„In einer Welt, die überflutet wird von belanglosen Informationen, ist Klarheit Macht.“ 

- Yuval Noah Harari

Die DTA-Theorie der Naturgesetze

Die Dretske-Tooley-Armstrong Theorie (kurz: DTA-Theorie, auch: Universalientheorie) bezüglich Naturgesetze ist nach ihren Urvätern Fred Dretske, Michael Tooley und David Armstrong benannt. Da Armstrong die elaborierteste Version der DTA-Theorie vorgelegt hat und diese auch am meisten diskutiert wird, werde ich mich im Folgenden auf seine Version konzentrieren.

David Armstrongs Version besagt, dass ein Naturgesetz in der kontingenten Instanziierung einer irreduziblen, zweistelligen Relation der nomologischen Nezessiierung N zwischen erststufigen Eigenschaften (Universalien) besteht.

Die Nezessiierungsrelation N ist i.d.R. eine Relation zweiter Ordnung insofern sie zwischen Eigenschaften (Universalien) und nicht zwischen konkreten Einzeldingen (Partikularien der ersten Ordnung) besteht. Die Universalien (F, G) dahingegen sind Eigenschaften erster Ordnung insofern sie von Partikularen erster Ordnung instanziiert werden.[1] Ein deterministisches Gesetz hat nach Armstrong also die Form N(F, G) und seine Instanz hat die Form Fx à Gx.

Sehen wir uns ein Beispiel an: Es sei F das Universal aus Eisen zu sein und G das Universal elektrischen Strom zu leiten. Dann besteht das Gesetz, dass Eisen elektrischen Strom leitet, darin, dass F und G durch die Relation N verbunden sind, also dass der Sachverhalt N(F, G) besteht.

Die DTA-Theorie bietet eine elegante Lösung für Reichenbachs Problem:

(A) Für alle x: Wenn x aus Eisen ist, dann leitet x Strom.
(B) Für alle x: Wenn x ein Planet im Sonnensystem ist, dann hat x eine Masse von weniger als 1031 Gramm.

Reichenbachs Problem besteht darin, dass eine raffinierte Theorie bezüglich Naturgesetze zwischen wirklichen Naturgesetzen, wie ausgedrückt in (A), und bloßen akzidentiellen Verallgemeinerungen, wie ausgedrückt in (B), unterscheiden können muss. Die DTA-Theorie löst das Problem wie folgt: Dass alles aus Eisen Strom leitet ist ein Naturgesetz, weil die Nezessierungsrelation R von F und  G instanziiert wird. Aber dass alle Planeten im Sonnensystem eine Masse von weniger als 1031 Gramm haben ist kein Naturgesetz, weil die Nezessierungsrelation R diese beiden Eigenschaften nicht instanziiert.

Eine zentrale Behauptung von Armstrong lautet, dass sich diese Erzwingsungsrelation auf Universalienebene auf die Ebene der konkreten Instanziierungen überträgt. So soll nicht nur gelten, dass die Universalien F und G durch N verbunden sind, sondern auch, dass eine bestimmte Instanz von F eine bestimmte Instanz von G nomologisch erzwingt.

Im obigen Beispiel soll also die Erwärmung eines konkreten Eisenstoffes erzwingen, dass dieser Stoff Strom leitet. Um dies zu garantieren, haben Naturgesetze gemäß Armstrong ein eigentümliches Merkmal: sie sind nicht nur Sachverhalte der zweiten Ordnung, sondern gleichzeitig auch komplexe Relationen erster Ordnung (d. h. zweistellige Universalien erster Ordnung). Wenn also bspw. Fa (a ist aus Eisen) und Ga (a leitet Strom) Sachverhalte erster Ordnung ist, ist N(F, G) selbst eine Relation erster Ordnung, die zwischen Fa und Ga besteht. Somit ist der Sachverhalt N(F,G)(Fa,Ga) eine ihrer Instanziierungen.

