Kognitivismus
Im vorhergegangenen Blogeintrag habe ich die epistemologische Fassung des Kognitivismus bzw. Nonkognitivismus vorgestellt. Als nächstes werde ich die sprachanalytische Fassung des K. und N. vortragen, die zwar gewisse Parallelen zur epistemologischen Fassung aufweist, sich begründungs- und argumentationstechnisch jedoch auf einer ganz anderen Ebene abspielt.
Im Streit zwischen sprachanalytischem K. und sprachanalytischem N. geht es um die Frage nach der korrekten Deutung moralischer Aussagen. Er bewegt sich somit dezidiert auf einer sprachanalytischen Ebene.
Der sprachanalytische Kognitivismus sieht in "A ist gut" eine wahrheitsfähige Propositionen, der sprachanalytische Nonkognitivismus nicht.
Notwendige und zugleich hinreichende Bedingung für den sprachanalytischen Kognitivismus:
Notwendige und zugleich hinreichende Bedingung für den sprachanalytischen Nonkognitivismus:
Artikulierung: "Ich behaupte hiermit, dass A gut ist."
Der Sprachanalytische Kognitivismus deutet moralische Aussagen analog zu deskriptiven Aussagen wie "A ist blau". "A ist gut" ist oder wahr oder falsch, genauso wie "A ist blau" wahr oder falsch ist, d.h. "A ist gut" ist eine Behauptung, eine Feststellung, eine Proposition.
Folgende Umschreibung macht diese Auffassung explizit: "Ich behaupte hiermit, dass A gut ist." Das Adverb "hiermit" macht die Umschreibung hinreichend unmissverständlich-normativ: Der bloße Satz "Ich behaupte, dass A gut ist" könnte rein deskriptiv auf eine Gegebenheit referieren, in der der Sprecher die Aussage getätigt hat. Beispielsweise könnte ein Autor auf eines seiner Bücher verweisen, in dem er über A geschrieben und es als gut bezeichnet hat, ohne diese Behauptung als solche wiederholen, explizieren oder bekräftigen zu wollen. In diesem Fall wäre "Ich behaupte, dass A gut ist" keine normative Behauptung über die Gutartigkeit von A, sondern allein die retrospektive Feststellung, an anderer Stelle jene Behauptung über A getroffen zu haben. "Ich behaupte hiermit, dass A gut ist" stellt hingegen klar, dass die Aussage selbst eine normative Behauptung bezüglich A darstellt. Insbesondere wird hier ein Wahrheitsanspruch bezüglich der behaupteten Sache erhoben, in diesem Sinne ist die Aussage "kognitiv", d.h. auf Erkenntnis beruhend, d.w.h. sie steht unter der Differenz von wahr oder falsch. Dies ist deshalb so bemerkenswert, weil hier von Wertungen so gesprochen wird, wie von Beschreibungen, d.h. als ob "Helfen ist gut" genauso wahr oder falsch ist, wie "Diese Wand ist blau."
Die Aussage "A ist gut" gilt dem sprachanalytischen Kognitivisten als Behauptung über den Charakter von A. Wohlgemerkt handelt es sich dabei um eine besondere Art von Behauptung: Eine Wertbehauptung, dass A gewisse moralische Eigenschaften aufweise (und nicht etwa eine Tatsachenbehauptung, darüber, dass A ein bestimmtes natürliches Prädikat zukomme). Nichtsdestoweniger stellt "A ist gut" für einen s. Kognitivsten auch eine Behauptung dar, nämlich die Behauptung, dass "A ist gut" der Fall sei bzw. dass A gut sei. Dementsprechend kann der s. Kognitivist auf "A ist gut" auch entgegen "Stimmt nicht", oder "Du hast Recht", A ist also tatsächlich gut oder eben nicht-gut, so wie die Wand tatsächlich blau oder nicht-blau ist.
Der Sprachanalytische Nonkognitivismus sieht in "A ist gut" keine Behauptung und insbesondere etwas fundamental anderes als in Behauptungen à la "A ist gelb". Weil "A ist gut" aber aussieht wie "A ist gelb" bzw. wie eine Behauptung sei sie falschsuggestivund sollte idealerweise durch eine bessere, präzisere Formulierung ersetzt werden. Die zwei populärsten Neuformulierungen stammen vom Emotivismus und vom Präskriptivismus:
Artikulierung Emotivismus: "Ich billige
hiermit A."
