„In einer Welt, die überflutet wird von belanglosen Informationen, ist Klarheit Macht.“ 

- Yuval Noah Harari

Religiosität und Altruismus

Endlich mal eine experimentelle Arbeit zum Thema "Altruismus bei Religiösen und Nichtreligiösen".

 

In bisherigen Studien lassen sich kaum Unterschiede zwischen beiden Gruppen finden. In manchen Untersuchungen, die auf Selbstauskünften beruhen, zeigen religiös sozialisierte Kinder eine höhere Bereitschaft zu altruistischem Verhalten. Z.B. will Dieter Hermann (Soziologie Uni Heidelberg) nachgewiesen haben, dass Kinder aus christlichem Elternhaus z.B. eher bereit sind, von ihrem Taschengeld zu spenden. Die Daten beruhten jedoch allein auf Selbsteinschätzung der Kinder in einer hypothetischen Situation. Problem: Hier greift der "Bias sozialer Erwünschtheit". Menschen neigen dazu, ihr eigenes Verhalten unrealistisch vorteilhaft zu beurteilen.

 

In einer neuen Studie (1170 Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren aus sechs verschiedenen Ländern, christlich, muslimisch und andere Konfessionen) wurde neben Selbstauskünften auch das tatsächliche Verhalten gemessen. Dabei zeigen sich interessante Abweichungen zwischen selbstberichtetem Altruismus und tatsächlich altruistischem Verhalten.

 

Experiment: Kinder spielen mit einem fremden Kind der eigenen peer-group und müssen dazu entscheiden, wieviele Sticker (wertvolles Item) sie dem fremden Kind abgeben. Außerdem müssen Kinder Strafwürdigkeit von sozialen Regelübertretungen beurteilen. Ergebnis: 1. Religiöse Kinder handeln signifikant weniger altruistisch. 2. Religiöse Kinder beurteilen dieselben Handlungen als böswilliger und strafwürdiger als nicht-religiöse Kinder.

 

Gleichzeitig beurteilen die Eltern religiöser Kinder ihren Nachwuchs als empathischer und rücksichtsvoller als in der Vergleichsgruppe. Selbsteinschätzung und tatsächliches Verhalten scheint bei religiösen Familien auseinanderzuweichen. Trend: Je länger das Kind in einem religiösen Umfeld verbracht hat, desto geiziger fällt sein Verhalten im Test aus - und desto straf-williger urteilt es bei sozialen Regelübertretungen.

 

Die Autoren fassen zusammen:
"Diese Ergebnisse sind über verschiedene Länder hinweg einheitlich und zeigen, dass Religion den Altruismus der Kinder negativ beeinflusst. Das stellt die verbreitete Ansicht in Frage, Religion würde pro-soziales Verhalten fördern."

Quellen:

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Kommentare: 6
  • #6

    WissensWert (Mittwoch, 21 Dezember 2016 19:26)

    http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-12/irak-armee-islamischer-staat

    "Mindestens 50.000 der 200.000 Rekruten existieren lediglich auf dem Papier, wahrscheinlich sogar deutlich mehr. Am Mittwoch wurde bekannt, dass Iraks Premierminister Haider al-Abadi angesichts der Schwäche der Armee die Nato um Unterstützung bei der Ausbildung von Truppen bitten werde. Weitere Untersuchungen würden folgen und definitiv noch "erheblich mehr" Missstände zu Tage fördern [...]

    Diese "Geistersoldaten" erhielten zwar Sold und standen auf den Mannschaftslisten, wurden jedoch in den Kasernen teilweise seit Jahren nicht mehr gesehen oder waren einfach erfundene Personen. Das System funktionierte so einfach wie effizient. Junge Wehrwillige ließen sich von dem verhältnismäßig guten Monatsgehalt von 600 Dollar anlocken. Dann bestachen sie ihre Kommandeure mit monatlichen Zahlungen von 300 Dollar und arbeiteten fortan irgendwo anders. Alle verdienten dabei, bloß der Staat hatte das Nachsehen, dem durch diese Praktiken jährlich mindestens eine halbe Milliarde Dollar verloren gingen." (heute in der Zeit Online)
    "Und mischt nicht Wahrheit mit Unrecht durcheinander! Die Wahrheit, um die ihr wißt, dürft ihr nicht verhehlen." (Quran 2,42)
    "Ihr sollt die Götzen meiden, weil sie Unreinheit bedeuten. Und meidet falsche Aussagen!" (Quran 22,30)

    Für mich ist das ein weiterer Beleg, dass religiöser Glaube und ethisches Handeln nichts miteinander zu tun haben.