Allerdings ist N allein ein Universal zweiter Ordnung, das von Universalien F und G erster Ordnung instanziiert wird. Das zusammengesetzte N(F,G) ist dahingegen ein Universal erster Ordnung, das von partikulären Sachverhalten wie Fa und Ga instanziiert wird.[2] So sind nach Armstrong partikuläre Sachverhalte, die unter ein Gesetz fallen, im buchstäblichen Sinne Instanzen der Gesetze, da sie die Relata der entsprechenden gesetzlichen Relation darstellen. Nach Armstrong ist ein Gesetz als Universal also eine zusätzliche irreduzible Entität, die als numerisch dieselbe in allen ihren partikulären Instanziierungen vollständig anwesend ist und diese somit vereint. Eine für Armstrong willkommene Konsequenz dessen ist, dass die nomologische Verbundenheit zweier Sachverhalte vollständig dadurch festgelegt ist, dass sie das entsprechende Gesetz instanziieren. Im Gegensatz zur Regularitätstheorie hängt diese naturgesetzliche Verbindung also nicht von Instanzen des Gesetzes in weit entfernten Raumzeit-Regionen ab.

Zusammenfassend ist ein Gesetz also ein zusätzlicher Sachverhalt N(F,G) zweiter Ordnung, der nicht auf seine partikulären Instanzen Fa und Ga, Fb und Gb etc. reduzierbar ist. Darüber hinaus ist N(F,G) aber auch eine zweistellige Relation erster Ordnung, die zwischen den partikulären Instanzen Fa und Ga, Fb und Gb etc. besteht. Das heißt, es gilt N(F,G)(Fa,Ga), N(F,G)(Fb,Gb) etc. Im Gegensatz zu neo-humeschen Regularitätstheorien, die darauf abzielen die Gesetze(sfakten) auf die Instanziierungen nicht-nomischer Eigenschaften zu reduzieren, postuliert die DTA-Theorie zusätzlich irreduzible gesetzliche und atomare Fakten beziehungsweise Relationen, die ihre Instanzen steuern und vereinen sollen.

1. Kritik

1.1. Inferenzproblem

Die Befürworter der DTA-Theorie behaupten, dass die Implikation N(F,G) à x(Fx àGx) besteht.[3] Das Faktum N(F,G) selbst bestehe zwar nur kontingenterweise, trotzdem aber impliziere es die entsprechende Regularität, dass alle Fs Gs sind. So beteuert Fred Dretske beispielsweise, dass "Gesetze universelle Wahrheiten implizieren"[4] und David Armstrong behauptet, dass "obwohl N(F,G) nicht logisch notwendig ist, es, wenn es denn gilt, auch die humesche oder kosmische Uniformität x(FxàGx) nach sich zieht"[5]

Ganz ähnlich bemerkt auch Michael Tooley, dass:

„[t]he fact that universals stand in certain relationships may logically necessitate some corresponding generalization about particulars, and that when this is the case, the generalization in question expresses a law.“

- Michael Tooley: The Nature of Laws (1977), S. 672.

Diese Behauptungen sind allerdings alles andere als trivial. Denn die DTA-Gesetze(-sfakten) sind ex hypothesi Fakten höherer Ordnung über die Verbindung von Universalien, die von den entsprechenden Regularitäten metaphysisch unabhängig sind. Deshalb kann es sich hier nicht um eine logische Erzwingungsrelation handeln. Bas van Fraassen[6] hat diesen Umstand als "Inferenzproblem" bezeichnet, was sich eingebürgert hat. Wenn die Implikationen zwischen Gesetzen und entsprechenden Regularitäten nicht einfach logischer Natur sind, dann muss der Vertreter der DTA-Theorie darlegen können, worin sie dann bestehen. Die Herausforderung für die DTA-Theorie besteht in den Worten von van Fraassen also darin, zu "zeigen, dass nach der vertretenen Gesetzestheorie die Aussage »es ist ein Gesetz, dass A« impliziert, dass A."[7]

Dass diese Herausforderung nicht einfach dadurch bewältigt werden kann, indem eine suggestive Nomenklatur verwendet wird, hat David Lewis auf sehr unterhaltsame Weise deutlich gemacht:

„Whatever N may be, I cannot see how it could be absolutely impossible to have N(F,G) and Fa without Ga. (Unless N just is constant conjunction, or constant conjunction plus something else, in which case Armstrong’s theory turns into a form of the regularity theory he rejects.) The mystery is somewhat hidden by Armstrong’s terminology. He uses ‘necessitates’ as a name for the lawmaking universal N; and who would be surprised to hear that if F ‘necessitates’ G and a has F, then a must have G? But I say that N deserves the name of ‘necessitation’ only if, somehow, it really can enter into the requisite necessary connections. It can’t enter into them just by bearing a name, any more than one can have mighty biceps just by being called ‘Armstrong’.“
- David Lewis: New Work for a Theory of Universals (1983), S. 366.

