„In einer Welt, die überflutet wird von belanglosen Informationen, ist Klarheit Macht.“ 

- Yuval Noah Harari

Prodigies‘ Oddities

Die wörtliche Übersetzung für die Überschrift ist "Der Wunderkinder Merkwürdigkeiten", ich nehme an, dass das auch in etwa die Intention von Chris Wayan trifft, der den Artikel PRODIGIES‘ ODDITIES geschrieben hat. Dieser Text ist Teil seiner World Dream Bank. Ich bin durch einen Bekannten auf diesen Text aufmerksam gemacht worden, weil Chris Wayan darin seine Empfindungen beschreibt, als Mensch mit einem IQ von 190 in einer Welt zu leben, die überwiegend von durchschnittlichen Menschen für durchschnittliche Menschen gemacht ist. Das ist ein heißes Thema, man lese sich nur mal die Leserkommentare zu diesem Beitrag durch: Schlaue lachen anders. Die Autorin, mit einem IQ von 136 ziemlich genau beim Median der Mensaner angesiedelt, wird dort von vielen offen angefeindet, arrogant sei sie, nur weil sie ehrlich schreibt, dass sie sich in einigen ihrer Bedürfnisse von den Normalen unterscheidet, und was sie unternimmt, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen.

Bei "Wunderkindern" vom Typ eines Chris Wayan ist das alles noch viel extremer, in seinem Text beschreibt er einige seiner Erlebnisse und Empfindungen. Sich nicht daran erinnern können, das es eine Zeit in der Kindheit gegeben haben könnte, in der man nicht Lesen kann, in seinem ersten Traum zu träumen, dass man ein Pferd sei, als Menschenkind aus einem Traum erwacht, im Alter von 3 bis 4 über den eigenen Platz und die eigene Adresse im Universum nachzudenken usw.

Was meinen Bekannten an dem Artikel gestört hat, waren die ersten Absätze:

Most people recognize the psychological differences between a person of IQ 70 and 100. Not just the intellectual gap, but the differences in developmental pace, their joys and frustrations, their trust levels and social experiences. It took many years for child psychologists to acknowledge similar differences between a person of IQ 100 and 140. For the gifted, unlike the mentally disabled, can pass for normal. In fact, God help them if they don’t.

Still, the special needs were there, and were eventually recognized, even if they’re still given low priority by schools–every study I’ve seen says the gifted are actually worse off than the disabled in terms of getting their needs met in school. Mostly they just drift through, being taught way below their level, essentially warehoused. The successful ones end up teaching themselves. The bored and angry become disciplinary problems and get blamed–when they’re being cheated out of their education and forced to waste their time! Only in the last generation have these patterns come to light, and the special needs of the gifted been given even token consideration, in the more progressive schools.

But the differences between persons of IQ 140 and 190 are just as large! And still unrecognized. It’s understandable–we child prodigies were too rare, too scattered to be easily sampled and generalized about, at least till the Net…

But the result is, I’ve spent my life being mistaken for a strange gifted person. I’m not. Gifted, I mean (strange, sure, I’ll cop to that one). I’m something as different from gifted as gifted is from average. I look just as eccentric to the gifted as to normal people.

In der Tat glaube ich nicht, dass es so einfach ist. Wayan suggeriert hier ein Konzept von Linearität, dass bei den IQs nicht gegeben ist. Man erkennt das sehr leicht, wenn man sich vor Augen führt, dass man einem Menschen mit einem IQ von 70 seine Behinderung ansieht, äußerlich aber einen Menschen mit einem Wert von 100 nicht von einem mit 140 unterscheiden kann. Worin sich Menschen mit stark unterschiedlichen Werten unterscheiden, sind ihre unterschiedlichen Bedürfnisse. Und da hat Wayan wieder Recht, dass es einfacher ist, diese bei einem Menschen mit niedrigerer Intelligenz zu befriedigen, weil diesem viele andere Menschen mit höherer Intelligenz helfen können. Menschen mit hoher Intelligenz müssen sich schon irgendwie selbst helfen – und den meisten gelingt das auch, wenn sie die für sie schwierigere Kindheit überstanden haben (und ihr Problem erkannt wurde). Ein ähnlich intelligenter Mensch wie Wayan ist zum Beispiel Marilyn vos Savant, die offenbar wenig Schwierigkeiten hat, in der Welt der Normalen zurechtzukommen. Es ist also nicht primär die hohe Intelligenz, die Wayan Probleme bereitet, es ist sein generelles Anders-Sein, das noch weitere Aspekte seiner Weltsicht einschließt.

Beim Stöbern nach weiteren Quellen über ihn im Netz bin ich auf den Satz gestoßen: „Chris is a she.“ Das traf mich wie ein Hammer, denn in der Tat sind auf den meisten Seiten die Figuren entweder androgyn oder feminin. Aber hier wurde ich fündig (auf der Seite nach Wayan suchen für den ganzen Text):

DREAMSELVES

It’s hard to live in a boy body, if you’ve been a girl too many lifetimes.

I constantly dream I’m in various times and places — and bodies. Did my weak tenancy in this body free my spirit to wander? Or did my shapeshifting sharpen my discontent with my particular skin? Whichever came first, I feel… confined. Often, in dreams, I’m female again. Happier. I draw more of the dream journeys I make as a woman, especially ones where I felt sexy. Not because sex sells–quite the opposite! Sex limits who‘ ll market my work. But I’m trying to anchor myself in life, not return to the spirit world, and tempting me with sweets like sex and beauty helps (I woo myself with chocolate, too.) I’m not a total trannie candidate–I dream I’m male just as often. But I’m uneasy drawing myself as male… ASHAMED of my boy body!

It pisses me off that I see only women as sexy. Or likable. Or sane! But my mom was an early feminist, and I grew up surrounded by beautiful, Mensa-bright sisters, so for me, girls were the norm, boys were… suspect. My dad was bright, but he seemed an exception–the boys in school seemed subhuman. Understandable, as they averaged 30-40 IQ points behind my sisters, and it showed in every word and deed. Plus they were mean, just as my mom warned.

In diesem Posting spricht er auch über seine Eltern und seine „Mensa-bright sisters“, d.h. es gab in seiner Kindheitsumgebung durchaus Menschen, mit denen er intellektuell auf Augenhöhe kommunizieren konnte, was wiederum dafür spricht, dass es nicht seine Intelligenz, sondern seine generelle Andersartigkeit ist, die ihn von den meisten trennt.

Es lohnt sich, ein wenig in der Worlddreambank zu stöbern. Faszinierend auch das Design, dessen Hintergründe er hier erklärt. Ähnliches ist mir bereits bei anderen sehr intelligenten und sehr kreativen Menschen aufgefallen: Ein bewusst einfach gehaltenes Design, damit nichts den Leser, Besucher, Betrachter, Bewunderer vom Eigentlichen ablenkt und den Verstand zum Denken und Kreativ sein motiviert.

Gastbeitrag von: Dr. Ralf Poschmann

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