Vollgeld

In einem Vollgeldsystem obliegt das Recht auf Geldschöpfung ausschließlich einer staatlichen, von der Öffentlichkeit kontrollierten Instanz (siehe auch: Monetative). Für dieses Ziel kann zunächst der Mindestreservesatz für Geschäftsbanken auf 100 Prozent angehoben werden (full-reserve-banking), woraufhin die private Giralgeldschöpfung durch Kreditvergabe unterbunden und nur noch Basisgeld im Umlauf wäre. Als letzten Schritt würde man mit den Geldmengen M0 und M1 alles bare und unbare Geld einmalig in eine einzige Geldmenge M und somit in ein einheitliches, gesetzlich vollwertiges Zahlungsmittel überführen.

Eine Vollgeldreform würde die Macht der Zentralbanken erheblich ausweiten, und die der Geschäftsbanken minimieren.
Eine Vollgeldreform würde die Macht der Zentralbanken erheblich ausweiten, und die der Geschäftsbanken minimieren.

1. Systemische Grundlagen

Ein substantieller Zwischenschritt zwischen Ist-Zustand und Vollgeldsystem könnte die Anhebung des Reservesatzes auf 100% sein. Buchhalterisch gesprochen wären in einer solchen Übergangsphase alle Sichteinlagen auf der Passivseite der Bilanz einer Geschäftsbank in Gänze durch Notenbankgeld auf der Aktivseite gedeckt. Um zu verstehen, was dies alles bedeutet und beurteilen zu können, was wir davon halten, schauen wir uns anfangs die volkswirtschaftlichen Grundlagen der Geldschöpfung an.

1. Full-reserve banking

Denken wir uns zunächst ein System mit 100%iger Reservehaltung, wie es die Vollgeldsystemtheoretiker propagieren. Lassen Sie uns weiterhin annehmen, die gesamte Bargeldmenge betrage 100€, das Geldangebot in unserer Volkswirtschaft beläuft sich damit auch auf 100€. In unserer Welt gibt es überdies genau eine einzige Bank, die ja aber keine Kredite vergeben bzw. Geld schöpfen darf und sich daher als Einlage-Institution spezialisiert hat. Der Zweck dieser Bank besteht darin, den Einlegern eine sichere Geldaufbewahrungsalternative zum Kopfkissen zu bieten.

Zahlt ein Kunde Geld an der Bank ein, wird dieses im Tresor aufbewahrt, bis der Kunde wiederkommt und sein Geld abheben möchte. Dann holt die Bank das Geld aus dem Konto und gibt es dem Kunden wieder, vielleicht ein klein wenig weniger, weil sie auch Profit machen möchte. Solche Einlagen, die Banken erhalten, aber nicht weiterverleihen, heißen Reserven. Reserven sind also auch so, wie man sie nennt, Reserven für den Fall, dass der Kunde sein Geld abheben möchte. In unserer fiktiven Volkswirtschaft werden alle Einlagen als Reserven gehalten, es handelt sich daher um ein 100&iges Reservesystem bzw. Vollgeldsystem.

Die Situation der einen Bank lässt sich mittels eines einfachen T-Kontos darstellen. Ein T-Konto ist eine einfache, buchhalterische Tabelle, die die Forderungen (Aktiva) und Verbindlichkeiten (Passiva) einer Bank vergleicht:

Aktiva

Passiva

Reserven: 100€

Einlagen: 100€

Links sehen wir den Geldbetrag, den die Bank im Tresor hält und rechts ist die Höhe des Betrages abgebildet, dem die Bank dem Kunden schuldig ist. Wie in jedem Vollgeld- bzw. 100%-Reservesystem entsprechen sich diese beiden Werte. Aktiva und Passiva unserer Bank sind also genau gleich hoch.

Entscheidend ist noch, dass ihre Bankiers offensichtlich keinen Einfluss auf die Geldmenge besitzen, sofern sie die gesamten Einlagen noch als Reserven halten wollen. Vor der Eröffnung der ersten und einzigen Bank betrug das Geldangebot 100€, das die Bewohner als Bargeld hielten. Dann kam die Bank ins Spiel und die Bewohner legten ihr Geld bei ihr an, aber auch dann betrug die Geldmenge noch weiterhin 100€, nun eben in Form von Giroanlagen. Oder einfacher gesagt: Zuvor zirkulierten 100€ unter den Leuten, jetzt liegt „das gleiche Geld“ im Tresor der Bank. Ein jede getätigte Bankeinlage reduziert die Bargeldmenge und erhöht die Einlagesumme um denselben Betrag, die Gesamtgeldmenge bleibt aber unverändert gleich.

