„In einer Welt, die überflutet wird von belanglosen Informationen, ist Klarheit Macht.“ 

- Yuval Noah Harari

Daniel C. Dennett

Daniel Clement Dennett (* 28. März 1942 in Boston) ist ein US-amerikanischer Philosophie und zweifellos einer der einflussreichsten, originellsten, aber auch umstrittensten zeitgenössischen Denker in der Philosophie des Geistes. Als Vertreter einer konsequent naturalistischen Auffassung über komplexe Themen wie Bewusstsein, Intentionalität und Willensfreiheit gehört er zu den wenigen Philosophen, die auch jenseits der Disziplingrenzen, vor allem in den Kreisen der kognitiven Neurowissenschaften, bekannt geworden sind. Er ist Philosophieprofessor und Direktor des Zentrums für Kognitionswissenschaften an der Tufts University in Massachusetts.

Dennetts zentrales Anliegen ist es, unser Alltagsverständnis von Bewusstsein und Personsein mit naturwissenschaftlichen Vorstellungen über mentale Prozesse in Einklang zu bringen und es auf eine evolutionstheoretische Grundlage zu stellen.

Daniel Dennett
Daniel Dennett

Bildurheber: Mathias Schindler

1. Leben

1963 schloss Daniel Dennett sein Studium der Philosophie als Student von von Willard Van Orman Quine in Harvard ab. Anschließend zog er nach Oxford, um mit dem Philosophen Gilbert Ryle zusammenzuarbeiten, bei dem er 1965 in Philosophie promovierte. Beide Lehrer haben Dennetts Denken auf unterschiedliche Weise geprägt. Mit Ryle teilt Dennett die behavioristische Auffassung, dass sich psychische Vorgänge, zumal wenn sie sich in beobachtbarem Verhalten äußern, am präzisesten aus der Perspektive der dritten Person und nicht aus der häufig verzerrenden subjektiven Erfahrungsperspektive beschreiben lassen. Mit Quine wiederum teilt Dennett eine große Affinität zu Fragestellungen und Methoden der Naturwissenschaften. So nehmen in Dennetts theoretischen Überlegungen beispielsweise kognitionswissenschaftliche Modelle und neurowissenschaftliche Studien, biologische Theorien und Erkenntnisse über künstliche Intelligenz eine wichtige Stellung ein.

Von 1965 bis 1971 lehrte er an der University of California, Irvine. Es folgten Gastprofessuren in Harvard, Pittsburgh, Oxford, der École normale supérieure de Paris, der London School of Economics and Political Science und der American University of Beirut. Danach ging er an die Tufts University, wo er seitdem lehrt und das dortige Zentrum für Kognitionswissenschaften leitet. Dennett hat an vielen bedeutenden Universitäten der westlichen Welt unterrichtet und wurde zu renommierten Vorlesungsreihen wie den Tanner Lectures (Michigan), den John Locke Lectures (Oxford) und den Jean Nicod Lectures (Paris) eingeladen.

Er erhielt zwei Guggenheim-Stipendien, ein Fulbright-Stipendium und ein Stipendium des Center for Advanced Study in the Behavioral Sciences.

 

Dennett ist Mitglied im Committee for Skeptical Inquiry und der American Academy of Arts and Sciences (1987 gewählt).

 

Dennett lebt mit seiner Frau Susan Bell Dennett in North Andover, Massachusetts und hat mit ihr zwei Kinder.[1]