Dieses Problem stellt einen der bekanntesten und schwerwiegendsten Einwände gegen die DTA-Theorie dar. Die Herausforderung für die Vertreter einer DTA besteht noch einmal zusammengefasst in Folgendem: Die Relation, die zwischen N(F,G) und der entsprechenden Regularität x(Fxà Gx) besteht, muss einerseits die Implikation N(F,G) à x(Fx#Gx) stützen und andererseits auch die Unabhängigkeit der Gesetze von ihren Instanzen gewährleisten. Letzteres ist für den DTA-Theoretiker essentiell, da Gesetze ja ihre Instanzen erklären oder sogar steuern sollen! Kurz gesagt, die DTA-Theorie muss "erklären, inwiefern Gesetze als Relationen zwischen Universalien beides, Regularitäten implizieren und dennoch erklären können."[8]

Es werden vier Lösungsstrategien für das Inferenzproblem diskutiert:

1.1.1. Die stipulative Lösung

Van Fraassen schließt seine Diskussion von Armstrongs DTA-Theorie wie folgt ab:

„Nothing less than a bare postulate will do, for there is no logical connection between relations among universals and relations among their instances.“
- Bas van Fraassen: Laws and Symmetry (1989), S. 107

Die stipulative Lösung besteht darin, dass einfach eine primitive notwendige Verbindung zwischen N(F,G) und der entsprechenden Regularität postuliert wird. Jonathan Schaffer[9] hat beispielsweise vorgeschlagen, die Implikation N(F,G) à x(FxàGx) als ein (weiteres) Axiom der DTA-Theorie zu postulieren. Ein unmittelbarer Nachteil, der hiermit einhergeht, ist natürlich, dass eben nicht nur N(F,G), sondern auch die Verbindung zu seinen Instanzen ein weiteres unerklärtes Faktum der Theorie darstellt. Allerdings gibt es zwei weitere Schwierigkeiten mit dieser ‚Lösung‘ des Inferenzproblems, die weit schwerwiegender erscheinen, als bloß ontologisch verschwenderisch zu sein. 

Erstens scheint diese primitive metaphysische Verknüpfung mit Humes Diktum in Konflikt zu stehen. Wie erwähnt ist Armstrong ein Befürworter von Humes Diktum, das notwendige Verbindungen zwischen gänzlich distinkten Entitäten ausschließt. Dies trifft nach Armstrong auch auf Fakten wie N(F,G) zu.[10] Wenn nun also die Implikation ein primitives Faktum ist, liegt eine unerklärte notwendige Verbindung zwischen distinkten Entitäten vor, also zwischen N(F,G) und der entsprechenden Regularität beziehungsweise zwischen N(F,G), Fa auf der einen und Ga auf der anderen Seite. Entsprechend scheint dann die DTA-Theorie zumindest für Befürworter von Humes Diktum nicht mehr akzeptabel zu sein.

Zweitens unterscheidet sich N(F,G) durch die stipulierte Beziehung zu den Fakten  über seinen Instanzen wie Fa und Ga erheblich von legitimen theoretischen Postulaten, wie sie in den Wissenschaften vorkommen. So scheint es bspw. legitim, Elektronen zu postulieren, um unter anderem bestimmte sichtbare Spuren in einer Nebelkammer zu erklären. Dies ist deshalb legitim, da Elektronen in die bekannte und wohletablierte kausale Struktur der Welt eingebettet sind und somit weitere kausale Interaktionen, die Elektronen involvieren, zu erwarten sind: wenn energiereiche Elektronen mit Gasmolekülen kausal ‚interagieren‘, werden weitere kausale Interaktionen mit anderen Partikeln auftreten. Nicht zuletzt deshalb ist die Annahme von Elektronen unabhängig überprüfbar und somit nicht ad hoc. Nach der stipulativen Lösung ist dies im Fall von N(F,G) radikal anders. Es wird nicht nur eine theoretische Entität stipuliert, nämlich N(F,G), sondern zusätzlich ein primitiver Erzwingungsnexus, der sicherstellt, dass N(F,G) die Regularität x(FxàGx) hervorbringt. Dies jedoch lässt keinerlei weitere Interaktionen erwarten, die als unabhängige Evidenz für N(F,G) dienen könnte. Die stipulative Lösung ist also mit Armstrongs metaphysischen Kernüberzeugungen unvereinbar und unterscheidet N(F,G) überdies grundlegend von theoretischen Entitäten, wie sie in den Wissenschaften vorkommen.

