veränderte Wachbewusstseinszustände herzustellen. Dazu gehören beispielsweise Reizentzug (Deprivation), Reizüberflutung, Schlafentzug, 

Fasten, Körperübungen, Atemtechniken, Sex, Schmerz, Musik, Tanz, Hypnose und Meditation.

5.6. Systemtheoretisches Modell nach Charles Tart

Charles Tart beschreibt das Normalbewusstsein nicht als einen naturgegebenen Zustand, sondern als eine komplexe Konstruktion, welche sich aus dem Zusammenspiel vieler Subsysteme ergibt. Die Grundlage des Bewusstseinssystems besteht demnach aus gegebenen physischen und psychischen Strukturen, der Fähigkeit zu selektiver Aufmerksamkeit und programmierbaren Strukturen. Das Bewusstsein erfüllt die Funktion der Wahrnehmung und Bewältigung der Umgebung. Dies erreicht es nur durch eine Reihe von Stabilisierungsprozessen. Eine Änderung hin zu einem klar abgrenzbaren VBZ erfolgt dann durch eine Störung in Form von Reizen oder anderen Einflüssen. Dazu unterscheidet Tart Einflüsse, die das Normalerleben umstrukturieren, und solche, die Strukturen zur Etablierung eines veränderten Bewusstseinszustandes begünstigen.

5.7. Modelle in Religionen

Auch in verschiedenen Religionen gibt es Modelle über veränderte Bewusstseinszustände. Die umfangreichsten Erfahrungen und Landkarten gibt es in den sogenannten östlichen Religionen wie dem Buddhismus und der Yoga-Tradition. Das Charakteristische an diesen Modellen ist die Fokussierung auf meditationsspezifische Zustände, also Zustände, die mit Hilfe von Meditation oder ähnlichen Methoden realisiert werden. Ein weiteres spezifische Merkmal dieser religiösen Modelle ist die normative Ausrichtung. VBZs werden in wünschenswerte höhere und niedere Zustände eingeteilt und hierarchisch geordnet.[54]. Auch in der christlichen Tradition gibt es vereinzelt Stufenmodelle des Bewusstseins. So beschreiben Pseudo-Dionysius Areopagita undJohannes vom Kreuz einen dreiteiligen Weg, Teresa von Ávila eine „Seelenburg“, in der sich sieben „Wohnungen“ befinden.

6. Merkmale individueller Dispositionen

6.1. Variabilität

Roland Fischer beschreibt bei Probanden die Eigenschaft der Variabilität als Merkmal einer psychophysischen Reaktivität des Menschen. Probanden mit einer hohen Variabilität reagieren auf Halluzinogene stärker. Vermutet wird, dass sie die Drogenerfahrung besser mit der gewöhnlichen Erfahrung vergleichen können.[55]

6.2. Absorption

Das individuelle Merkmal der Absorption beschreibt die Fähigkeit einer Person, sich stark auf Wahrnehmungsinhalte zu fokussieren. Nach Ulrich Ott korreliert es mit neurobiologische Grundlagen.[56] Absorption wird im Zusammenhang mit Hypnose, dissoziativen Prozessen und allgemeiner Aufmerksamkeitssteuerung erforscht. 1974 entwickelte der amerikanische Psychologe Auke Tellegen einen Fragebogen, welcher zu einer Einordnung von Merkmalen in der Tellegen Absorption Scale (TAS) führte.[57] Diese wurde seitdem mehrfach modifiziert.