2. Lehre

Dennetts Werk zeichnet sich durch große thematische Vielfalt aus: Er hat sich nicht nur intensiv und einflussreich mit einigen Kernthemen der Philosophie des Geistes wie etwa Intentionalität, subjektivem Erleben, Personsein befasst, sondern auch mit dem Problem der Willensfreiheit und aktuell mit der Religion. Kennzeichnend ist dabei ein naturalistischer Blick auf die Welt und insbesondere auf den Menschen: „Der Mensch ist ein natürliches Wesen, das im Prozess der Evolution aus der Tierwelt hervorgegangen ist.“ Das heißt, so Dennett, dass es in Bezug auf das Wesen des Menschen nichts grundsätzlich Rätselhaftes gebe, nichts, was die Naturwissenschaften nicht – im Prinzip – erklären könnten. Diese generelle Position hat laut Dennett zur Folge, dass die Evolutionstheorie auch in der Erklärung des menschlichen Verhaltens und Denkens eine zentrale Rolle spielt. Da sich die kulturelle Evolution jedoch nicht durch Genselektion erklären lässt, ist Dennett zu einem bekannten Vertreter des Memkonzepts geworden. Meme sind für Dennett die Analoga von Genen in der kulturellen Evolution.

Bei all diesen Themen steht die Frage im Vordergrund, wie sich das Alltagsverständnis von Personen, die sich und andere als freie Akteure betrachten und die sich und anderen bestimmte mentale Eigenschaften und Fähigkeiten zuschreiben, mit einer naturwissenschaftlichen Beschreibung solcher Eigenschaften vereinbaren lässt. Dabei ist Dennett von der Überzeugung geleitet, dass unsere Begriffssysteme, mit denen wir auf zahlreiche mentale Phänomene Bezug nehmen, häufig metaphysische Fallen enthalten und Rätsel vorgaukeln, die nach Dennett gegenstandslos sind: Mentale Eigenschaften wie 'Bewusstsein' und 'Intentionalität' lassen sich, so sie denn existent sind, ebenso problemlos naturwissenschaftlich untersuchen und erklären wie physikalische oder chemische Eigenschaften.

Mit dieser Einstellung wendet sich Dennett dezidiert von Philosophen wie zum Beispiel David Chalmers, Thomas Nagel und Joseph Levine ab, die behaupten, naturalistische Theorien und naturwissenschaftliche Erklärungsversuche würden unweigerlich an dem entscheidenden Merkmal von Bewusstsein scheitern, nämlich an dem für viele Bewusstseinsprozesse charakteristischen subjektiven Erleben (siehe z.B. Das Argument des unvollständigen Wissens). Bereits hieran lässt sich erkennen, dass Dennett in den eigenen Reihen keineswegs unumstritten ist. Eines seiner Kennzeichen ist die Provokation: Wortgewaltig werden zentrale Begriffe, mit denen sich Philosophen seit geraumer Zeit beschäftigen, wie etwa die Begriffe von Willensfreiheit und Qualia, einer gründlichen Revision unterzogen; das 'Selbst' wird zur Illusion erklärt (Vgl. Thomas Metzinger); Vertretern des Dualismus wird die Auseinandersetzung mit Scheinproblemen attestiert. Hinzu kommt Dennetts eigenwilliger, bisweilen polemischer und humorvoller Stil sowie seine analogie- und metaphernreiche Ausdrucksweise, die gerade bei sprachanalytisch ausgerichteten Kollegen häufig auf Kritik stößt. Dessen ungeachtet ist unbestreitbar, dass Dennett das Projekt der naturalistischen Betrachtung und Erklärung mentaler Prozesse in entscheidender und origineller Weise vorangetrieben hat, was die einzelnen Stationen seines Denkens zu erkennen geben.

Dennett beschreibt sich als Atheisten, allerdings sei er sich bei seiner Gottesablehnung nur genauso gewiss wie bei anderen unüberprüfbaren Aussagen auch (vgl. Russells Teekanne). Dennett gehört den Brights an, welche sich als eine Gruppe von Menschen mit einem naturalistischen Weltbild verstehen. Als das Konzept der Brights 2003 aufkam, verfasste Dennett auch einen Artikel The Bright Stuff in der New York Times.[2] Den Artikel begann er mit folgenden Worten: „Die Zeit ist reif für uns Brights, uns zu bekennen. Was ist ein Bright? Ein Bright ist eine Person mit einem naturalistischen Weltbild, frei von Übernatürlichem. Wir Brights glauben nicht an Geister, Elfen oder den Osterhasen – oder an Gott.“