1.1.2. Die essenzialistische Lösung

Die essenzialistische Lösung besteht darin zu behaupten, dass die Regularität x(Fx à Gx) zum Wesen oder der Realdefinition von N(F,G) gehört, und deshalb wenn N(F,G) vorliegt, auch x(Fx à Gx) bestehen muss.[11] Unter Hinzunahme der Annahme, dass essenzialistische Fakten auch (metaphysisch) notwendig sind[12], bestünde das von Armstrong behauptete Implikationsverhältnis. Die Implikation wäre demnach auch kein unerklärtes Postulat, sondern läge in der Natur von N(F,G) selbst begründet: Das Bestehen von x(Fx à Gx) macht N(F,G) zu der Entität, die sie ist.

Jedoch gibt es auch mit dieser Lösung zwei gewichtige Probleme. Das erste  Problem besteht darin, dass die essenzialistische Lösung dem von Armstrong bevorzugsten Quidditismus beziehungsweise Kategorialismus widerspricht, nach dem die Instanziierung einer Eigenschaft keinerlei modale Einschränkungen bezüglich des Bestehens anderer Fakten nach sich zieht. Die Instanziierung von N(F,G) jedoch tut genau dies, indem sie qua ihrer Natur erzwingt, dass auch das universelle Faktum x(FxàGx) bestehen muss. Die DTA-Theorie droht bei einer Aufgabe des Kategorialismus aber in eine dispositionalistischen Theorie bzgl. Naturgesetze zu kollabieren, gegen die Armstrong vehement argumentiert.[13]

Das zweite Problem dieser Lösung besteht darin, dass Gesetze ihre Unabhängigkeit von ihren Instanzen verlieren, wenn N(F,G) essenziell an die entsprechende Regularität gebunden wird. Nach Armstrong und Dretske jedoch ist diese Unabhängigkeit unabdingbar dafür, dass Gesetze ihre Instanzen erklären oder sogar steuern können. Dies liegt daran, dass solche essenzialistischen Wahrheiten üblicherweise essenzielle Abhängigkeiten induzieren.[14] Um wieder zum Beispiel des Elektrons zurückzukommen: dass etwas ein Elektron ist, ist essenziell davon abhängig, dass es negative Elementarladung trägt, womit plausibler Weise auch eine explanatorische Abhängigkeit einhergeht. Dass ein bestimmtes Elektron negative Elementarladung trägt, macht es zu dem, was es ist, und ist somit (zumindest partiell) konstitutiv dafür, ein Elektron zu sein. Wenn dem im Allgemeinen so ist, ist nach der essenzialistischen Lösung auch N(F,G) von der entsprechenden Regularität beziehungsweise ihren partikulären Instanzen essenziell abhängig und somit zumindest teilweise durch letztere konstituiert.

Die essenzialistische Lösung scheint das Inferenzproblem also zwar zu lösen, allerdings nur zum Preis der Aufgabe der Unabhängigkeit der Gesetze, die nach Annahme der prominentesten DTA-Theoretiker unverzichtbar dafür ist, dass Gesetze ihre Instanzen erklären oder sogar steuern können.