Artikulierung Präskriptivismus: "Ich fordere dich hiermit zu A auf."
Dementsprechend werde mit "A ist gut" auch kein Wahrheitsanspruch erhoben, zumindest nicht im üblichen Sinne: "A ist gut " steht nicht unter der strengen Differenz von wahr und falsch und ist von daher auch nicht nicht-kognitiv bzw. nonkognitiv.
Der Emotivismus deutet "A ist gut" als eine Kundgabe, eine Expression von Gefühlen, Empfindungen und Affekten des individuellen Sprechers. Er hält folgende Neuformulierung für angemessen: "Ich billige hiermit A".
Das Wörtchen "hiermit" ist einmal mehr wichtig: Der Satz "Ich billige A" könnte doch wieder eine Behauptung darstellen, nämlich jene, dass man eine bestimmte Empfindung habe. Und diese Behauptung könnte wahr oder falsch sein: Sie wäre falsch, wenn der Sprecher in Wahrheit ganz andere Empfindungen hegt, und richtig, wenn er A tatsächlich billigt. "Ich billige hiermit A" soll anzeigen, dass die Aussage selbst eine direkte Expression der eigenen Gefühle ist: Sie ist die unmittelbare Kundgabe des eigenen Gefühls.
In diesem Sinne ist die Kundgabe als solche nicht kognitiv, d.h. sie steht nicht unter der erkennbaren Differenz von wahr oder falsch. Noch deutlicher lässt sich dies machen durch die Umschreibungen "A – prima!", oder "A – hurra!", die im Emotivismus dasselbe ausdrücken wie "A ist gut", nämlich die eigenen Gefühle und Empfindungen. Gelegentlich bezeichnet man den Emotivismus deshalb auch als "Boo-and-hooray-ethics" oder als "Expressivismus".
"A ist gut" gilt dem Emotivismus nicht als Behauptung:
Es ist keine Behauptung über A, und es ist auch keine Behauptung über den eigenen Seelenzustand, sondern vielmehr die unmittelbare Kundgabe eines Seelenzustandes: Es ist der direkte Ausdruck der
eigenen Gemütslage angesichts von A. In Folge wären Reaktionen des Typs "Stimmt nicht", "Du irrst dich" oder "Recht hast du" keine adäquaten Entgegnungen mehr: Man mag abweichende Gefühls
angesichts von A haben (oder auch gar keine). Aber man die Kundgabe der Empfindungen des Gegenüber als solche nicht verneinen. Auf "Hurra" oder "Aua" kann man nicht mit "stimmt nicht"
antworten.
Der Emotivismus hat ein systematisches Problem, wenn er moralische Aussagen über gefühlt oder tatsächlich weit entfernte Ereignisse deuten muss:
Die Aussage "der Hunger in Afrika ist schlecht" dürfte üblicherweise ein moralisches Urteil darstellen. Indessen ist denkbar, dass der Hunger in Afrika den Sprecher, auch wenn er ihn als schlecht
bezeichnet, emotional überhaupt nicht tangiert. Damit erschiene es unmöglich, dass er mit seiner Aussage hauptsächlich seine nicht vorhandenen Gefühle bezüglich des Hungers in Afrika kundtun
möchte.
Auf folgende Weise könnte der Emotivismus diesem Problem entgegentreten: Der Sprecher vermöge sich mit
räumlich weitentfernten Schicksalen zu identifizieren, indem er die Vorstellung bilde, dass etwas Ähnliches in seiner (persönlichen) Nähe passiere, etwa seinen Kindern oder seinem besten Freund.
An diese kontrafaktische Vorstellung könnte sich dann eine, wenn auch vielleicht recht schwache, emotionale Reaktion knüpfen. Der Sprecher abstrahiert von seinem emotionalen Umfeld, stellt sich
also vor, ihm Nahestehende würden Hungern und artikuliert infolgedessen "Der Hunger in Afrika ist schlecht" als ein (schwaches) Gefühl.
