„In einer Welt, die überflutet wird von belanglosen Informationen, ist Klarheit Macht.“ 

- Yuval Noah Harari

Was ist Populismus?

"Populismus" ist ein inhaltlich leerer Vorwurf. Er folgt der zunehmenden Tendenz, abweichende Meinungen mit demagogischen, unfairen rhetorischen Tricks unterdrücken zu wollen.

Einst wurden der Linkspartei bzw. der damaligen PDS Populismus vorgeworfen. Der damalige Vorsitzende der PDS Gregor Gysi wurde früher unentwegt als Populist beschimpft. Mittlerweile ist es die rechtskonservative AFD, der man Populismus vorwirft, diese wiederum werfen dem Mainstream Populismus vor. Man ist also an einem Punkt angelangt, an dem Jeder Jedem schon einmal "Populismus" an den Kopf geworfen hat. Der Begriff "Populismus" wird vollkommen inflationär und beliebig verwendet und vielleicht ist es jetzt an dem Zeitpunkt, ihn als leere Worthülse aus unserem Vokabular raus zu streichen und wieder Sachdiskussionen zu führen. Eine Sachdiskussion wird mit sachbezogenen Argumente ausgefochten, die dann entweder inhaltlich (auf die Prämissen abzielend) oder formal (auf die Schlussfolgerungen abzielend) attackiert werden können. Kampfbegriffe wie "Populismus" haben in ihr keinen Platz, dafür sind sie selbst zu "populistisch".

Wer in den wissenschaftlichen Publikationen stöbert, wird sehen, dass es zum Populismusbegriff eine ganze Reihe höchst unterschiedlicher Definitionen existieren. Wissenschaftlich bleibt die Bedeutung des Begriffs "Populismus" also un- oder zumindest unterbestimmt. Ihn trotzdem in einer vernünftigen Diskussion vorzutragen, ist also tatsächlich nicht mehr als ein inhaltlich leerer Vorwurf!

Auch unter Wissenschaftlern herrscht darin Einigkeit, dass Populismus vorwiegend ein „schillerndes Schlagwort“ (Rensemann, 2006, S.59), Kampfbegriff (Werz, 2008, S.105) und Schimpfwort (Holtmann, Krappidel & Rehse, 2006, S.24) sei, das in erster Linie dazu diene, den politischen Gegner zu diskreditieren.

In diesem Punkt besteht wissenschaftliche Einigkeit, in der näheren Begriffsbestimmung indes nicht:

Eine ziemlich „gefährliche“ Definition findet sich in der von mir sonst eigentlich hochgeschätzten Bundeszentrale für Politische Bildung. Populismus, so heißt es, „bezeichnet eine Politik, die sich volksnah gibt, die Emotionen, Vorurteile und Ängste der Bevölkerung für eigene Zwecke nutzt und vermeintlich einfache und klare Lösungen für politische Probleme anbietet“. Diese Definition ist gefährlich, denn unter sie lässt sich so ziemlich jedes hyperaktive Politikerhandeln fassen. Die Linken sind nach ihr auch heute noch populistisch, wenn sie „Reichtum für alle plakatieren, die SPD unter Martin Schulz ganz sicher auch. Der Atomausstieg, grünes Gender-Mainstreaming oder konservative oder wissenschaftlich fundierte Gendersciencekritik, nahezu jedes politische Thema fällt unter diese weitgefasste Definition. Mehr noch: Wer in diesem Sinne nicht populistisch ist, wer die Vorurteile und Ängste der Bevölkerung nicht abrufen kann und sich nicht volksnah gibt, wird in der Politik nie Erfolg haben.

Populismus
Populismus

Thomas Meyer sieht wie ich das Problem einer semantischen Unbestimmbarkeit des Populismus und schreibt: „Alle Versuche, das Phänomen des Populismus auf den Begriff zu bringen, haben immer wieder gezeigt, dass es zu komplex, kontextabhängig und veränderlich ist, um in knappen Definitionen erfasst werden zu können. Diese Schwierigkeiten zeigen sich schon im Grundsätzlichen, denn Populismus kann beides sein: Eine Herrschaftstechnik und eine soziale Protestbewegung gegen entfremdete Herrschaft […] Bezogen auf die aktuelle Problemlage des Populismus in Europa gibt es einen Konsens […] Dazu gehört vor allem die Diagnose, dass der Populismus in den modernen Massendemokratien infolge von
Modernisierungskrisen und politischen Repräsentationsproblemen ein Dauerthema darstellt“ (Meyer, 2006, S.81-82).

In Meyer’s Definition mäandert der Begriff des Populismus also zwischen quasi-illegitimem Herrschaftsmittel und quasi-legitimem Protestmittel gegen Elitismus.

Klaus von Beyme verweist auf neuere Entwicklungen in der Wissenschaft, die dem Populismus etwas Positives abgewinnen können: „So habe Populismus nicht die negative Wirkung auf die repräsentative Demokratie, die man ihm unterstellt habe und den Vorteil, Themen auf die politische Agenda zu bringen, die Eliten gerne vermeiden würden. Zudem, so von Beyme, bedienten sich auch etablierte Parteien populistischer Verhaltensweisen, woraus man wohl schließen muss, dass die Grenze zwischen demokratischer und populistischer Partei nicht mehr eindeutig zu bestimmen ist“ (von Beyme, 2010, S.203).

Der Journalist Claus Strunz hält Populismus im klassischen Sinne für „das Viagra einer erschlafften Demokratie“.

sehenswert!

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Kommentare: 1
  • #1

    WissensWert (Mittwoch, 01 März 2017 22:50)

    Die Partei "Die Partei" fordert auf ihren Wahlplakaten: "Inhalte überwinden" und will damit die Realpolitik karikieren, diese hat jenen Klamauk aber schon längst eingeholt.

    Deutsche Parteien plakatieren ihre Wahlplakate mit „Gerechtigkeit“ oder gleich nur mit Namen und Gesichtern ihrer Politiker. Ich wäre übrigens dafür, dass wir Worte wie „Gerechtigkeit“ ebenso aus dem politischen Diskurs streichen, solange sie nicht näher definiert sind. Gegenwärtig können den Gerechtigkeitsgedanken von Liberal („Leistungsgerechtigkeit“) bis Links („Verteilungsgerechtigkeit“) alle für sich beanspruchen, also kann man ihn auch wieder rausstreichen und sich wieder auf die Sache konzentrieren.


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