 

Die Disposition „Absorption“ lässt sich auch als Offenheit für Erfahrungen beschreiben. Faktorenanlysen ergaben, dass alle verwendeten Aspekte positiv miteinander korellieren. 1992 identifiziert Tellegen sechs „Dimensionen“:

·         intensive emotionale Reaktion auf bewegende Reize wie Musik

·         Synästhesie

·         verstärktes bildhaftes Erleben (cognition)

·         Selbstvergessenheit

·         lebendige bildhafte Erinnerungen

·         erhöhte Achtsamkeit

Die Disposition zur Absorption besitzt einen hohen erblichen Anteil, mit bis zu 44 % sogar den höchsten Wert für eine Charaktereigenschaft nach dem TCI

(Temperament and Character Inventory). Diese Erkenntnis legt die Vermutung nahe, dass neurophysiologische Funktionen und Strukturen für die Absorptionsfähigkeit zentral sind. Vermutet wird der Einfluss von serotonergen und dopaminergen Systemen, aber genauere Erkenntnisse sind nicht bekannt.[58] Daneben ist bekannt, dass auch die Erziehung einen Einfluss auf die Absorptionsfähigkeit hat.[59]

7. Anwendung und Nutzen veränderter Bewusstseinszustände

Die weltweite Verbreitung von Ritualen und Techniken zur Bewusstseins-eränderung steht im Kontext von medizinischen und religiösen Anwendungen. So sind beispielsweise Praktiken im sibirischen Schamanismus

 oder Meditations­techniken bedeutende anthropologische Konstanten. Aber auch in der modernen Medizin und Psychotherapie werden veränderte Bewusstseinszustände wie bei der Hypnose, beim Autogenen Training oder für Imaginationstechniken benutzt.[60] Ebenso kann der Einsatz von psychoaktiven Substanzen zur Unterstützung verschiedener Therapieformen wie zur Intensivierung einer tiefenpsychologischen Behandlung in einer Psycholytische Psychotherapie dienen.[61] Auch transpersonale Therapieverfahren wie das Holotrope Atmenbedienen sich veränderter Bewusstseinszustände.

 

Weltweit gesehen ist die Nutzung veränderter Bewusstseinszustände in vielen Kulturen deutlich ausgeprägt. Ihre Anwendung wird dann meist in einem rituellen, kulturellen Rahmen praktiziert, um ihre Wirkung zu kontrollieren und zu maximieren. Der Nutzen reicht von sozialer Integration, Initiation, Lebensschulung, Erwerb und Vermittlung von Wissen, künstlerischer Unterhaltung und Divination bis zur Erleuchtung. Einen besonderen Stellenwert nehmen psychische und physische Heilungsanwendungen ein sowie schamanische Rituale in Bezug auf Geburt, Tod und Sterben.[62]

 

Arnold M. Ludwig sieht den Nutzen von VBZs nicht nur im psychologischen und sozialen Bereich, sondern auch im biologischen. Veränderte Bewusstseinszustände stellen danach eine Möglichkeit der Anpassung an ungewöhnliche Lebensbedingungen dar. Die Verbreitung und das generelle vorhandene Potential, sie zu realisieren, machen für Ludwig die allgemeine Bedeutung von VBZs aus.[63] Dabei nennt er aber auch eine Reihe von „Fehlanwendungen“ (maladaptive expressions) wie die Flucht vor der Realität mit Hilfe von psychedelischen Drogen.

Quellenangaben

1.    Thomas Metzinger, Ralph Schumacher: Bewusstsein. In: Hans-Jörg Sandkühler (Hrsg.): Enzyklopädie Philosophie. 2010.

2.    Thorsten Passie: Bewusstseinszustände. Lit Verlag, Hamburg 2007, S. 9.

3.    Metzinger: Grundkurs Philosophie des Geistes. B-13, S. 421.

4.    Dieter Vaitl: Veränderte Bewusstseinszustände: Grundlagen – Techniken – Phänomenologie. Schattauer, 2012, S. 13.

5.    Marcel Bisiach: Consciousness in contemporary Science. Oxford University Press, Oxford 1988, S. 3 ff.

6.    Thomas Metzinger: Subjekt und Selbstmodell. mentis Verlag, Paderborn 1999, S. 183.

7.    Arnold M. Ludwig: Altered states of consciousness. In: Archive of General Psychiatry. 15, S. 225–234.

8.    G. William Farthing: Psychology of Consciousness. Prentice Hall, 1991/2, S. 18.

9.    Stephan Matthiesen, Rainer Rosenzweig: Von Sinnen: Traum und Trance, Rausch und Rage aus Sicht der Hirnforschung. mentis Verlag, Paderborn 2007, S. 11.