2. Partielles Reservesystem

Liegt der Mindestreservesatz jedoch bei unter 100%, was bei unserem System gegenwärtig der Fall ist, können Geschäftsbanken auf die zirkulierende Geldmenge einwirken, was nicht weniger bedeutet als durch die Hintertür ihr eigenes (Giral-)Geld schöpfen! Will verkürzt heißen, Zentralbanken sind entgegen der landläufigen Auffassung derzeit nicht die einzigen Geldemittenten im Spiel, ja, von ihnen stammt sogar nur ein ganz kleiner Teil des weltweiten Geldangebotes. Wie es dazu kommt, wollen wir uns wieder ganz einfach und Schritt-für-Schritt anschauen.

Im Aufsichtsrat unserer „Unikum-Bank“ fängt man an die 100%ige Reservehaltung zu überdenken. Alles Geld untätig im Tresor liegen zu lassen, wenngleich doch gleichzeitig nur Bruchteil nachgefragt wird, scheint nicht die gewinnbringendste Strategie zu sein. Weshalb nicht einige Einlagen als Kredite weiterverleihen? So können Familien ihre Häuser finanzieren, Unternehmungen Investitionen für die Zukunft tätigen und die Bank selbst „das Geld arbeiten lassen“, sprich Zinsen für die Darlehen verlangen. Selbstverständlich wird die Unikum (unsere Bank) immer noch Reserven zurückhalten müssen, um Abhebungen bedienen zu können, aber eben nur partiell. Ein solches Bankensystem, in dem Banken nur einen bestimmten Prozentsatz kleiner 100 ihrer Einlagen als Reserve halten müssen, bezeichnet man als partielles Reservesystem.

Die Höhe des Reservesatzes, also den prozentualen Anteil der Einlagen, die eine Bank als Reserven hält, wird durch die Politik der Zentralbank verfügt werden. So verlangt die Chinesische Volksbank einen rigiden Mindestreservesatz von 20%, das US-Amerikanische Federal Reserve System 10%, die Europäische Zentralbank 1% und einige Länder gar keinen Reservesatz. Dabei handelt es sich wohlgemerkt nur um eine Grenze nach unten. Natürlich können Banken auch über den festgelegten Satz hinaus noch Reserven halten, sogenannte Überschussreserven, falls sie bspw. befürchten müssen ansonsten in Liquiditätsprobleme zu geraten.

Gehen wir für unsere U-Bank von einem 10%igen Reservesatz aus. Das heißt, die Bank hält jede zehnte Einlage als Reserve zurück und verleiht den Rest an ihre Kunden. Lassen wir uns einen Blick auf das T-Konto einer solchen Bank werfen:

Aktiva

Passiva

Reserven: 10€

Einlagen: 100€

Kredite: 90€

 

Immer noch stehen 100€ auf der Passivseite, weil die Bewohner nach wie vor 100€ bei der Bank eingelegt haben. Auf der Aktivseite hat sich jedoch etwas verändert, wo früher nur eine Position stand, stehen jetzt zwei: 10€ liegen als Reserven im Tresor und 90€ wurden als Kredite weitervergeben. In Summe bleiben Aktiv- und Passivseite immer ausgewogen.

Betrachten wir nochmals das Geldangebot in dieser Volkswirtschaft. Bevor die U-Bank Kredite vergeben hat und mit einem 100%igen full-reserve-system entsprach die Geldmenge 100€. Vergibt die U-Bank nun einen Kredit, steigt das Geldangebot. Die Bevölkerung hat immer noch 100€ auf ihren Bankkonten angelegt, zusätzlich hält sie jetzt aber 90€ an Krediten. Das Geldangebot beträgt nun 190€. Die Menschen der Volkswirtschaft sind sowohl Gläubiger (Einlagen), als auch Schuldner (Kredite) bei der Bank. Halten wir also fest: Wenn Banken einen bestimmten Prozentsatz kleiner 100 ihrer Einlagen als Reserven halten, können sie mit dem restlichen Geld neues Geld schöpfen, indem sie neues Guthaben auf ein Kundenkonto buchen.