2.1. Qualia

2.2. Intentionalität

Doch der Erlebnisgehalt ist nicht das einzige Phänomen, das das Bewusstsein rätselhaft erscheinen lässt: Menschen sind nicht nur erlebende, sondern auch denkende Wesen. Philosophen diskutieren diese Tatsache unter dem Begriff "Intentionalität", welche durch ihre Gerichtetheit gekennzeichnet ist: Der Gedanke p ist auf den Sachverhalt P gerichtet. Das macht ihn auch wahr oder falsch: Der Gedanke, dass Herodot ein Historiker war, ist offenbar wahr, und zwar deshalb, weil der Gedanke auf einen realen Sachverhalt gerichtet ist, der Herodot hieß und Historiker war.

Doch dies wirft die Frage auf, wie Menschen intentionale Zustände haben können, denn Gehirnaktivitäten können nicht wahr oder falsch sein, genauso wenig wie sich elektrische Impulse im Gehirn auf Herodot und die Tatsache, dass er Historiker war, richten können. Die meisten naturalistisch gesinnten Philosophen versuchen nun zu zeigen, dass dies doch in irgendeiner Weise möglich ist.

Dennett hingegen macht darauf aufmerksam, dass wir Systeme in verschiedener Weise beschreiben können. Zunächst gibt es eine physikalische Einstellung: Man kann ein System in seinen physischen Eigenschaften beschreiben und so sein Verhalten vorhersagen. Das Verhalten eines Systems in physikalischer Einstellung vorherzusagen wird jedoch oft aus Komplexitätsgründen nicht möglich sein. An dieser Stelle kann man zu einer funktionalen Einstellung greifen: Um eine Uhr zu verstehen und ihr Verhalten zu prognostizieren, muss man nur den Bauplan kennen, die konkrete physische Realisierung kann vernachlässigt werden. Doch manchmal sind Systeme sogar zu komplex, um ihnen in funktionaler Einstellung beizukommen. Dies gilt etwa für uns Menschen oder für Tiere. Hier greift die intentionale Einstellung: Das Verhalten eines Systems wird erklärt, indem man ihm Gedanken zuspricht. So sagt man etwa auch das Verhalten von Schachcomputern voraus: "Er denkt, dass ich den Turm opfern will."

Auf diese Weise versucht Dennett eine Brücke zwischen dem lebensweltlichen Verständnis von bewusstseinsfähigen Wesen auf der einen Seite und einer naturwissenschaftlichen Auffassung auf der anderen Seite zu schlagen. Dennetts Antwort auf das Intentionalitätsproblem lautet: Ein Wesen hat dann intentionale Zustände, wenn sein Verhalten mit einer intentionalen Einstellung vorausgesagt werden kann. Menschen sind in diesem Sinne intentionale Systeme – aber auch Schachcomputer haben diesen Status. Dennetts Position wird auch Instrumentalismus genannt, in dem das Konzept „Intentionalität“ eine nützliche Fiktion ist. "Intentionalität" ist nach Dennett keine Eigenschaft von bestimmten mentalen Zuständen, sondern ein alltagstheoretischer Begriff im Rahmen einer pragmatisch motivierten Erklärungsstrategie: Diese Strategie, von Dennett "intentionale Einstellung" (intentional stance) genannt, lässt sich bestimmten Systemen gegenüber einnehmen, über deren Verhalten man etwas erfahren und aussagen will. Dabei werden die Systeme so betrachtet und behandelt, als wären sie rationale Akteure, die intentionale Einstellungen wie gehaltvolle Überzeugungen, Interessen und Emotionen haben und zweckmäßig handeln. Ob das System solche Zustände tatsächlich besitzt, ist irrelevant, insofern man mithilfe solcher Zuschreibungen imstande ist, das Verhalten des Systems verlässlich vorherzusagen und zu erklären.

Gelingt dies, dann ist es nach Dennett korrekt, das betreffende System als "intentionales System" zu bezeichnen. Das erklärt auch, weshalb es für Dennett eine ganze Reihe von Systemen gibt, denen gegenüber man eine intentionale Einstellung erfolgreich einnehmen kann: zu nennen wären hier zum einen organische, lebende Einzeldinge wie Mikroorganismen, Zellen, Pflanzen, Tiere und Personen, zum anderen Artefakte wie Thermostate und eben Schachcomputer.

