„In einer Welt, die überflutet wird von belanglosen Informationen, ist Klarheit Macht.“ 

- Yuval Noah Harari

Volkmar Weiss: Die IQ-Falle

Auf längere Sicht sind Strategien des Erhalts von Macht und Besitz über Generationen nur erfolgreich, wenn sie sich mit der Erhaltung eines bestimmten Intelligenzniveaus paaren. In den traditionellen Gesellschaften war das praktisch kaum möglich, da man zuwenig über Intelligenz wusste; in der gegenwärtigen Gesellschaft tut man am besten so, als wisse man nicht, wovon die Rede ist, bzw. man verweist auf die entscheidende Rolle der Umwelt; in der zukünftigen Gesellschaft wird das für die Öffentlichkeit wahrscheinlich auch weiterhin die beste Verhaltensweise sein, im Privaten aber wird man sich genau und erfolgreich der gegenteiligen Verhaltensweise befleißigen.
...
Wenn man davon ausgeht, dass dieses Buch von einer breiten Öffentlichkeit verteufelt werden wird, was sollte man dennoch privat und insgeheim über Intelligenz wissen? In Anspielung auf den Titel eines bekannten Sexbuchs erfahren Sie auf den folgenden Seiten alles, was Sie schon lange über Intelligenz wissen wollten, sich aber bisher niemand traute, ihnen nahezubringen.

Diese Einleitung lässt aufhorchen, in der Wikipedia findet man eine Seite über und eine Seite von Volkmar Weiss, außerdem hat der Autor eine Homepage. Ich habe diese Links erst nach der Lektüre seines Buchs Die IQ-Falle gelesen. Inhalt des Buchs ist die Darstellung einiger Theorien zum Thema Intelligenz und IQ, sowie einige Schlussfolgerungen für Politik und Gesellschaft. Ich hätte das Buch vermutlich auch gelesen, wenn ich die Informationen über den Autor vorher gehabt hätte. Mein Credo: Bilde dir dein eigenes Urteil, reicht deine eigene Intelligenz nicht aus, Fehler in Argumentation und Beweisführung zu finden, steht dir eine Verurteilung nicht zu.

Der Begriff „Intelligenz“ ist nicht klar definiert, es gibt verschiedene Auffassungen. Demgegenüber ist der Begriff Intelligenzquotient (IQ) relativ eindeutig: Ein einer Person nach einem Intelligenztest zugeordneter Zahlenwert. Ein Intelligenztest wiederum besteht aus einer Reihe von Aufgaben, die ein Proband in einer definierten Zeit zu lösen hat und deren Ergebnis eben zu diesem Zahlenwert führt. Man kann sich endlos darüber streiten, welcher Zusammenhang zwischen Intelligenz und IQ besteht, bis hin zu dem tautologischen Zirkel „Intelligenz ist das, was der Intelligenztest misst“.

Einige Zusammenhänge aber sind klar:

·        Es gibt (im statistischen Durchschnitt) eine starke Korrelation zwischen den Schulnoten und dem IQ. Am stärksten ist sie zu den Zensuren in Mathematik und Physik. Da Schulnoten in einer Gesellschaft mit freier Berufswahl auch über den späteren Werdegang mitbestimmen, gibt es ebenso eine Korrelation zwischen dem IQ und dem Beruf und daraus folgend der späteren möglichen sozialen Stellung in der Gesellschaft.

·        Der überwiegende Teil des IQs ist genetisch bestimmt und kann durch eine bessere oder schlechtere Ausbildung kaum beeinflusst werden (im Gegensatz zum Wissen). Da der IQ etwas über die Verarbeitungskapazität des Gehirns aussagt, haben aber die Intelligenteren bessere Möglichkeiten des Wissenserwerbs, das erklärt bei sonst gleichen schulischen Möglichkeiten den statistischen Zusammenhang zwischen höherem IQ und besseren Schulnoten.

Welcher Zusammenhang aber zwischen den Genen und dem IQ besteht, ist nicht klar. Die meisten Wissenschaftler gehen davon aus, dass am Zustandekommen intelligenter Fähigkeiten sehr viele verschiedene Gene beteiligt sind und sich deshalb aus statistischen Gründen die beobachtete Normalverteilung des Intelligenzquotienten ergeben muss. (Mir erscheint es zusätzlich so, dass sich die Normalverteilung auch dadurch ergibt, dass man die Tests entsprechend normiert und kalibriert.)

Volkmar Weiss und einige wenige Genetiker glauben aus den empirischen Daten beweisen zu können, dass sich nicht eine Normalverteilung ergibt, wenn man die IQ-Verteilung der Bevölkerung analysiert, sondern eine Überlagerung von drei verschiedenen, jeweils mit unterschiedlichen Mittelwerten. Das wiederum ließe die Hypothese zu, dass sich der IQ überwiegend aus dem Wirken zweier verschiedener Allele eines einzigen Gens erklären lässt. Das eine Allel (er nennt es M1) kodiert für hohe, das andere (M2) für niedrige Intelligenz. Da jeder Mensch einen diploiden Chromosomensatz hat, gibt es drei verschiedene Kombinationsmöglichkeiten: Träger von M1M1 (5% der Bevölkerung) haben einen IQ-Median von 130, Träger von M1M2 (27%) 112, Träger von M2M2 (68%) 94. Gemäß den Mendelschen Regeln lassen sich dann für die Kinder aus beliebigen Partnerschaften die Wahrscheinlichkeiten für deren IQs ermitteln. Die empirischen Beweise haben Weiss & Co. aus genealogischen Untersuchungen gewonnen, indem sie die IQs von Eltern und Kindern miteinander verglichen haben.