Solange ein Kunde auf dieses geschäftsbankgeschöpfte Geld, das beispielsweise dadurch entsteht, dass die Bank einen Kredit an einen Kunden vergibt, zugreifen kann, handelt es sich um eine zweite Art von Geld: Das Giralgeld, das als Gutschrift auf Bankkonten liegt neben dem Zentralbankgeld, das aus Bargeld und den Guthaben der Banken bei der Notenbank besteht. Folglich ist das Giralgeld auch nur im Innenverhältnis zwischen Kunde und Bank einsetzbar, bei allen anderen Zahlungen ist Zentralbankgeld erforderlich.

Durch neues Giralgeld wächst auch nicht das gesamtvolkswirtschaftliche Vermögen, sehr wohl aber wird eine Volkswirtschaft liquider (da ja mehr Geld vorhanden ist). Kredite der Uni-Bank schaffen bspw. zwar mehr Geld, gleichzeitig aber auch die Rückzahlungsverpflichtung des Schuldners, sodass die giralgeldschöpfende Kreditaufnahme die Volkswirtschaft unterm Strich weder reicher noch ärmer macht. Anders ausgedrückt entsteht bei der Giralgeldschöpfung eine Schuldensumme in gleicher Höhe, man könnte in dem Sinne auch von einem „Schuldgeld“ reden.

2.1. Geldschöpfungsmultiplikator

In einer Realwirtschaft existieren viel mehr Banken als nur die „Unikum“ und dementsprechend hört die girale Geldschöpfung auch nicht bei der ersten Bank auf. Beispielsweise dann nicht, wenn der Schuldner A der Unikum die geliehenen 90€ verwendet, um sich davon etwas bei B zu kaufen und B das erhaltene Bargeld auf sein Konto bei einer zweiten, neueröffneten Bank einzahlt. Das sieht dann so aus:

Aktiva (2)

Passiva (2)

Reserven: 9€

Einlagen: 90€

Kredite: 81€

 

Die Verbindlichkeiten der Bank 2 gegenüber B belaufen sich auf 90€. Hat auch Bank 2 einen Reservesatz von 10%, wird sie davon 9/10, also 81€ weiterverleihen und die restlichen 9€ als Reserven halten können. Die weiterverliehenen 81€ waren zuvor nicht da und werden, ebenso wie die 90€ zuvor, erst mit der Kreditvergabe geschöpft. Spinnen wir das Ganze noch weiter. Zahlt der Empfänger der 81€ jenes Geld bei einer Bank 3 ein, wird diese 8,10€ als Reserven halten müssen und in der Lage sein weitere 72,90€ aus dem Nichts zu schöpfen. Das T-Konto für die Dritte Bank sieht so aus:

Aktiva (3)

Passiva (3)

Reserven: 8,10€

Einlagen: 81€

Kredite: 72,90€

 

Theoretisch setzt sich dieser Prozess immer weiter fort. Geld wird bei einer Bank eingelegt, die vergibt dieses als Kredit, neues Geld wird geschöpft, Geld wird bei der Bank angelegt … . Man spricht hier vom multiplen Geldschöpfungsprozess. Praktisch erlahmt dieser aber recht bald, weil immer wieder etwas als Reserve abgezwackt werden muss und es kann nicht ewig viel Geld aus einem Startkapital geschöpft werden. Aus unserem Beispiel mit 100€ Startkapital und 10% Reservesatz können am Ende maximal 1.000€ generiert werden:

Ursprüngliches Geldangebot: 100€
Kreditvergabe Bank 1: € 90,00 [0,9 x 100€]
Kreditvergabe Bank 2: € 81,00 [0,9 x 90€]
Kreditvergabe Bank 3: € 72,90 [0,9 x 81€]

Kreditvergabe Bank 4: € 65,61 [ 0,9 x 72,90€]

maximales Geldangebot: € 1.000

Das Geldangebot, das ein Bankensystem aus einem Euro ursprünglicher Einlage schöpft, nennt sich Geldschöpfungsmultiplikator. In unserem Beispiel beträgt der Geldschöpfungsmultiplikator 10. Dabei ist der Geldschöpfungsmultiplikator der Kehrwert des Reservesatzes. Wenn R der Reservesatz für alle Banken einer VW darstellt, so können aus jeder Geldeinheit an Einlagen 1/R Geldeinheiten erzeugt werden. R beträgt in unserem Beispiel 1/10, der Kehrwert von 0,1 ist 10 und entspricht dem Geldschöpfungsmultiplikator in unserer fiktiven Volkswirtschaft.