Der Präskriptivismus interpretiert "A ist gut" als eine Vorschrift, einen Befehl, eine Empfehlung an den jeweiligen Gesprächspartner zu einem bestimmten Verhalten, Tun oder Unterlassen. Eine korrekte Formulierung wäre: "Ich fordere dich hiermit zu A auf".
Wieder ist der Zusatz "hiermit" bedeutsam: Der Satz "Ich fordere dich zu A
auf" könnte einmal mehr eine Behauptung sein, nämlich die Behauptung, dass man jemandem eine entsprechende Anweisung gäbe. Diese Behauptung steht unter der Differenz von wahr oder falsch: Sie
wäre falsch, wenn der Sprecher dem Hörer in Wahrheit keine dahingehende Anweisung erteilt, sondern ihm bspw. auf anderem Wege längst einen gegenläufigen Befehl gegeben hat. "Ich fordere dich
hiermit zu A auf" macht deutlich, dass die Aussage selbst ein direkter Befehl an den anderen ist, sich auf eine bestimmte Weise zu verhalten. Sie ist die unmittelbare Vorschrift zu einer
gewünschten Handlung.
Und sie ist wieder nicht kognitiv bzw. nonkognitiv, d.h. sie steht nicht unter der
Differenz von wahr oder falsch. Eindringlicher wird dies durch die Umschreibungen "Mach A!" oder "Unterlasse A!" Oft wird der Präskritptivismus deswegen auch als
Imperativethik formuliert und verstanden, oder zumindest auf der Grundlage einer Imperativlogik entwickelt.
"A ist gut" gilt dem Präskriptivismus nicht als Behauptung.
Es ist keine Behauptung über A, und es ist auch keine Behauptung über den eigenen Seelenzustand, sondern vielmehr die direkte Aufforderung eines anderen, A zu tun oder zu unterlassen. Einmal mehr
hat dies zur Konsequenz, dass Erwiderungen der Art "Stimmt nicht", "Du irrst dich" unangebracht wären. Man mag die Empfehlung oder Weisung des Sprechers ignorieren, ja, ihr geradewegs
zuwiderhandeln. Aber man kann eine gegebene Vorschrift als solche nicht negieren. Auf "Mach das!" kann man nicht mit "Stimmt nicht" entgegnen.
Der Präskriptivismus hat ein systematisches Problem, wenn er moralische Aussagen über zeitlich tatsächlich oder gefühlt
weitvergangene Ereignisse interpretieren muss:
Die Aussage "Das Dritte Reich war schlecht" dürfte zumeist ein moralisches Urteil darstellen. Es ist
jedoch nicht mehr möglich, das Dritte Reich als ein Ereignis der Vergangenheit zu verhindern. Daher wäre es auch sinnlos in "Das Dritte Reich war schlecht" eine aktive Aufforderung zu sehen, bspw.
dazu, gegen das Dritte Reich anzukämpfen.
Auf folgende Weise könnte der Präskriptivismus diesem Problem entgegentreten: Der Sprecher vermöge vergleichbare
zukünftige Ereignisse vorwegzunehmen, indem er die Vorstellung bilde, dass sich etwas Ähnliches in Zukunft wiederholen würde. Nun kann sich "Das Dritte Reich war schlecht" auf die
antizipatorische Vorstellung beziehen und eine Aufforderung darstellen, dergleichen zu verhindern. Diese Aufforderung ist dann der eigentliche Inhalt des Satzes "Das Dritte Reich war
schlecht."
Die meisten Ethiker sind sprachanalytische Kognitivisten. Dies trifft (logischerweise) insbesondere auf jene zu, die sich mit normativer Ethik beschäftigen. Wäre ein normativer Ethiker Nonkognitivist, müsste er sich eingestehen, dass er sich nicht mit der Welt an sich beschäftigt und seine Beschäftigung bzw. seine Ergebnisse in gewisser Hinsicht beliebig sind. Die sprachanalytische (Non-)Kognitivismus-Debatte wird zwar erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts explizit geführt und ältere Autoren beziehen deshalb in dieser Frage keine ausdrückliche Stellung. Dennoch lässt sich bei ihnen eine Einstufung in sprachanalytische Kognitivsten bzw. Nonkognitivisten einigermaßen verlässlich rekonstruieren: Die großen Ethiker, seien es Aristoteles, Kant oder Mill, sind folglich, bei aller Verschiedenheit im Detail, fast allesamt in ihrer sprachanalytisch-kognitivistischen Grundüberzeugung vereint.
