Dank der Industriellen Revolution traf billige und reichliche Energie auf billige und reichliche Rohstoffvorkommen. Das Ergebnis war eine Explosion der menschlichen Produktivität. Diese machte sich nicht nur in der Produktion mit empfindungslosen Maschinen, sondern auch in der Landwirtschaft bemerkbar.
Beim Stichwort industrielle Revolution denken wir in der Regel an Städte mit rauchenden Schornsteinen und ausgebeuteten Bergarbeitern, die unter Tage schuften. Doch die industrielle Revolution verzog sich genauso auf dem Land und bedeutete dort eine zweite Agrarrevolution.
Seit dem späten 19. Jahrhundert hielten immer mehr industrielle Produktionsmethoden in der Landwirtschaft Einzug. Traktoren und Mähdrescher übernahmen Aufgaben, die früher mit Muskelkraft oder gar nicht erledigt wurden. In Ackerbau und Viehzucht wurde die Produktivität mit Hilfe künstlicher Dünge- und Insektenvertilgungsmittel beziehungsweise einem ganzen Arsenal an Hormonen und Medikamenten massiv gesteigert. Kühlhäuser, Schiffe und Flugzeuge ermöglichen die monatelange Lagerung von landwirtschaftlichen Produkten und den raschen und billigen Transport auf die andere Seite des Globus. So begannen Europäer, frisches argentinisches Rindfleisch, japanisches Sushi und kenianische Avocados zu essen.
Nicht nur das Eisen und die Menschen in den Städten, auch die Pflanzen und Tiere auf dem Land wurden immer mehr als reine Produktionsmittel betrachtet. Heute werden Tiere in Labors hergestellt und in Fabriken massenproduziert, ihre Körper werden nach den Bedürfnissen der Industrie gestaltet, und sie verbringen ihr ganzes Leben als Rädchen in einer riesigen Produktionsanlage. Wie gut und wie lange sie leben, wird von der Kosten-Nutzen-Rechnung der Unternehmen und Verbraucher diktiert. Auch wenn sie von der Industrie am Leben und bei relativer Gesundheit erhalten werden, geschieht dies nicht aus moralischen, sondern rein aus Produktivitätsgründen.
Die industrielle Tierhaltung fußt rein auf Eigennutz und freier Marktwirtschaft. Sie hat genauso wenig mit einem Hass auf Tiere zu tun wie die Sklavenhaltung mit einem Hass auf Afrikaner zu tun hatte. Die meisten Menschen wollen einfach ihr Steak und sind die meiste Zeit über Gleichgültig gegenüber den Tieren. Sie machen sich nicht die geringsten Gedanken über das Schicksal der Hühner, Kühe und Schweine, deren Eier, Milch und Fleisch sie konsumieren. Und wer die Verhältnisse kennt, argumentiert gern, diese Tiere seien im Grunde nichts anderes als gefühllose Maschinen, die kein Leid empfinden könnten. Ironischerweise haben dieselben Wissenschaften, die unsere Milch- und Eiermaschinen züchten, in jüngster Zeit zweifelsfrei bewiesen, dass Säugetiere und Vögel ein komplexes Gefühlsleben haben. Kein Wunder: Schließlich sind wir Menschen auch nur evolvierte Tiere und der Unterschied zwischen uns und anderen Tierarten kann dementsprechend nur ein gradueller sein. Tiere können genauso wie wir nicht nur körperliches, sondern auch emotionales Leid empfinden.
In den 1950er Jahren trennte ein amerikanischer Psychologe namens Harry Harlow junge Affen wenige Stunden nach der Geburt von ihren Müttern. Die Affenbabys wurden in Käfige gesperrt und von Attrappen "großgezogen". In jedem dieser Käfige befanden sich zwei Affenpuppen: Eine aus Draht, an der eine Milchflasche befestigt war, und eine andere aus Holz, die mit Wolle überzogen war und entfernt an eine Affenmutter erinnerte. Da die Stoffpuppe keine Milch gab, nahm Harlow an, dass die Affenjungen sich an die Drahtpuppe halten würden. Zu Harlows Verwunderung zogen die Affenbabys die Stoffmutter vor und klammerte sich die meiste Zeit an diese. Wenn die beiden Attrappen nebeneinander aufgestellt wurden, blieben die Kleinen auf der Stoffpuppe sitzen und reckten sich zur Drahtpuppe hinüber, um zu trinken. Harlow nahm an, die Affenbabys zogen die Stoffpuppe vor, weil sie wärmer war. Also setzte er der Drahtpuppe eine Wärmelampe ein, doch mit Ausnahme der Allerjüngsten zogen die meisten der Kleinen nach wie vor die Stoffpuppe vor. Nachfolgeuntersuchungen ergaben, dass sich Harlows verwaiste Äffchen später zu emotionalen Wracks entwickelten, obwohl sie die Nahrung erhalten hatten, die sie benötigten.
Sie konnten sich nicht in die Affengesellschaft einfügen und zeigten ein hohes Maß an Stress und Aggression. Der Schluss drängte sich auf, dass Affen auch psychische und emotionale Bedürfnisse haben, die weit über die physischen Bedürfnisse wie Nahrung hinausgehen. Wenn diese nicht befriedigt werden, leiden Tiere. In den folgenden Jahrzehnten haben immer neue Experimente gezeigt, dass dies nicht nur auf Affen zutrifft, sondern auch auf andere Säugetiere und Vögel. Heute werden Harlows Experimente täglich in aller Welt millionenfach wiederholt, wenn Bauern Kälber und andere Jungtiere kurz nach ihrer Geburt von ihren Müttern trennen und in Isolation aufziehen.
Milliarden von Nutztieren verbringen ihr Leben heute auf dem Fließband, und rund 10 Milliarden Säugetiere und Vögel werden Jahr für Jahr geschlachtet. Diese industriellen Methoden der Tierhaltung haben zu einer gewaltigen Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion und der menschlichen Nahrungsmittelreserven geführt. Zusammen mit dem industriellen Anbau von Nutzpflanzen ist die Massentierhaltung das Fundament unserer gesamten gesellschaftlichen Ordnung. Vor der Industrialisierung der Landwirtschaft wurde ein Großteil der auf den Feldern und in den Ställen produzierten Nahrung von den Bauern und ihren Tieren selbst konsumiert. Nur ein kleiner Teil der Produktion stand zur Ernährung von Handwerkern, Lehrern, Priestern und Beamten zur Verfügung. Daher machten die Bauern in den meisten Gesellschaften mehr als 90 Prozent der Bevölkerung aus. Mit der Industrialisierung der Landwirtschaft reichte eine immer kleinere Zahl von Bauern aus, um eine immer größere Zahl von Angestellten und Fabrikarbeitern zu ernähren. In Ländern wie den Vereinigten Staaten oder Deutschland verdienen heute beispielsweise nur noch 2 Prozent der Bevölkerung ihren Lebensunterhalt in der Landwirtschaft, doch diese 2 Prozent reichen aus, um die gesamte Bevölkerung zu ernähren und sogar Überschüsse zu produzieren, die exportiert werden. Ohne die Industrialisierung auf dem Land wäre die industrielle Revolution in den Städten nie möglich gewesen, weil gar nicht genug Hände und Köpfe für die Fabriken und Büros zur Verfügung gestanden hätten.
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