1.1.3. Die Abstraktionslösung

Davon Armstrong[15] selbst schlägt eine Lösung vor, die der vorhergehenden in relevanter Weise ähnlich ist. Seine zentrale Idee lässt sich verkürzt wie folgt illustrieren: Nehmen wir eine singuläre kausale Relation zwischen singulären Sachverhalten (engl. token states of affairs) an, schematisch als Fa verursacht Ga dargestellt. Nach Armstrong kann hieraus der Sachverhaltstyp _ ist F verursacht _ist G abstrahiert werden, worin _ist F beziehungsweise _ist G den Sachverhaltstyp, dass etwas F beziehungsweise G ist, symbolisiert.[16]

Armstrong fährt fort und identifiziert den Sachverhaltstyp _ist F verursacht _ist G mit dem Bestehen der nomologischen Nezessiierung zwischen F und G, also N(F,G). Um die Identifikation der naturgesetzlichen mit der kausalen Verknüpfung zu betonen, ersetzt Armstrong N durch C, abkürzend für das englische causation.[17][18] Wir können Armstrong zugestehen, dass, falls N(F,G) beziehungsweise C(F,G) ausschließlich als Abstraktion aus partikulären kausalen Verknüpfungen besteht, die Existenz der ersteren die Existenz der letzteren impliziert. Jedoch kann auch hier von der Unabhängigkeit der Gesetze von ihren partikulären Instanzen keine Rede mehr sein. Im Gegenteil, die Naturgesetze als bloße Abstraktionen scheinen ontologisch vollständig von ihren partikulären Instanzen abhängig. Wie Stephen Mumford treffend bemerkt hat, ist dies mit der Steuerungskonzeption der Gesetze unvereinbar:

It looks as though the fundamental necessitations occur at the level of tokens, and the types, as Armstrong says, are abstractions from such tokens and exist only in such tokens. But then what justification is there for Armstrong’s claim that the connection between the types, the universals, is the direct or primary connection, which then governs the connection between the tokens or instances? How can the law govern its instances if it is only an abstraction from them?

- Stephen Mumford: David Armstrong (2007), S. 56.

1.1.4. Die nomologisch-kausale Lösung

Die vierte und letzte Lösungsstrategie besteht darin, dass auch zwischen zwischen N(F,G) und der entsprechenden Regularität eine Verknüpfung der nomologischen Nezessiierung postuliert wird. Zwar würde das keine strikte Implikation liefern, aber trotzdem einen robusten Übergang zwischen Gesetz(esfakt)en und Regularitäten garantieren. N(F,G) würde die entsprechende Regularität x(Fx à Gx) nur nomologisch erzwingen, so wie eine Instanz von F eine Instanz von G nomologisch erzwingt. Falls erfolgreich, hätte dies auch den Vorteil, dass die gesuchte (nun bloß nomologische) Nezessiierung mit Ressourcen bewerkstelligt würde, die die DTA-Theorie ohnehin schon postuliert und die, zumindest nach Armstrong, kompatibel mit den der DTA-Theorie zugrundeliegenden humeschen Annahmen sind.

Allerdings bringt auch diese Lösung mehrere schwerwiegende Probleme mit sich. Das erste Problem, das noch am wenigsten gravierend ist, besteht darin, dass der Begriff der nomologischen Nezessierung erheblich erweitert werden muss. Die nomologische Nezessiierung muss also nicht nur zwischen Universalien, wie im Fall N(F,G), und zwischen Sachverhalten, wie im Fall N(F,G)(Fa,Ga), bestehen können, sondern auch ‚transkategorial‘, nämlich beispielsweise zwischen dem Faktum N(F,G) zweiter Ordnung und der Regularität x(FxàGx).

Das zweite Problem besteht darin, dass dadurch auch Armstrongs Identifikation der nomologischen Nezessiierung mit der generischen Kausalitätsrelation höchst problematisch erscheint, da nach dieser Auffassung Gesetze selbst als Ursachen betrachtet werden müssen. Dies ist wenig plausibel: "A law is a ‚because‘ but not a cause."[19]. Es scheint sich sogar um einen Kategorienfehler zu handeln, wenn behauptet wird, dass ein Gesetz selbst etwas verursacht: „[I]t sounds odd to say that the Law of Inertia itself causes the body to remain at rest, since it seems similar to a category mistake to ascribe causality to the very laws.“[20]

Da dritte Problem besteht darin, dass wenn N(F,G) nur metaphysisch kontingenterweise mit der Regularität x(Fx à Gx) verbunden ist, ebenso wie die Nezessiierung zwischen den Universalien F und G, gibt es metaphysisch mögliche Welten, in denen das Gesetz N(F,G) besteht, aber nicht die entsprechende Regularität beziehungsweise Welten, in denen N(F,G) besteht und Fa der Fall ist, aber nicht Ga. Der nomologisch kausale Lösungsansatz hat also zur Folge, dass Gesetze, obwohl sie bestehen, dort gänzlich ‚impotent‘ sind.[21]