Sprachanalytische Kognitivisten sind überwiegend auch epistemologische Kognitivisten und sprachanalytische Nonkognitivisten in aller Regel auch epistemologische Nonkognitivsten. Was auch irgendwie nur folgerichtig ist: Wer meint, dass moralische Aussagen Behauptungen sind, glaubt üblicherweise auch, dass sie objektive Gültigkeit vermitteln können. Und eben diese "doppelkognitivistische" Position teilen die allermeisten Philosophen: Sie deuten (1, sprachanalytisch) moralische Urteile als Propositionen, die als solche einen objektiven Wahrheitsanspruch erheben und (2, epistemologisch) diesen Wahrheitsanspruch ggfs. auch tatsächlich einlösen können.
Nicht selten befassen sich jene "Doppelkognitivisten" selbst damit, als normative Ethiker derartige wahre moralische Aussagen zu begründen. Wenn man aber gegenteiliger Überzeugung ist, dass
moralische Aussagen keine Behauptungen sind, geht man normalerweise auch davon aus, dass es keine moralischen Einsichten gibt. Dies trifft vor allem auf die Gruppe der Emotivisten zu: In
ihren Augen sind moralische Urteile bloße Gefühlskundgaben, (1, sprachanalytisch) die als solche keinen objektiven Wahrheitsanspruch gelten machen und (2, epistemologisch) auch nur in subjektiven
Geschmacks-empfindungen gründen. Als
Metaethiker
mag man diese Einstellung begründen und für nachvollziehbar halten, aber normative Ethik wird mit ihr sinnlos.
Allerdings ist dieser Zusammenhang zwischen der sprachanalytischen und der epistemologischen Ebene nicht zwingend: Einige wenige Philosophen stimmen zwar dem sprachanalytischen Nonkognitivismus zu, vertreten dabei aber einen epistemologischen Kognitivismus. Umgekehrt befürworten manche Philosophen einen sprachanalytischen Kognitivismus, bekennen sich aber durchaus zu einem epistemologischen Nonkognitivismus. Diese Konstellationen führen zu großer Verwirrung in der Debatte, weil die Einstufung solcher Autoren als Kognitivisten oder Nonkognitivisten inhärent doppeldeutig und entsprechend notorisch umstritten ist. Eben deshalb ist die sorgfältige Unterscheidung beider Ebenen (sprachanalytisch und epistemologisch) umso wichtiger:
1) Sprachanalytischer Nonkognitivist / epistemologischer
Kognitivist:
Richard Hare ist – wie wir gesehen haben – sprachanalytischer Nonkognitivist. Er deutet moralische Aussagen nicht als Behauptungen, sondern als Vorschriften, was ihn zu einem der
klassischen Vertreter und wesentlichen Begründer des Präskriptivismus macht. In einem epistemologischen Sinne ist Hare jedoch Kognitivist: Hare meint keineswegs, dass solche Vorschriften nur
subjektive Geschmacksurteile ausdrücken würden, sondern hält an der Vorstellung fest, dass sie in der Lage sind objektive Einsichten zu vermitteln. Dies ist vor allem darin begründet, dass
Imperative für Hare keine bloßen psychologischen Beeinflussungsversuche darstellen, mit denen man den Hörer zu einer bestimmten Handlung bringen will (wie Propaganda, Einschüchterung, Bestechung
oder Erpressung). Auch lassen Imperative logische Operationen zu wie Schlussfolgern oder Ableiten. Dass moralische Aussagen letztlich in Imperativen gründen, spricht daher für Hare nicht dagegen,
dass sie vernünftiger Überlegung und objektiver Rechtfertigung zugänglich sind. Zwar mag die Bezeichnung als "wahr" oder "falsch" aufgrund ihres sprachanalytischen Charakters unpassend sein. Aber