10. Gerhard RothDas Gehirn und seine Wirklichkeit. Kognitive Neurobiologie und ihre philosophischen Konsequenzen. Suhrkamp, Frankfurt, S. 22.

11. Dieter Vaitl: Veränderte Bewusstseinszustände: Grundlagen – Techniken – Phänomenologie. Schattauer, 2012, S. 14.

12. R. J. Pekala deklariert Zustände, die so unterschieden werden als subjective sence of (being in) an altered state (SSAS). Ronald J. Pekala:Quantifying Consciousness – An empirical Approach. Plenum Press, New York 1991, S. 83.

13. Hierzu werden nicht nur externe Informationen wie Sinneswahrnehmungen, sondern auch unbewusste körperliche und mentale Ereignisse gezählt.

14. Atti Revounso, Sakki Kallio, Pilleriin Sikka: What is an altered state of consciousness? In: Philosophical Psychology, Vol. 22, Nr. 2, April 2009, S. 187–204.

15. Stanley Krippner: Altered states of consciousness. In: J. White (Hrsg.): The highest state of consciousness. John Wiley, New York 1972, S. 1.

16. Ronald J. Pekala: Quantifying Consciousness – An empirical Approach. Plenum Press, New York 1991, S. 43/44.

17. Nach Daten von Schredl (1999), Koella (1988) Kugler u. a. (1984), Thomas (1973); zitiert nach Thorsten Passie: Bewusstseinszustände. Lit Verlag, Hamburg 2007, S. 11.

18. Zitiert nach Thorsten Passie: Bewusstseinszustände. Lit Verlag, Hamburg 2007, S. 14. Siehe auch Andrzej Kokoszka: States of Consciousness: Models for Psychology and Psychotherapy. Springer, 2007, S. 38 ff.

19. Dieter Vaitl: Veränderte Bewusstseinszustände: Grundlagen – Techniken – Phänomenologie. Schattauer, 2012, ISBN 978-3-7945-2549-2, S. VII.

20. Adolf Dittrich (Hrsg.): Welten des Bewußtseins. Bd. 1, VWB, 1993, S. 26.

21. Der APZ-Fragebogen wurde mittlerweile zum OAVAV-Fragebogen erweitert

22. Bruce Greyson: The near-death experience scale: Construction, reliability, and validity. In: Journal of Nervous and Mental Disease, 171(6), S. 369–375.

23. Ralph W. Hood: The construction and preliminary validation of a measure of reported mystical experience. In: Journal for the Scientific Study of Religion, Nr. 14(1), S. 29–41.

24. Eine ausführliche Tabelle für Fragebogeninstrumente findet sich bei T. Passie (2007), S. 70.

25. Thorsten Passie: Bewusstseinszustände. Lit Verlag, Hamburg 2007, S. 71–73.

26. J. Silverman: A paradigm of the study of altered states of consciousness. In: The British Journal of Psychiatry. 1968 (11), 114, S. 1201–1218.

27. Brigitte Falkenburg: Mythos Determinismus. Springer, 2012, ISBN 978-3-642-25097-2, S. 99 und S. 177–185.

28. Ronald J. Pekala: Quantifying Consciousness – An empirical Approach. Plenum Press, New York 1991, S. 17–19.

29. Siegfried Behn: Über das religiöse Genie. In: Archiv für Religionspsychologie. 1, S. 45–67.

30. Dieter Vaitl: Veränderte Bewusstseinszustände: Grundlagen – Techniken – Phänomenologie. Schattauer, 2012, S. 3.

31. Ronald J. Pekala stellt fest, dass während der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts in den USA der Begriff Bewusstsein (consciousness) praktisch in keiner psychologischen Veröffentlichung auftaucht.
Ronald J. Pekala: Quantifying Consciousness – An empirical Approach. Plenum Press, New York 1991, S. 19–22.

32. Heinrich Balmer: Objektive Psychologie – Verstehende Psychologie. Perspektiven einer Kontroverse. Beltz Verlag, Weinheim 1982, ISBN 978-3407830456, S. 82.