Das vierte Problem besteht darin, dass die Postulierung einer weiteren nomologischen Nezessiierung zwischen N(F,G) und x(Fx à Gx) in einen vitiösen unendlichen Regress führt.[22] Wie oben dargestellt, ist N(F,G) unter anderem dazu eingeführt worden, um zu erklären, warum F-Instanziierungen nicht ohne G-Instanziierungen auftreten. Nach der nomologisch-kausalen Lösung muss, um dies zu erklären, N(F,G) jedoch selbst durch eine Relation der nomologischen Nezessiierung mit x(Fx à Gx) verbunden sein, das heißt, wir brauchen eine weitere Nezessiierungsrelation, N*(N(F,G),x(Fx à Gx)). Das Problem besteht nun darin, dass sich auf ganz analoge Weise die Frage stellt, wie nun N* dafür sorgt, dass wenn sie zwischen N(F,G) und x(Fx à Gx) besteht, das erste nicht ohne das letztere auftreten kann. Es scheint also, dass eine weitere Erzwingungs-relation N**(N*(N(F,G),x(Fx à Gx)), N(F,G) à x(Fx à Gx)) benötigt wird, die dafür sorgt, dass die strikte Korrelation auf einer ‚tieferen Ebene‘ besteht. Da sich dieselbe Frage auf jeder Ebene stellt, entsteht ein unendlicher Regress von Nezessiierungsfakten. Dieser Regress scheint vitiös zu sein, da nomologische Erzwingungsrelationen nur dann ihre explanatorische Rolle erfüllen können, wenn weitere Erzwingungsrelationen derselben Art postuliert werden. Unter der Annahme, dass Instanziierungen der Nezessiierungsrelation Naturgesetzen entsprechen, hat dieser Regress überdies zur Folge, dass es unendlich viele ‚Meta-Gesetze‘ höherer Stufe gibt. Es darf bezweifelt werden, dass die Physiker eines Tages eine solche Hierarchie von Gesetzen entdecken werden.

1.2. Symmetrie-, Erhaltungs-, und Kraftgesetze

Die DTA-Theorie gilt vielerorts als wissenschaftlich gut begründet, da viele Kandidaten für Naturgesetze aus den Wissenschaften Verbindungen zwischen Eigenschaften oder Größen auszudrücken scheinen. Ein zweiter Blick auf die wissenschaftliche Praxis verrät, dass dies aber nur die halbe Wahrheit ist.

So bemerkt David Armstrong selbst:

„One may be troubled by the suspicion that not all laws of nature are causal laws. It is a bit troubling, I would concede. Perhaps the conservation laws that play such an important role in physical theory are not causal laws. Causal laws ensure (or make probable to a particular degree) a certain outcome. But perhaps there are ensurings that are not causal.“

- David Armstrong: Sketch for a Systematic Metaphysics (2010), S. 40.

Die DTA-Theorie kann nur kausale Gesetze modellieren (siehe oben). Das ist ein riesen Problem für diese Theorie, da Symmetrieprinzipien und entsprechende Erhaltungsgesetze eine eine zentrale Rolle in der modernen Physik einnehmen.[23] Dabei handelt es sich aber auch bei einer großzügigen Lesart nicht um kausale Gesetze. Selbst Kraftgesetze wie das Gravitationsgesetz und Coulombs Gesetz oder das Gesetz idealer Gase scheinen keine kausalen Gesetze zu sein. Und selbst im Falle unserer besten Kandidaten für die dynamischen Gesetze, wie beispielsweise die Schrödingergleichung, ist es mitnichten ausgemacht, dass diese kausal zu interpretieren sind. Damit scheint das metaphysische Korsett, in welche die DTA-Theorie die Naturgesetze presst, zu unflexibel, um die Vielzahl wissenschaftlicher Gesetze - insb. nicht-kausale Gesetze - adäquat abzubilden.