Diese einfache Formel verdeutlicht den Zusammenhang zwischen Reservesatz und zusätzlich schöpfbarer Geldmenge. Beläuft sich der Reservesatz auf 5%, so müssen zwanzigmal so viele Einlagen wie Reserve im Bankensystem vorhanden sein, womit der Geldschöpfungsmultiplikator 20 beträgt. Ein Euro an Reserve hätte das limitierte Potential zu 5 weiteren Giraleuro zu führen. Ganz allgemein gilt: Je höher der Reservesatz, desto geringer die verliehene Kreditsumme, desto geringer der Geldschöpfungsmultiplikator. Im Sonderfall des eingangs untersuchten 100%igen Reservesystems liegt der Reservesatz und der Geldschöpfungsmultiplikator bei je 1, was de facto bedeutet, dass die Geschäftsbanken kein zusätzliches Geld schöpfen können. Und genau gen einem solchem Voll-Zentralbank-Geld-System streben die Vollgeldsystemtheoretiker.

2. Von 100%-Money zu Vollgeld

Sie streben aber noch weiter. 100%-Reservesystem ist nämlich nicht gleich Vollgeldsystem, auch wenn das selbst Themenbelesene oft durcheinanderbringen. In einem 100%-Reservesystem existieren nach wie vor „Reserven“ und auch ein zweiter Geldkreislauf mit Bankengeld als Zahlungsmittel, während Vollgeld nur eine Geldmenge M beansprucht und quasi „selbst Reserve ist“.

Im Wesentlichen sind 100%-Reservesystem und Vollgeld aber dasselbe. M0 (100%) ist genauso groß wie die Geldmenge M (VG) und M1 (100%) entspricht der Geldmenge M (VG) ohne die Zahlungsreserven der Banken und umfasst alles Geld außerhalb des Bankenbesitzes. M (VG) umfasst ebenso alles Geld im Besitze von Nichtbanken ohne Zahlungsreserven. Also würde man etwa die Geldmengen M0 und M1 in eine einzige Geldmenge M, um damit das ganze System von einem 100%-Mindestreservesystem zu einem Vollgeldsystem mit zu wandeln. Aber das ist schon wieder recht kompliziert, wichtig ist, dass 100%-Reservesystem und Vollgeld fast, aber nicht ganz das Gleiche sind.

Und, dass auch nach der Umstellung die Geldkonten der Kunden weiterhin von einer Bank geführt werden, das Vollgeld-Guthaben ist dann aber getrennt von den Mitteln der Bank und befindet sich im unmittelbaren Besitz des Kunden, wie die Münzen in seiner Brieftasche. Mit anderen Worten: Die Banken stellen nichts Gefährliches mit seinem und Ihrem Geld an.

3. Vorteile

Hier der Versuch einer Zusammenfassung der häufigsten Argumente, die aus der Sicht der Vollgeld Befürworter für ihre Idee sprechen (bzw. zu sprechen scheinen). Aber Vorsicht! Manche Argumente sind gut und stichhaltig, andere wiederum wirken aber nur so, in Wirklichkeit sind sie jedoch oft hochspekulativ, zu stark vereinfachend oder unhaltbar. Wenn mir ein Argument an einer Stelle unfassbar falsch zu sein scheint, habe ich das nachstehend in rot vermerkt. Eine ausführlichere und vollständigere Kritik an den Pro-Argumenten nehme ich im Blogeintrag "#Vollgeld #Kritik" vor. Also - Vollgeld-Befürworter sehen u.a. folgende Vorteile:

  • Abgeschwächte Konjunkturzyklen: Irving Fisher analysierte, dass geldschöpfende Banken die Konjunkturzyklen durch ihr prozyklisches Verhalten noch verstärken. Wie man in Spanien an der Immobilienblase sehen konnte, neigen Banken tatsächlich dazu, in Zeiten der wirtschaftlichen Blüte zu viel Kredite zu vergeben und in der Rezession restriktiv den Geldhahn zuzudrehen. Als weiteres Beispiel, das Fishers Herausarbeitungen bekräftigt, lässt sich die „Great Depression“ anführen: Die Wirtschaft lag am Boden und anstatt ihr mit billigen Krediten wieder auf die Beine zu helfen, forderten die Banken Kredite wieder ein und intensivierten die Ausmaße der Depression. Ein Trauerspiel für jeden Keynesianer also. Ersetzt man das Giralgeld durch Vollgeld, wären die Wirtschaftszyklen damit zwar nicht abgeschafft(Banken verursachen diese ja auch nicht, sondern verschärfen sie nur), aber zumindest beträchtlich abgeflacht. Überschuldungskrisen wären nach wie vor möglich, nur könnten die Banken nicht mehr so destruktiv in sie eingreifen und schlimmstenfalls in eine Depression führen, wie sie es heute noch tun. Heute dürfen Banken die Geldmenge erhöhen und – in Krisenzeiten – reduzieren, nach der Einführung eines VG-Systems dagegen könnten sie nur noch Kredite im Rahmen von existenten Ersparnissen vergeben, sprich nur noch zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer vermitteln und nicht mehr selbst durch Giralgeldschöpfung eigenes Geld verleihen. Und genau das ist der springende Punkt. Genau deshalb könnte die Geldmenge mit dem Vollgeld nicht mehr in Boomzeiten durch Giralgeldschöpfung in die Höhe, oder in Krisen in die Tiefe getrieben werden. Die Geldmengensteuerung läge in den Händen der Monetative, die nicht mehr Eigennutz, sondern allgemeinwohlorientiert denkt, handelt und im Sinne der Bevölkerung wirkungsmächtige konjunkturelle Einschnitte vornimmt.

  • Geldmengensteuerung: Einer ihrer stärksten Punkte. Vollgeld eröffnet dem Staat die uneingeschränkte Obhut über die Geldschöpfung und (damit) die Möglichkeit einer umfassenden Geldmengenkontrolle, um auf diesem Weg Deflation, Inflation und Krisen zu begegnen und eine ansehnliche Seigniorage für die Staatskasse bzw. Bevölkerung zu generieren. (Hier hapert die Argumentation der Vollgeld-Befürworter gewaltig, eigentlich wird die Seigniorage ja von der Bevölkerung bezahlt wird, quasi als Gebühr auf Geldemission. Das einzige, was man meiner Meinunng nach davon hat, ist eine Umverteilung von Haushalten zum Staat. Aber weiter in der Argumentation:) Bisher müssen Zentralbanken noch auf unpräzise, indirekte und ineffiziente Instrumente wie das der Leitzinsänderungen zurückgreifen, um im Rahmen eines fraktionalen Reservesystems Einfluss auf die Geldmenge zu nehmen. Derlei Instrumente wirken wenn überhaupt immer erst zeitversetzt. Mit einem Vollgeldsystem indes ließe sich die einheitliche Geldmenge M direkt und gezielt senken oder erhöhen, je nachdem wie gerade der Bedarf steht. (auch hier muss ich ganz kurz eingreifen. Das ist schwerer, als es klingt. Man kann nicht von jetzt auf nachher die Geldmenge reduzieren, weil das eine Geldmengenkonfusion auslösen würde, was in ständiger Preisanpassung resultieren wird, weil der Wert des Geldes zu sprunghaft wechselt. Die dadurch entstehenden „Menükosten“ ziehen große volkswirtschaftliche Schäden nach sich.) Dadurch hat die Zentralbank die umlaufende Geldmenge im Gegensatz zum Reservesystem-Fall jederzeit im Blick und unter Kontrolle. Zudem würde sich ein Vollgeldsystem positiv auf die Ökologie und Sozialstruktur eines Landes auswirken. Zunächst zur Sozialstruktur: Der Mittelstand ist in Zeiten wirtschaftlicher Rezession stärker von der Rückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe betroffen als es Großunternehmen mit hauseigenen Banken sind. Darüber hinaus befeuere ein Zins die gesellschaftliche Ungleichheit, die sowieso reichen Banker profitieren von dem auf das Giralgeld verlangten Zins und der Rest der Bevölkerung hat das Nachsehen. Anders sähe das Alles in einem Vollgeldsystem aus, in dem der Staat Geld direkt über den Mittelstand in den Umlauf bringt - und das zinslos als quasi „ewiger Kredit“. Nun zum Umweltschutz: Banken sind Unternehmen und als solche gewinnorientierte Akteure, Kredite werden nach kurzfristigem Profitinteresse und nicht nach humanitären oder ökologischen Gesichtspunkten vergeben. Profitinteresse ist nun nicht nur nicht gleich nachhaltig und umweltfreundlich, sondern oft gar unvereinbar mit diesen Aspekten. Ein Wandel könnte auch hier das Vollgeldsystem bringen, indem es Kreditvergabe vom kurzsichtigen Profitinteresse entkoppelt und nicht mehr auf der Idiotie eines ewigen Wachstums basiert.