In seinen neueren Arbeiten hat Dennett diese Position zum Teil revidiert. Er nennt sich nun einen „schwachen Realisten“ und meint, dass intentionale Zustände so real wie zum Beispiel Muster seien. Man denke an einen Teppich: Das Muster auf ihm ist nicht im gleichen Sinne real wie der Teppich selbst. Dennoch ist das Muster nicht einfach nur eine nützliche Fiktion.

2.3. Willensfreiheit

à Daniel Dennett über Willensfreiheit

Einzelnachweise

1.    Biografie

2.    Daniel C. Dennett: The Bright Stuff. In: The New York Times. 12. Juli 2003, abgerufen am 18. November 2015 (englisch): „The time has come for us brights to come out of the closet. What is a bright? A bright is a person with a naturalist as opposed to a supernaturalist world view. We brights don't believe in ghosts or elves or the Easter Bunny -- or God.“

Schriften

·       Content and Consciousness

·       Brainstorms: Philosophical Essays on Mind and Psychology

·       The Mind's I: Fantasies and Reflections on Self and Soul

·       Einsicht ins Ich. Fantasien und Reflexionen über Selbst und Seele.

·       Elbow Room: The Varieties of Free Will Worth Wanting

·       Ellenbogenfreiheit. Die wünschenswerten Formen von freiem Willen

·       The Intentional Stance

·       Consciousness Explained

·       Philosophie des menschlichen Bewusstseins

·       Darwin's Dangerous Idea: Evolution and the Meanings of Life

·       Darwins gefährliches Erbe. Die Evolution und der Sinn des Lebens.

·        Kinds of Minds

·       Spielarten des Geistes : wie erkennen wir die Welt?; ein neues Verständnis des Bewußtseins.

·       Brainchildren - Essays on Designing Minds

·       Freedom Evolves, Allen Lane Publishers

·       Sweet Dreams. Philosophical Obstacles To A Science Of Consciousness

·       Süße Träume: Die Erforschung des Bewußtseins und der Schlaf der Philosophie

·        Breaking the Spell: Religion as a Natural Phenomenon, Viking Books

·       Den Bann brechen: Religion als natürliches Phänomen

·       Science and Religion. Are they Compatible?

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Kommentare: 1
  • #1

    WissensWert (Sonntag, 18 Februar 2018 23:55)

    Raphael Dorigo Wir brauchen dringend Forscher wie Dennett, die davon ausgehen, dass die Welt erklärbar ist. Die ganze Geschichte hindurch wurde von verschiedensten Phänomenen behauptet, der Mensch könne sie nie erfassen und verstehen, sie seien göttlichen Ursprungs. Irgendwann kam dann jemand, der sich damit nicht zufrieden gab, und konnte das Rätsel lösen.

    Philosophischer Naturalismus, also die Ansicht, es gebe nichts, was man irgendwie als "übernatürlich" einordnen könnte, ist allerdings nicht nötig (was aber natürlich nicht im Entferntesten heisst, die Existenz "übernatürlicher" Dinge sei wahrscheinlich). Die angemessene Haltung für einen Wissenschaftler ist meiner Ansicht nach methodologischer Naturalismus; die Haltung, dass man "das Übernatürliche" nicht in seine Forschung einbeziehen kann, weil man nur das Natürliche untersuchen und verifizieren kann.

    Atheist muss ein Wissenschaftler bei seiner Arbeit sein, denn wenn er davon ausgeht, dass es einen allmächtigen, allgegenwärtigen Gott gibt, der zu jeder Zeit die Gesetzmässigkeiten in der Welt brechen und verändern kann, wird die Wissenschaft sinn- und nutzlos, da sie ja darauf aufbaut, dass es Gesetzmässigkeiten gibt, von denen man ausgehen und die man sich zunutze machen kann.


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