Dieser Eintrag behandelt die Sprechakttheorie des Philosophen John Searle.
Karl sagt zu Kurt:
„Ich werde dich fertig machen.“
Semantische Ebene: Karl hat Kurt gesagt, dass er ihn fertig machen wird.
Pragmatische Ebene: Karl hat Kurt gedroht, dass er ihn fertig machen wird.
Einsicht: Kurt sagt nicht einfach nur etwas. Indem er etwas sagt, tut er zugleich auch etwas, d.h. er vollzieht einen Sprechakt.
Ein Sprechakt ist eine Handlung, die wir durch Äußerungen vollziehen.
Beispiele: Versprechen, Entschuldigen, Mitteilen, Schwören, Taufen, Bitten, etc.
Die Sprechakttheorie geht zurück auf John L. Austin: "How to Do Things With Words" (1962) und John Searle: "Speech
Acts" (1969).
Ein Sprechakt unterliegt regulativen und konstitutiven Regeln:
Eine regulative Regel (zB Benimmregel) reguliert bestehende Handlungsweisen.
Eine konstitutive Regel (zB Spielregel) konstituiert neue Handlungsweisen.
Paul ruft:
„Halt sie auf!“
Paul vollzieht dabei mehrere Handlungen:
1. Eine Äußerungshandlung (locutionary act), d.h. er sagt etwas.
Dieses etwas ist durch den propositionalen Gehalt des Satzes bestimmt.
2. Eine Sprachhandlung (illocutionary act), d.h. er tut etwas.
Dieses etwas ist durch die illokutionäre Kraft der Sprachhandlung bestimmt.
3. Eine Effekthandlung (perlocutionary act), d.h. er bewirkt etwas.
Dieses ist durch die kausale Wirksamkeit der Sprecherhandlung bestimmt.
John Searle unterscheidet dementsprechend zwischen einer:
· Lokution: Paul äußert "Halt sie auf!"
· Illokution: Paul fordert mich auf, sie aufzuhalten.
·
Perlokution: Paul überzeugt mich, sie aufzuhalten.
Ein Sprechakt ist durch seine Lokution p und seine illokutionäre Kraft F bestimmt; die Perlokution gehört nicht
dazu!
Wir können Sprechakte also schematisch so darstellen: F(p)
Beispiele für Sprechakte der Form illokutionäre Kraft (Lokution):
"Gib mir bitte das Salz" ↔ Bitte (Du gibst mir das Salz)
"Ich taufe dich auf den Namen Ronald Reagan"
↔
Taufe (Das Schiff heißt Ronald Reagan)
"Dir könnte etwas zustoßen" ↔ Drohung (Ich bringe dich um)
"Hier zieht’s!" ↔ Aufforderung (Du machst das Fenster zu)
Illokutionäre Kräfte unterscheiden sich darin, wie der Sprecher durch einen Sprechakt das Verhältnis zwischen sich, der Welt und dem Inhalt p darstellt.
Wir können fünf Klassen von illokutionären Kräften unterscheiden:
(1) assertive: der Sprecher repräsentiert p als aktual in der Äußerungswelt. Z.B.
Versichern, Behaupten, Voraussagen, Berichten etc.
(2) kommissive: der Sprecher verpflichtet sich, eine spätere Handlung auszuführen. Z.B. Versprechen, Verpflichten, Akzeptieren etc.
(3) direktive: der Sprecher versucht, den Hörer dazu zu bewegen, eine spätere Handlung auszuführen. Z.B. Befehlen, Bitten, Auffordern etc.
(4) deklarative: der Sprecher sorgt dafür, dass p der Fall ist. Z.B. Taufen, Zurücktreten, Exkommunizieren etc.
(5) expressive: der Sprecher drückt seine Gefühle bezüglich p aus. Z.B. Entschuldigen, Danken, Gratulieren etc.
Damit Paul Kurt durch seine Äußerung, dass p, etwas aufrichtig verspricht, müssen drei Bedingungen erfüllt sein:
die Inhaltsbedingung für Versprechen: Der Inhalt p muss sich auf eine zukünftige Handlung H des Versprechenden beziehen. Bei anderen Inhalten ist es kein Versprechen, z.B.: "Ich verspreche dir, dass morgen Donnerstag ist."
die Vorbereitungsbedingung für Versprechen: Kurt muss H nicht‐H vorziehen, und H darf nicht offenkundig ohnehin auftreten. Wenn diese Bedingung nicht erfüllt ist, ist gar kein Versprechen zustande gekommen.
die Aufrichtigkeitsbedingung für Versprechen: Paul muss beabsichtigen, H auszuführen. Wenn die Aufrichtigkeitsbedingung nicht erfüllt ist, ist Pauls Handlung ein
unaufrichtiges Versprechen.
Searles Einsichten:
· Analoge Inhalts‐, Vorbedingungs‐ und Aufrichtigkeitsbedingungen lassen sich ganz generell für Sprachhandlungen finden.
· Welche Sprechhandlung man vollzieht, hängt davon ab, welche Inhalts‐, Vorbedingungs‐ und Aufrichtigkeitsbedingungen in Kraft sind.
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