  • Krisenvorbeugung: Eine der Hauptursachen der heutigen Krise(n) besteht im Ungleichgewicht zwischen Geldmenge und realer Waren und Dienstleistungen. Zwar geben die Zentralbanken vor, die Giralgeldschöpfung, die für den übermäßigen Anstieg der Geldmenge gegenüber realer Sachwerte heutiger Tage verantwortlich ist, im Griff zu haben, die Zahlen besagen aber das Gegenteil. In den letzten 15 Jahren bis zur Finanzkrise 2008 wuchs die Realwirtschaft um 23%, die Giralgeldmenge zeitgleich um 189%. Kontrolle sieht anders aus. Heute übersteigen die Bankeneinlagen das vorhandene Bargeld um das 27-fache, was wir nur deshalb nicht so sehr bemerken, weil sich das Giralgeld zum großen Teil fernab der Realwirtschaft befindet. Eine Vollgeldreform könnte dieses Ungleichgewicht aufheben, indem sie den Banken per Gesetz die Möglichkeit nimmt, per Kreditvergabe neues Geld zu erzeugen, somit weitere Geldmengenauswüchse und die Gefahr einer Geldschwemme bzw. Hyperinflation innerhalb der Realwirtschaft eindämmt. Die Zentralbank hätte die Geldmenge unter vollständiger Kontrolle.

  • Pleitebanken kein Problem: Auch der Gedanke systemrelevanter Banken wäre ein gestriger, da Vollgeld auf Girokonten vollumfänglich sicher wäre. Vollgeld ist ja nichts anderes als (bares und unbares) ZB-Geld, der Zahlungsverkehr bliebe von Bankenpleiten also weitgehend unbeeinträchtigt. Einlagensicherungsfonds wären unnötig. Keine Bank mehr müsste nach einem Crash vom Staat – bzw. von dem den Staat finanzierenden Steuerzahler – gerettet werden. Der Staat könnte sie einfach pleite gehen lassen, wie es auch das Schicksal jedes anderen, misswirtschaftenden Unternehmens ist.

  • Schuldenfrei: Erinnern Sie sich, Giralgeld entsteht ausschließlich durch Kreditaufnahme bzw. aus Schulden. Den Banken fließt der Gewinn aus der Extrazinsmarge; als aus der Differenz zwischen den Guthabenzinsen, die Banken zahlen müssten, wenn sie ihre Kredite auf den Geldmarkt refinanzieren müssten und dem, den sie tatsächlich zahlen; zu. Ein Umstellung zu einen Vollgeldsystem wäre für die Banken demnach eine schlechte Nachricht: Der Geldschöpfungsgewinn wäre weg. Auf der anderen Seite ermöglicht das Vollgeld den Abbau der Staatsverschuldung. Und das geht so: Sämtliche Kreditnehmer führen auch nach der Umstellung ihre Tilgungszahlungen an die Banken ganz normal weiter. Vorher verschwand das Geld mit den Krediten, jetzt reichen die Banken die Tilgungszahlungen aus den geldschöpfenden Krediten von eins an die Zentralbank weiter, die die Beträge ihrerseits löscht. Für das eliminierte Giralgeld führt sie dem Geldkreislauf sukzessiv Vollgeld hinzu und schafft so den Wandel von Giral- zu Vollgeld. Alle weiteren Zahlungsmittel setzt die Monetative ohne gleichzeitiges Ansteigen der Schuldenmenge frei. Eine Ausweitung des Geldes ist auch nötig, solange Volkswirtschaften wachsen, alles andere führt in die Deflation. Es sollte übrigens jedem einleuchten, dass ein schuldfreies Ansteigen der Geldmenge die Wirtschaft viel stärker stimuliert, als wenn mit jedem neuen Geld auch neue Schulden auf der Wirtschaft lasten.