  • #5

    WissensWert (Donnerstag, 08 Dezember 2016 17:40)

    Prof. Vern Bengston (Soziologe) führt seit 40 Jahren Longitudinalstudien an Familien durch. 2013 hat er begonnen, säkulare Familien in die Studie einzuschließen und deren Erziehung analysiert. Er fand "ein hohes Maß an familiärem Zusammenhalt, emotionale Nähe zwischen Kindern und Eltern, hohe ethische Standards und moralische Werte, die klar formuliert und an die nächste Generation weitergegeben werden."

    Viele nichtreligiöse Eltern sind kohärenter und energischer in ihren ethischen Werten als manche "religiösen" Eltern in der Studie. Die riesige Mehrheit scheint ein sinnerfülltes Leben zu führen, das von ethischen Prinzipien und klaren Lebenszielen bestimmt ist."

    Der Soziologe Phil Zuckerman kommt in seinen Untersuchungen zu ähnlichen Ergebnissen. Nichtreligiöse Familien zeigen klare ethische Werte und hohe Qualitäten in rationalem Problemlösen, persönlicher Unabhängigkeit, Eigenständigkeit des Denken, Vermeiden körperlicher Bestrafung, eine generelle Bereitschaft "alles zu hinterfragen" und vor allem, Empathie.

  • #4

    WissensWert (Donnerstag, 08 Dezember 2016 17:38)

    Brauchen wir Religion für gesellschaftliches Wohlergehen? Die Religious Landscape Survey des Pew Forum antwortet: Nein.

    Die säkularsten US-Staaten schneiden bei Parametern des gesellschaftlichen Wohlergehens besser ab, als die religiösen Bundesstaaten. Darunter bei Tötungen und Gewaltverbrechen, Prävalenz von Armut, Übergewicht und Diabetes, Kindsmissbrauch, Bildungsgrad, Höhe des Einkommens, Arbeitslosenquote, Prävalenz sexuell übertragbarer Krankheiten, Teenagerschwangerschaften. In nahezu allen soziologischen Parametern gesellschaftlichen Wohlergehens rangieren die säkularsten Staaten mit der niedrigsten Rate an Gottesglauben und Kirchenbesuch an der Spitze - und die Staaten mit den höchsten Raten bei Gottesglauben und Kirchenbesuch am Ende. Diese Korrelation setzt sich auch im internationalen Vergleich fort.

    Angesichts dieser Daten wird es geradezu unethisch, eine größere gesellschaftliche Rolle für Religionen zu fordern.

  • #3

    WissensWert (Donnerstag, 08 Dezember 2016 17:37)

    http://www.latimes.com/nation/la-oe-0115-zuckerman-secular-parenting-20150115-story.html#page=1

  • #2

    WissensWert (Donnerstag, 08 Dezember 2016 17:34)

    Vielleicht liegt es daran, dass bei religiösen Menschen die Trennung zwischen "in-group-Loyalität" und "out-group-Abwertung" stärker verankert ist.
    Wenn dann Empathie gegenüber einem fremden Menschen gefordert ist, schneiden religiös sozialisierte Menschen schwächer ab.

    (Die stärkere gedankliche Trennung zwischen in-group und out-group bei religiösen Menschen ist vielfach nachgewiesen. Als Erklärung für dieses Studienergebnis ist es aber jetzt reine Mutmaßung von mir.)

  • #1

    WissensWert (Donnerstag, 08 Dezember 2016 17:33)

    nochmal auf deutsch: http://derstandard.at/2000025163557/Religion-macht-uns-nicht-moralischer?ref=article


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