1. das anthropische Prinzip

Das anthropische Prinzip (kurz: AP) ist eine Tautologie, die meistens zur Argumentation gegen die Auffassung, die Entstehung irdischen Lebens ohne metaphysische Hilfsmittel sei höchst unwahrscheinlich, verwendet wird. Es besagt, dass die Erde und die Gegebenheiten im Allgemeinen (z.B.: Naturkonstanten) zwingend so lebensfreundlich sind, weil wir darauf leben. Wäre Erde oder umliegendes Universum nicht lebensfreundlich, dann wären wir auch nicht da um festzustellen, dass sie das nicht sind.

Bildquelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:God_the_Geometer.jpg
Hat Gott uns die Welt vermessen?

2. starkes und schwaches Prinzip

Es ist also notwendig, dass wir eine lebensfreundliche Umgebung wahrnehmen, da es uns als Wahrnehmer ja sonst gar nicht geben würde. Der Ort, an dem wir leben, muss durch die Bedingungen, dass wir auf ihm existieren können, eingeschränkt sein. Dies entspricht dem anthropischem Prinzip im Allgemeinen. Diese Aussage kann verschieden gedeutet werden. Grob unterschieden wird daher zwischen einem schwachem, und einem starkem anthropischem Prinzip.

2.1. schwaches Prinzip

Gemäß dem schwachen anthropischen Prinzip ist unsere Erde in Hinsicht auf die herrschenden, lebensfreundlichen Umstände eventuell ein privilegierter Ort im Universum. An anderen Orten und zu anderen Zeiten herrschen und herrschten die Bedingungen wohlmöglich nicht, die mit unserer Existenz als Beobachter vereinbar sind. Also ist das, was wir beobachten vielleicht auch nicht zwingend das, was häufig im Universum vorkommt. Unsere Erde ist folglich unter Umständen zwar ein besonderer Ort, dass wir auf ihm leben jedoch nichts Besonderes. Da Leben nun einmal allein auf solch einem speziellen Ort entstehen kann.

2.2. starkes Prinzip

Gemäß dem starken anthropischen Prinzip muss das Universum als Ganzes zumindest zeitlich vorübergehend derart sein, dass die Entstehung von Leben möglich ist. Es muss somit eine zwingende Erklärung für die lebensermöglichenden Umstände geben. Sei es beispielsweise die Stringtheorie, welche die Naturkonstanten (würden diesen andere Werte zukommen, hätten z.B. nie Sterne entstehen können) nicht mehr als beliebig hinstellt, sondern natürlich erklären kann, Gott oder Vergleichbares.

2.3. Zwischenfazit

Das starke und das schwache anthropische Prinzip unterscheiden sich also grundsätzlich hinsichtlich der in Bezugnahme von Naturkonstanten, Grundkräften u.Ä. Beim schwachen werden diese als gegeben hingenommen, beim starken Prinzip als theoretisch variabel angesehen. Natürlich bringen nun sowohl die allgemeine, die schwache und die starke Version des anthropischen Prinzips Missverständnisse, Kontroversen und Vereinnahmungen durch ideologische Gruppierungen mit sich. Letzteres erstaunlicherweise sowohl durch Naturalisten, als auch durch IdealistenSo sehen Esoteriker, Kreationisten oder Anhänger der Intelligent-Design Bewegung im starken Prinzip ein Beweis für einen Gott als Hüter der fundamentalen Parameter unseres Universums.

Wir betreten, metaphorisch gesprochen, einen Raum und sehen einen Pfeil inmitten einer Dartscheibe stecken. Daraus schließen die Idealisten jetzt, dass der Schützling ein Gott des Darts sein muss. Die Naturalisten entgegen aber, dass es auch ein absoluter Dart-Amateuer sein könnte, der einfach unendlich viele Versuche hatte. Mehr dazu jetzt.

3. eine naturalistische Deutung

Unser blauer Planet scheint perfekt darauf abgestimmt zu sein, Leben hervorzubringen. Die Weltanschauung des Naturalismus lässt sich ganz grob mit den Worten „alles geht mit rechten Dingen zu“ umschreiben. Naturalisten sehen im anthropischen Prinzip einen Gedanken, der den Verdacht auf eine teleologische, d.h. nicht unbedingt intentional, aber zielgerichtete, Kraft hinter dieser auffallenden Feinabstimmung entkräftet.