unter der Differenz von "richtig" oder "verkehrt" in epistemologischem Sinne können sie allemal stehen:
"Es ist daher leicht zu sehen, warum die
sogenannte "Imperativ-Theorie" für moralische Urteile die Proteste ausgelöst hat, die ihr entgegengebracht wurden. Da sie auf einer falschen Auffassung von der Funktion nicht nur der moralischen
Urteile, sondern auch der Befehle, denen sie angeglichen wurden, beruhte, schien sie den rationalen Charakter moralischer Rede anzugreifen. Wenn wir jedoch einsehen, dass Befehle, sosehr sie sich
auch von Behauptungen unterscheiden, ihnen darin gleichen, dass man sie gebraucht, um jemandem etwas zu sagen, und nicht, um ihn zu beeinflussen, dann ist es harmlos, auf die Ähnlichkeiten
zwischen Befehlen und moralischen Urteilen aufmerksam zu machen. Denn wie ich zeigen werde, unterliegen Befehle, da sie wie Behauptungen wesentlich dazu bestimmt sind, von rational Handelnden
gestellte Fragen zu beantworten - ebenso wie Behauptungen - logischen Regeln. Und das bedeutet, dass moralische Urteile möglicherweise auch solchen Regeln unterliegen."
- Hare
1952, 35f.
2) Sprachanalytischer Kognitivist / epistemologischer Nonkognitivist:
John Mackie
bildet gewissermaßen das Spiegelbild zu Richard Hare. Er präferiert den sprachanalytischen Kognitivismus, bekräftigt
demzufolge, dass moralische Aussagen ihrem Sinn nach Behauptungen sind, die einen entsprechenden Anspruch auf objektive Wahrheit erheben. Was sie nach Mackie jedoch zu Unrecht tun: Keine dieser
moralischen Aussagen kann ihren Anspruch auf objektiven Wahrheitsgehalt einlösen, woraus sich ein epistemologischer Nonkognitivismus ergibt. Mackie selbst bezeichnet diese Auffassung als Irrtumstheorie: Die von Menschen getroffenen moralischen Aussagen sind zwar der Gestalt, das sie verraten, dass wir von ihrer Objektivität überzeugt
sind. Jedoch täuschen wir uns in eben dieser Überzeugung. In Folge verortet sich Mackie auch unumwunden zum Skeptizismus: Sprachanalytischen mögen moralische Aussagen als Behauptungen über
objektive Sachverhalte intendiert sein. Auf epistemologischer Ebene bleiben sie jedoch durchweg unberechtigt:
"Würden sich meta-ethische Überlegungen ausschließlich auf Linguistik und Sprachanalyse beschränken, müsste man zu dem Schluss kommen, dass [...] sittliche Werte objektiver Art sind: Der Anspruch, sie seien es, gehört zur gewöhnlichen Bedeutung sittlicher Äußerungen; die überlieferten moralischen Ausdrücke, deren sich sowohl der Mann auf der Straße als auch die Hauptströmung der westlichen Philosophie bedienen, implizieren die Objektivität sittlicher Werte. Doch genau aus diesem Grund bleiben Linguistik und Sprachanalyse unzureichend. Wie sehr sich auch der Anspruch auf Objektivität in unserer moralischen Sprache niederschlägt, so wenig vermag er sich selbst zu rechtfertigen. Die Gültigkeit dieses Anspruchs kann und muss in Frage gestellt werden. Doch lässt sich die Bestreitung der Objektivität sittlicher Werte nicht als das Ergebnis einer reinen Sprachanalyse vortragen, sondern muss als "Irrtumstheorie" verstanden werden. Diese Theorie besagt: Obwohl die meisten Menschen bei ihren moralischen Äußerungen implizit auch den Anspruch erheben, auf etwas im objektiven Sinn Präskriptives zu verweisen, ist dieser Anspruch doch falsch. Eine solche Theorie bezeichnet man angemessen als
"moralischen Skeptizismus"."
- Mackie 1977, 39f.