33. Ronald J. Pekala: Quantifying Consciousness – An empirical Approach. Plenum Press, New York 1991, S. 23–25.

34. David A. Lieberman: Behaviorism and the Mind: A (limited) Call for a Return to Introspection. In: American Psychologist, 1979, Nr. 34, S. 319–333.

35. John B. Watson: Psychology as a behaviortist views it. Psychological Review 20, 1913, S. 157–177.

36. Ronald J. Pekala: Quantifying Consciousness – An empirical Approach. Plenum Press, New York 1991, S. 79/80.

37. Siehe dazu beispielsweise Vilayanur Ramachandran: Eine kurze Reise durch Geist und Gehirn. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2005.

38. Dieter Vaitl: Veränderte Bewusstseinszustände: Grundlagen – Techniken – Phänomenologie. Schattauer, 2012, ISBN 978-3-7945-2549-2, S. VIII.

39. Hannes Hempel: Im MRT: Einfluss der Absorptionsfähigkeit. Justus-Liebig-Universität, Gießen 2009, S. 34.

40. Klaus Thomas: Meditation in Forschung und Erfahrung in weltweiter Beobachtung und praktischer Anleitung. Thieme Georg Verlag, Stuttgart 1973,ISBN 3-13-497201-8.

41. Thorsten Passie: Bewusstseinszustände. Lit Verlag, Hamburg 2007, S. 25–30.

42. Dieter Vaitl: Veränderte Bewusstseinszustände: Grundlagen – Techniken – Phänomenologie. Schattauer, 2012, ISBN 978-3-7945-2549-2, S. 24.

43. Niels Birbaumer, Robert F. Schmidt: Biologische Psychologie. 5. Auflage. Springer, 2002, S. 519 ff.

44. Thorsten Passie: Bewusstseinszustände. Lit Verlag, Hamburg 2007, S. 16, Tab. 5 Auswahl.

45. Steven M. Fishkin, Ben Morgan Jones: Drugs and consciousness: an attentional model of consciousness with applications to drug-related altered states. In: A. Arthur Sugarman, Ralph E. Tarter (Hrsg.): Expanding dimensions of consciousness. Springer, New York 1978.

46. Ronald J. Pekala: Quantifying Consciousness – An empirical Approach. Plenum Press, New York 1991, S. 41 ff.

47. Thorsten Passie: Bewusstseinszustände. Lit Verlag, Hamburg 2007, S. 38.

48. Thorsten Passie: Bewusstseinszustände. Lit Verlag, Hamburg 2007, S. 42/43.

49. Ronald J. Pekala: Quantifying Consciousness – An empirical Approach. Plenum Press, New York 1991, S. 42.

50. Thorsten Passie: Bewusstseinszustände. Lit Verlag, Hamburg 2007, S. 44–48.

51. Nicolas Langlitz: Neuropsychedelia: The Revival of Hallucinogen Research since the Decade of the Brain. University of California, Berkeley 2007, S. 7.

52. Dieter Vaitl: Veränderte Bewusstseinszustände: Grundlagen – Techniken – Phänomenologie. Schattauer, 2012, ISBN 978-3-7945-2549-2, S. 219.

53. Adolf Dittrich: Welten des Bewußtseins. Band 1. 1993, S. 35/36.

54. Charles Tart: Transpersonale Psychologie. Walter-Verlag, Olten/Freiburg im Breisgau 1978, ISBN 3-530-87050-1, S. 292 ff.

55. Thorsten Passie: Bewusstseinszustände. Lit Verlag, Hamburg 2007, S. 41/42.

56. Ulrich Ott: States of absorption: In search of neurobiological foundations. In: G. A. Jamieson (Hrsg.): Hypnosis and Consciousness States: the cognitive-neuroscience perspective. Oxford University Press, New York 2007, S. 261 ff.

57. A. Tellegen, G. Atkinson: Openness to absorbing and self-altering experiences (‘absorption’), a trait related to hypnotic susceptibility. In: Journal of Abnormal Psychology. 1974, Nr. 83, S. 268–277.