  • Seigniorage (einmalig): Der Übergang vom Giralgeld zum Vollgeld bringt eine einmalige und extrem hohe Sonder-Seigniorage mit sich, die der Staat z.B. dafür aufwenden kann einen Großteil seiner Schulden zu begleichen, die Steuerlast zu senken, die Staatsausgaben zu erhöhen oder faire Bürgerdividenden auszuschütten. Dieser außerordentliche Gewinn entsteht aus dem bereits erwähnten Prozess der Ausschleusung von altem Giralgeld zugunsten von neuem Vollgeld und besteht in der Erstverwendung der Mittel durch den Staat. Oder einfach gesagt: Man nimmt alles Giralgeld raus und steckt stattdessen Vollgeld rein, indem man es ausgibt. 2010 betrug die Giralgeldmenge in der Bundesrepublik rund 1 Billion und die Schulden in der öffentlichen Hand etwa 2 Billionen Euro. Mit der Replatzierung von Giral- durch Schuldgeld könnten folglich auf einen Schlag die Hälfte aller Staatsschulden getilgt werden. Allerdings sollte die Rückzahlung der Staatsschulden lieber langsam geschehen, wenn es denn mal so weit ist, damit der Markt und der Staatshaushalt nicht allzu durcheinander kommen.

  • Seigniorage (regelmäßig): Nebst der einmaligen kämen dem Staatskörper auch regelmäßige Seigniorageeinnahmen zu. Wie bereits erwähnt wurde, sollte die Geldmenge, soweit das situativ erforderlich ist, entsprechend des Wirtschaftswachstums erhöht werden, um Deflation zu verhindern. Diese Aufgabe käme dem Staate nun in vollem Umfang zu und macht ihn mit jeder Bewältigung reicher. Reicher, weil wieder eine Seigniorage von jährlich maximal 90 Milliarden (realistischer sind gemäß Prof. Joseph Huber, der auf dem Gebiet des Vollgedes forscht, 14 bis 41 Milliarden) im Spiel ist. Die Höhe der Summe errechnet sich aus dem bisherigen Geldmengenwachstum von um die 8% pro Jahr und der offiziellen, angestrebten Infationsrate von etwa 2% und geht von gleichbleibenden Bedingungen aus. Auch nach der einmaligen Umwechslung allem Giralgeldes will die (wachsende) Wirtschaft immer wieder mit neuem Geld gefüttert werden, dieses Geld steht dem Staat wieder zur erst- und einmaligen Verfügung.

  • Sicheres Geld: Vollgeld ist sicher, etwa vor einem Bankrun. In unserem heutigen Giralgeldsystem ist nur ein Teil der gesamten Geldmenge durch tatsächliches Zentralbankgeld hinterlegt. Beschließt jetzt eine Gruppe von Leuten größer dem prozentualen Reserveanteil ihr Geld gleichzeitig von einer Bank zu holen, kommt es zu Engpässen und schlimmstenfalls zum Bankcrash. Denn eine Bank kann kein Geld hergeben, das gar nicht existiert. Anders sieht es in einem Vollgeldsystem aus, in dem ausnahmslos alle laufenden Bankguthaben Zentralbankgeld sind und nicht mehr mit einer Bank vom Fenster verschwinden können. Einzig Spareinlagen könnten auch in einem Vollgeld-Crash verloren gehen. (An dieser Stelle möchte ich wieder einhaken: Schützt Vollgeld tatsächlich vor einem Bankrun, oder verschiebt es das Problem nur? Ich bezweifle das. Es muss doch beachtet werden, dass Vollgeld physisch, d.h. stationär ist. Wenn jetzt theoretisch das ganze Bargeld bei Banken in Süddeutschland lagern würde, würde ein Bankrun in Norddeutschland trotzdem zustande kommen und Banken wären dementsprechend regional illiquide.)

  • Transparenz: Ein V-Geldsystem ist transparenter und einfacher als das gegenwärtige. U.a., da es nur noch einen Geldkreislauf, einen Geldemittenten und direkte Geldflüsse gibt. Eigentlich würde das Geldsystem so (vereinfacht) funktionieren, wie es sich die meisten Bürger heute schon vorstellen (alles Geld kommt von der Zentralbank, Bei Bankkrediten wird altes Geld verliehen und kein neues geschöpft usw.). Nur würden sie es dann wirklich verstehen und könnten selber wieder mitreden, Missstände und Missbräuche erkennen und ihnen als mündige Demokraten entgegenstehen.