Siehe auch

Fußnoten

[1] Nach Armstrong (1983, S. 99) ist N von variabler Ordnung, da N zumindest prinzipiell auch Universalien höherer Ordnung verbinden kann. Des Weiteren muss es sich nach Armstrong (1983, S. 83) bei den durch N verbundenen Universalien nicht um einfache oder atomare Universalien handeln, da N prinzipiell auch komplexe konjunktive Universalien verbinden kann.

[2] Ob N(F,G) sowohl ein Sachverhalt zweiter Ordnung als auch ein Universal erster Ordnung sein kann, ist umstritten (siehe Armstrong (1983), S. 90).

[3] Die umgekehrte Implikation besteht allerdings nicht, wie Armstrong (1983), S. 87 betont.

[4] Dretske (1977), S. 253 (übersetzt).

[5] Armstrong (1983), S. 85 (übersetzt).

[6] Van Fraassen (1989), S. 29.

[7] ebd., S. 81.

[8] Armstrong (1993), S. 422 (übersetzt).

[9] Schaffer (2016)

[10] Armstrong (1997), S. 235

[11] Bird (2005), Barker und Smart (2012)

[12] siehe Fine (1994)

[13] Armstrong (1983, 1997)

[14] siehe Fine (1994)

[15] Armstrong (1997), S. 226–230; Armstrong (2010), S. 38–40.

[16] Solche Sachverhaltstypen identifiziert Armstrong (1997) mit Universalien.

[17] Armstrong (1997), S. 228.

[18] Die Gleichsetzung von N mit Kausalität nutzt Armstrong ((1993), (1997)) zudem dazu, um ein weiteres Problem zu lösen, das von Bas van Fraassen (1989), S. 96–109 als Identifikationsproblem bezeichnet wird. Instanziierungen der Kausalrelation und somit von N können direkt wahrgenommen werden: "The Identification problem is solved via our direct awareness, in certain favourable cases, of causation in the token case" (Armstrong (1997), S. 228). Diese Idee wird von Schrenk (2014) weiterentwickelt.

[19] Lange (2009), S. 288

[20] Maudlin (2007), S. 155 f.

[21] Schaffer (2008), S. 99

[22] Bird (2005, 2007)

Literaturverzeichnis

Hauptliteratur

Schrenk, Markus und Jaag, Siegfried (2020). Naturgesetze. Berlin: DeGruyter.

weitere Literatur

Armstrong, David M. (1983). What Is a Law of Nature?. Cambridge: Cambridge University Press.

Armstrong, David M. (1997). A World of States of Affairs. Cambridge: Cambridge University Press.

Armstrong, David M. (2010). Sketch for a Systematic Metaphysics. Oxford: Oxford University Press.

Barker, Stephen und Smart, Ben (2012). The Ultimate Argument Against Dispositional Monist Accounts of Laws. In: Analysis 72(4), S. 714 – 722.

Bird, Alexander (2005). The Ultimate Argument against Armstrong’s Contingent Necessitation View of Laws. In: Analysis 65 (286), S. 147 – 155.

Bird, Alexander (2007). Nature’s Metaphysics: Laws and Properties. Oxford: Oxford University Press.

Dretske, Fred (1977). Laws of Nature. Philosophy of Science 44, S. 248 – 268.

Fine, Kit (1994). Essence and Modality. In: Philosophical Perspectives 8, S. 1–16.

Lange, Marc (2009). Why Do the Laws Explain Why? In: Toby Handfield (Hg.): Dispositions and Causes. Oxford: Oxford University Press, S. 286–321.

Lewis, David (1983). New Work for a Theory of Universals. In: Australasian Journal of Philosophy 61, S. 343 – 377.

Maudlin, Tim (2007): The Metaphysics Within Physics. Oxford: Clarendon Press.

Mumford, Stephen (2007). David Armstrong. Chesham: Acumen.

Schaffer, Jonathan (2008). Causation and Laws of Nature: Reductionism. In: Theodore Sider, John Hawthorne & Dean W. Zimmerman (Hg.): Contemporary Debates in Metaphysics. Oxford: Blackwell, S. 82 – 107.

Schaffer, Jonathan (2016). It is the Business of Laws to Govern. In: Dialectica 70, S. 577 – 588.

Schrenk, Markus (2014): Die Erfahrung der Widerständigkeit der Welt als Wahrnehmung kausaler Kraft. In: Anne S. Spann & Daniel Wehinger (Hg.): Vermögen und Handlung. Der dispositionale Realismus und unser Selbstverständnis als Handelnde. Münster: Mentis, S. 23–62.