58.  Dieter Vaitl: Veränderte Bewusstseinszustände: Grundlagen – Techniken – Phänomenologie. Schattauer, 2012, S. 205–211.

59. Stephan Matthiesen, Rainer Rosenzweig Von Sinnen: Traum und Trance, Rausch und Rage aus Sicht der Hirnforschung. mentis Verlag, Paderborn 2007, S. 64.

60. Thorsten Passie: Bewusstseinszustände. Lit Verlag, Hamburg 2007, S. 16, Tab. 5 Auswahl.

61. Adolf Dittrich (Hrsg.): Welten des Bewußtseins. Bd. 1, VWB, 1993, S. 133 ff.

62. Adolf Dittrich (Hrsg.): Welten des Bewußtseins. Bd. 1, VWB, 1993, S. 21–46.

63. Arnold M. Ludwig: Altered States of Consciousness. In: Charles Tart (Hrsg.): Altered States of Consciousness. HarperCollins, New York 1990, 3. Ausgabe, S. 18–21.

Dieser Aufsatz ist der Wikipedia entnommen.

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Kommentare: 1
  • #1

    WissensWert (Sonntag, 15 Oktober 2017 15:03)

    Wie so vieles, was mit dem Bewusstsein zusammenhängt, scheint die Vorstellung von Bewusstseinszuständen oder veränderten Bewusstseinszuständen auf den ersten Blick offensichtlich. Wir wissen zum Beispiel alle, dass es sich anders anfühlt, wenn wir betrunken sind oder Fieberhalluzinationen haben, und auch wenn wir selbst keine Erfahrungen mit Drogen gemacht haben, können wir uns vorstellen, dass sich ein Drogenrausch oder ein mystischer Zustand wieder anders anfühlen muss. Daher sprechen wir von veränderten Bewusstseinszuständen.
    Doch bei jedem Versuch, veränderte Bewusstseinszustände zu definieren, geraten wir sofort in Schwierigkeiten. Es gibt zwei naheliegende Ansätze. Erstens könnten wir objektive Maßstäbe anlegen und zum Beispiel ermitteln, wie viel Alkohol jemand getrunken hat oder mit welcher Methode er oder sie hypnotisiert wurde. Das funktioniert jedoch nur sehr bedingt, denn wenn zwei Menschen dieselbe Menge Alkohol zu sich nehmen, kann einer vi beiden so gut wie gar nichts spüren und die andere völlig betrunken sein. Auch Hypnosemethoden wirken sehr unterschiedlich. Es gibt nur wenige Bewusstseinszustände, die sich mit eindeutigen physiologischen Mustern in Verbindung bringen lassen, weshalb auch der Versuch, Muster der neuronalen Aktivität zu ermitteln, nur unklare Ereignisse zeitigt. Auch die Beobachtung des Verhaltens bringt uns nicht weiter, denn manche Menschen, deren Bewusstsein nach eigenen Angaben zutiefst verändert ist, weisen nach außen hin ein weitgehend normales Verhalten auf. Jeder Versuch einer objektiven Messung geht am Kern vorbei, denn ein veränderter Bewusstseinszustand ist eine persönliche und subjektive Erfahrung desjenigen Menschen, der ihn erlebt.
    Daher werden in der Regel subjektive Definitionen vorgezogen. Der Psychologe Charles Trat definiert veränderte Bewusstseinszustände zum Beispiel als "qualitative Veränderung der gesamten mentalen Funktionsweise, weshalb die Betroffenen das Gefühl haben, dass sich ihr Bewusstsein radikal von seinem Normalzustand unterscheidet". Diese Definition trifft zwar die Vorstellung der veränderten Bewusstseinszustände, doch sie stellt uns vor neue Probleme. Sie wirft zum Beispiel die Frage auf, was denn der normale Bewusstseinszustand sein mag oder wie wir mit Fällen umgehen sollen, in denen sich die Betroffenen nach außen hin in einem veränderten Zustand befinden, sich aber selbst als völlig normal wahrnehmen.


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