4. Verweise

  • Bank: Die Kreditvergabe, das heißt die Versorgung der Wirtschaft mit Geld, wird auch in einem VG-System weiterhin eine Aufgabe der Geschäftsbanken bleiben. Da Banken dann aber selbst kein Geld mehr schöpfen können, sondern nur noch die Monetative, müssen sie positiv über das zu verleihende Geld verfügen. Zu deutsch, sie können entweder eigenes Geld verleihen, oder selbst fremdes Geld leihen und für einen höheren Zins wieder verleihen. Was sie hingegen nicht mehr können, ist Geld verleihen, das sie gar nicht besitzen bzw. bis zum Zeitpunkt der Transaktion noch gar nicht existierte. Es handelt sich bei der Vollgeldreform also nicht um eine komplette Umwälzung des Bankengewerbes, sie ist eher eine kleine, gezielte Änderung im Bereich der Geldschöpfung.

  • Geldsystemkritik: Ein Vollgeldsystem wäre mit vielen weiteren, geldsystemkritischen bzw. geldsystemalternativen Ansätzen vereinbar. Etwa mit der Zinskritik: Mit einem Vollgeldsystem könnte, und alles andere wäre Schwachsinn, eine zinslose und tilgungsfreie Geldbasis entstehen. Oder Regiogeld, insofern dieses natürlich nicht den formellen Anspruch erhebt formell gesetzlich anerkanntes Zahlungsmittel zu sein. Darüber hinaus würde die Einführung von Vollgeld bei einem großen Teil der Gesellschaft erstmalig die Bereitschaft erzeugen sich auch mit weitergehenden Veränderungen des Geldsystems zu beschäftigen.

  • Giralgeld: Das Buchgeld auf unseren Girokonten ist kein gesetzliches Zahlungsmittel, sondern nur ein Anspruch an die Bank, dem Kunden auf Verlangen gesetzliche Zahlungsmittel auszuhändigen. Wir behandeln es aber alle so, als wäre es „wirkliches“ Geld. Vollgeldtheoretiker wollen dieses „Giralgeld“ durch staatliches Vollgeld ersetzen, derzeit liegen nur ca. 18% der Geldmenge als Bar bzw. Vollgeld dar.

  • Griechenland-Hilfspakete: Solange die riesigen Staatsschuldenberge nur als Bits und Bytes in Computern kursieren, spielen sie (k)eine große Rolle für die Realwirtschaft. Gläubiger verlangen Zinsen und treiben die Summen weiter in die Höhe. Drastischer wird es wenn bspw. das hochverschuldete Griechenland aus den Euroraum austritt, dann müssen alle Summen gegen anderen verrechnet und aus den Büchern gestrichen werden – sie entfalten ihre Wirkung in der Realwirtschaft. Beide Fälle führen vermutlich in den Zusammenbruch des Staatshaushaltes. Was die EU derzeit macht, Szenario 1, nennt sich zu gut Deutsch Insolvenzverschleppung.

  • IWF: Dass der Vorschlag der Vollgeldsystemtheoretiker keine Spinnerei ist, zeigt das Forschungspapier „The Chicago Plan Revisited“, herausgegeben vom IWF! Die beiden Volkswirte der Untereinheit der Vereinten Nationen stellen der Idee allem in allem ein gutes Zeugnis aus, so würde sie die Gefahr von Bankenkrisen eindämmen und die Realwirtschaft deutlich befeuern. Sie schreiben von einer „höchst wünschenswerten Initiative“ und verweisen darauf, dass sich die Bankenbranche mit Händen und Füßen dagegen wehren wird, zu einem normalen, nicht geldschöpfungsberechtigten Teil der Wirtschaft degradiert zu werden. Weiterhin bringe das Vollgeld weitere Vorteile mit sich, an die ihre Urväter gar nicht gedacht hätten: Aufsätze für Zinssatzrisiken würden reduziert und Steuern gesenkt werden; Diverse Strömungen, die den Output im alten System reduzierten, würden eliminiert und die kostspielige Überwachung makroökonomischer Kreditrisiken entfalle ebenso mit einem Vollgeld. Hoffen wir, dass spätestens diese Schützenhilfe eine Diskussion um das Vollgeld salonfähig macht.

  • Kommunismus: Manche Kritiker missverstehen Vollgeld dahingehend, dass es den Bankensektor verstaatlichen und das Bankengeschäft unter dem Dach der Zentralbank zentralisieren möchte. In diesem Zusammenhang wird dem Vollgeldkonzept auch oft eine kommunistische Gesinnung nachgesagt, was aber unwahr ist. Tatsächlich will Vollgeld die Geldschöpfung verstaatlichen und zentralisieren, nicht aber den Bankensektor, noch das Bankengeschäft.