Tooley, Michael (1977). The Nature of Laws. Canadian Journal of Philosophy 7, S. 667 – 698.

Van Fraassen, Bas C. (1989). Laws and Symmetry. Oxford: Oxford University Press.

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Kommentare: 1
  • #1

    Philoclopedia (Montag, 09 November 2020 19:56)

    „Die Dretske-Tooley-Armstrong Theorie oder kurz DTA-Theorie stellt die Beobachtung in den Mittelpunkt, dass Naturgesetze fundamentale physikalische Eigenschaften oder Quantitäten miteinander in Beziehung setzen. Dementsprechend postuliert sie, dass die Gesetzmacher in Instanziierungen irreduzibler Relationen (s. Kap. 13) zwischen solchen Eigenschaften bestehen. Da ihre Hauptvertreter Armstrong (1983), Dretske (1977) und Tooley (1977) natürliche Eigenschaften mit Universalien (s. Kap. 9) identifizieren, wird die DTA-Theorie auch als Universalientheorie der Gesetze bezeichnet.

    Aus Platzgründen beschränken wir uns im Folgenden auf David Armstrongs Version der DTA-Theorie. Hiernach besteht ein Naturgesetz in der kontingenten Instanziierung einer einzigen, irreduziblen (zweistelligen) nomologischen Nezessierungsrelation N zweiter Stufe zwischen Universalien F und G, oder kurz N(F,G). Demnach ist ein Naturgesetz also keine quantifizierte Wahrheit über partikuläre Objekte, sondern ein atomarer Sachverhalt über die nomologische Verknüpfung von Universalien. N(F,G) ist nach Armstrong jedoch nicht nur ein (zweitstufiger) Sachverhalt, sondern gleichzeitig ein (erststufiges) Universal. Wenn also Fa und Ga erststufige Sachverhalte sind, ist der Sachverhalt N(F,G)(Fa,Ga) eine Instanziierung eines Gesetzes. Demnach sind die partikulären Sachverhalte, die unter ein Naturgesetz fallen, Instanzen des Gesetzes im engsten Sinne, da sie das Gesetz als dessen Relata buchstäblich instanziieren. Das Gesetz als Universal ist eine Extra-Entität über ihre Instanzen hinaus, die diese verknüpfen und, aufgrund ihrer ontologischen Unabhängigkeit, diese erklären oder sogar ›steuern‹ soll.

    Diese ›metaphysische Distanz‹ zwischen N(F,G) und dessen Instanzen ist jedoch auch einer der beiden Hauptquellen für die gewichtigsten Einwände gegen die DTA-Theorie: So haben van Fraassen und Lewis eingewendet, dass die DTA-Theorie den (nicht-logischen) Übergang zwischen dem höherstufigen nomologischen Sachverhalt N(F,G) und dem nichtnomologischen (universellen) erststufigen Faktum ∀ x ( Fx → Gx ) ungeklärt lässt (Inferenzproblem). Wenn dieser Übergang aber problematisch bleibt, ist es auch fraglich, wie N(F,G) Fakten über ihre Instanzen erklären oder sogar ›steuern‹ kann (s. Kap. 59). Die zweite Problemquelle betrifft die Kontingenz des Sachverhalts N(F,G). Wenn das Gesetz N(F,G) nur kontingent besteht, wie kann es die Quelle für eine genuine nomologische Notwendigkeit sein. Die dritte Klasse von Einwänden bezieht sich auf die mangelnde deskriptive Adäquatheit der DTA-Theorie. Erstens scheint aufgrund des Bezugs auf natürliche Eigenschaften auch die DTA-Theorie keine Passung zwischen Naturgesetzen und wissenschaftlichen Gesetzen zu garantieren; und zweitens, scheint Armstrongs spätere Auffassung, dass N identisch mit der (generischen) Kausalrelation ist (vgl. Armstrong 1997, 228), mit nicht-kausalen Gesetzen unverträglich.“

    zitiert aus: Andreas Hüttemann: Naturgesetze. In: Andreas Bartels, Manfred Stöckler: Wissenschaftstheorie – ein Studienbuch, S. 135 – 154.


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