Mir erscheint diese Beweismethode etwas zweifelhaft, weil sich ähnliche Verhältnisse zwischen den Generationen auch ergeben müssen, wenn viele Gene rekombinieren. Schließlich werden ja nicht exakte IQs vorhergesagt (wie z.B. bei Mendel Blütenfarben), sondern mehr oder weniger breit streuende Normalverteilungen. Außerdem wirken immer Umwelteinflüsse mit, beginnend mit epigenetischen Weichenstellungen in der frühen Schwangerschaft bis hin zu den unterschiedlich guten Bildungsmöglichkeiten im Elternhaus. Diese korrelieren ebenfalls indirekt mit dem IQ der Eltern, weil deren eigener sozialer Status, s.o., damit korreliert ist.

Im Buch findet man desweiteren die durchschnittlichen IQs verschiedener Ethnien. Europäer und Nordamerikaner 100, weil auf sie die gängigen Tests normiert wurden, Asiaten 103, Schwarze in den USA (und in Afrika?) 85, Juden 115.

Der hohe Wert für die Juden wird von Weiss damit erklärt, dass diese über lange Zeit in der ganzen (christlichen) Welt isoliert wurden und nur bestimmte Berufe ausüben durften. Da in der Vergangenheit die Chance, eine Familie zu besitzen und viele Kinder zu haben, an eine gesicherte materielle Position geknüpft war und diese wiederum mit den eigenen Fähigkeiten und damit mit dem IQ korreliert, bestand hier also ein Selektionsdruck in die entsprechende Richtung. Im übrigen sind diese hohen Werte einerseits eine plausible Begründung, warum in der Weimarer Republik ein überproportionaler Anteil von Juden in Kunst und Wissenschaft zu finden war (in der Politik wegen dem damals bereits vorhandenen Antisemitismus weniger), und warum im Dritten Reich Intelligenztests verboten wurden. Diese hohen Werte haben sich bis in die heutige Zeit erhalten, Israel hat den höchsten Anteil von Akademikern bezogen auf seine Bevölkerungsgröße auf der ganzen Welt.

Der niedrige Wert für die Schwarzen hat vor allem in den USA für heftige Kontroversen gesorgt (Political correctness). Wahrscheinlich ist zumindest ein Teil des niedrigeren Wertes auf die schlechteren Bildungschancen und auf die Schwierigkeiten kulturfreier Tests zurückzuführen. Ein weiterer Teil könnte – in Umkehrung der Verhältnisse im jüdischen Volk – auf eine Negativauslese zurückzuführen sein: Geringer Gebildete könnten eine größere Zahl von Kindern gehabt haben. Ich halte aber auch einen tatsächlich etwas niedrigeren IQ für wissenschaftlich möglich (und damit „politisch korrekt“). Dass es Unterschiede zwischen den Ethnien gibt, ist zum Beispiel für körperliche Merkmale bewiesen: Ostafrikaner besitzen genetisch bedingt eine größere Ausdauer, Westafrikaner eine höhere Schnellkraft als Europäer und weiße Nordamerikaner (Quelle). Warum sollte es genetische Unterschiede nicht auch auf dem Gebiet der Intelligenz geben (die genauso auf biologischen Grundlagen wie sportliche Leistungen, Hautfarben und vam. beruht)?

Volkmar Weiß verurteilt eindeutig alle rassistischen Ideen:

Hat es für das Alltagsleben irgendeine Bedeutung, wenn man weiß, dass der IQ-Unterschied zwischen den Rassen einen genetischen Hintergrund hat? 
… 
Viele Schwarze sind klüger als eine große Anzahl von Weißen und bleiben es auch, wenn man genau wüsste, dass den Mittelwertunterschieden zwischen den Rassen genetische Unterschiede zugrunde liegen. Unterschiede in den Mittelwerten und in den Genfrequenzen sind völlig nutzlos, wenn es um die Einschätzung von Einzelpersonen geht. Wenn ein Arbeitgeber einen begabten Menschen mit einem IQ von 130 sucht, dann hat es keine Bedeutung, ob das Gesicht des Bewerbers weiß, schwarz oder gelb ist.

Die Schwelle eines wissenschaftlich legitimen Streits wird von Weiss in seinem Buch aber überschritten, wenn er aus seiner postulierten Dreiteilung der Intelligenz M1M1, M1M2 und M2M2 die Legitimität einer Dreiteilung der Gesellschaft in eine Ober-, eine Mittel- und eine Unterschicht begründet. Seine Argumentationslinie ist in etwa die Folgende: In einer freien Gesellschaft mit freier Berufswahl hängen die Lebenschancen des Einzelnen vor allem von seinem eigenen IQ und seiner eigenen Leistung ab. Die, die „oben“ sind, sind es also zurecht wegen ihrer höheren Leistung und ihres höheren IQs, an einer Stelle zählt er dazu explizit Bildungs- und Besitzbürgertum.

Das kann man so nicht akzeptieren, denn wenn man einmal die IQ-Brille abnimmt und die Welt mit den Augen der Ökonomie betrachtet, dann kann man sehr genau erkennen, dass, wenn einmal durch ein wenig überdurchschnittliche Leistung etwas Besitz angehäuft wurde, dadurch ein Prozess angeworfen wird, der automatisch und ohne weiteren eigenen Beitrag Vermögen von Leistenden zu Besitzenden transferiert. Ein Prozess, der so nicht gerecht sein kann.

Ich halte das Buch für sehr kontrovers und Widerspruch provozierend, der Autor ist nicht nur politisch weit rechts stehend, sondern sicherlich auch rein menschlich eine schwierige Person, siehe die über ihn verfügbaren biografischen Angaben in den obenstehenden Links. Aber einige seiner Vorschläge für die Politik sind aus (seiner) IQ-Sicht logisch und auch mit ganz anderer Begründung durchaus überlegenswert. Man sollte sie nicht vorschnell mit dem Totschlagsargument „eugenisch“ verwerfen, wenn man nicht begründen kann, warum sie falsch sein sollen. Am Schluss noch ein längeres Zitat, damit man weiß, mit welcher Klinge (Sprache) im Buch gefochten wird:

Die wichtigste Funktion hat dabei die Meinungs- und Gedankensfreiheit, die jetzt in den Begriff „politische Korrektheit“ gefasst wird. Nach der Verfassung sind die Meinungen frei. Da die herrschende Meinung aber die Gleichheitsideologie ist, ist diese Meinung freier als alle anderen. Wer abweichende Meinungen vertritt, wird bestraft. Man braucht ihn jedoch nicht mehr einzusperren oder gar zu liquidieren, das wäre viel zu teuer. Es ist viel wirksamer, ihn an den öffentlichen Pranger der Massenmedien zu stellen, und man gibt ihn wechselweise der Lächerlichkeit preis oder traktiert ihn mit Totschlagswörtern. Wer einmal als „Rassist“ bezeichnet worden ist, wird sich vergeblich um eine akademische Karriere oder die Mitgliedschaft in einer wissenschaftlichen Gesellschaft bemühen, denn diese steht nur noch gleichgeschalteten Wissenschaftlern offen. Unpassend wäre es aber, in diesem Zusammenhang von Korruption zu sprechen. In einer freien Gesellschaft ist die Gedankenpolizei, vor deren Funktion uns Orwell warnen wollte, vollständig überflüssig, denn diese Funktion hat freiwillig die Mehrzahl der Journalisten und der etablierten Wissenschaftler übernommen. 

Die Jüngeren, die schon 1968 Studenten waren, sind frei von diesen Ängsten, denn sie haben die Meinungsfreiheit voll verinnerlicht. Sie arbeiten ohne Unterlass an der Verfeinerung ihrer Ausdrucksweise, damit es – wie es Orwell vorgesehen hat – künftig unmöglich wird, politisch unkorrekte Auffassungen überhaupt noch sprachlich zu artikulieren.

Siehe auch:

Ich empfehle dringend jedem, der dieses Buch lesen möchte, unmittelbar vorher oder danach auch dieses Buch zu lesen: Stephen Jay Gould: Der falsch vermessene Mensch. Goulds Buch ist 1981 in englischer und 1988 in deutscher Sprache erschienen. In den Leseempfehlungen von Mensa steht es an erster Stelle. In der umfangreichen Literaturliste im Buch von Volkmar Weiss ist es nicht enthalten, obwohl es über ein Jahrzehnt vorher erschienen ist. Das legt die Vermutung nahe, dass er es verschweigt, weil es zu praktisch jeder seiner Hauptthesen den entgegengesetzten Standpunkt vertritt und eine Begründung dessen enthält.

Gastbeitrag von: Dr. Ralf Poschmann

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Kommentare: 2
  • #1

    volkmar-weiss@t-online.de (Donnerstag, 14 Juni 2018 10:23)

    Herr Poschmann,
    "Die IQ-Falle" ist von 2000. Kennen Sie nicht "Das IQ-Gen" von 2017?
    Mit freundlichen Grüßen
    Volkmar Weiss

  • #2

    WissensWert (Donnerstag, 14 Juni 2018 21:04)

    Sehr geehrter Herr Weiss,

    Die Rezension von Herrn Poschmann ist schon älter, ich habe nur die Erlaubnis erhalten sie hier auch zu veröffentlichen.

    Hier der Originalbeitrag von 2007: http://kwakuananse.de/http:/kwakuananse.de/archives/volkmar-weiss-die-iq-falle/


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