Meistens wird dabei von Paralelluniversen, Multiverseneinem enorm oder einem unendlich großem Universum ausgegangen. Diese Annahmen entnehmen sie verschiedenen, nicht oder nicht genau empirisch verifizierten, physikalischen Theorien. Zwei davon sind die Stringtheorie und die Viele-Welten-Interpretation der Quantenmechanik. So legen Teile der Stringtheorie nahe, dass neben unserem sehr, sehr viele Universen (ca.10500) existieren (Multiversum-Hypothese). Auch die Viele-Welten-Interpretation geht von Myriaden weiteren Universen aus, die sich anders als in der Stringtheorie jedoch sehr ähneln sollen.

Vertreter der naturalistischen Deutung des anthropischen Prinzips sehen uns quasi in der Situation eines Lottogewinners, der gerade von seinem Glück erfahren hat. Er wundert sich, dass ausgerechnet er gewonnen hat. Dass aber irgendjemand gewinnt, ist bei der extrem hohen Anzahl an Lottospielern nicht verwunderlich und dass sich der Gewinner von Fortuna überrascht sieht, ebenso wenig. Die anderen Teilnehmer sind die riesigen räumlichen und zeitlichen Weiten dieses Universums oder anderer Universen. Der Gewinn das Leben.

In vielen der anderen Raumausschnitte herrschen vielleicht wüste Leere, Schwarze Löcher und nicht etwa die für uns scheinbar maßgeschneiderten Naturkonstanten. Diese Raumausschnitte werden wir aber nie zu Gesicht bekommen. Und wie es bei einem Glücksspiel mit entsprechend vielen Beteiligten auch mindestens einen Gewinner gibt, ist es nur logisch dass hier und vielleicht noch an anderen Orten die Rahmenbedingungen uns fein abgestimmt scheinen. Vielleicht herrschen in einem etwas jüngeren Paralleluniversum noch Umstände wie im antiken Rom und in wieder einem anderen delphinähnliche  Wesen über einen blauen Planeten? Wenn man unendlich viele Universen, oder ein in Raum und / oder Zeit unendliches Universum postuliert, so muss es gar zwangsläufig Leben geben, ganz egal wie unwahrscheinlich die Entstehung von Leben ist (da diese offensichtlich möglich, daher die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung von Leben größer Null ist). Das wir uns über unsere lebensfreundliche Erde (schwaches Prinzip) oder die Feinabstimmung des Universums (starkes Prinzip) wundern, liegt in unserer Natur, wäre dann, so die Argumentation, aber völlig unberechtigt. Ein Schöpfungsmythos wäre dahingehend überflüssig.

4. Positionierung

4.1. Stärke durch Schwäche

Nach meiner Ansicht verdankt das AP seine Beliebtheit der Unbeliebtheit der Alternativen zu ihm. Die Zufallshypothese ist den Wissenschaften nicht erklärend genug. Die Umschreibung des Universums als teleologisch erinnert zu sehr an Intelligent Design und Kreationismus. Und Letzteres, die Existenz eines Lenkergottes, wäre das Ende alles wissenschaftlichen Fragens auf diesem Gebiet.

An sich ist das AP gar nicht so stark. Zu Beginn dieses Artikels habe ich es als tautologisch bezeichnet, da sich seine Aussage mit den nichts aussagenden Sätzen „Wenn wir auf dem Planeten Erden leben können, ist der Planet Erde so, dass wir auf ihm leben können“ beziehungsweise „Wir können auf diesem Planeten wahrnehmen, leben, also können wir auf diesem Planeten leben“ zusammen fassen lässt. Man könnte anstatt „unser Planet“ auch Schwarzes Loch schreiben. Der Satz ist immer richtig, vollkommen trivial. Die Frage warum hier auf der Erde ein so unwahrscheinliches Ereignis wie die Entstehung von Leben vonstattengehen konnte, klärt sich erst mithilfe den Spekulationen über  riesige Universen, Multiversen und Ähnlichem.

4.2. unwissenschaftlich

Wir wissen um Zehn Milliarden Billionen Sonnensysteme, doch damit nicht genug. Um unwissenschaftliche Annahmen wie Gott zu umgehen und das AP zu bestärken, postulieren Physiker andere mehr oder weniger unwissenschaftliche Annahmen von Multiversen, Paralleluniversen und einem unendlich großem Universum. Mehr oder weniger, weil die moderne Superstringtheorie solcherlei Thesen stützt. Jedoch mehr mehr unwissenschaftlich als weniger, da naturwissenschaftliche Theorien bislang eigentlich immer empirisch falsifizierbare Voraussagen treffen mussten, an denen sie sich dann bewährten oder scheiterten. Multiversen und Co sind unseren Messungen und Beobachtungen jedoch prinzipiell nicht zugänglich. Wir wissen also weder, um auf das vorgegangene Bild zurückzukommen, ob Meister Gott oder der Zufall mit unendlich vielen Versuchen auf die Dartscheibe geworfen hat. Und so betrachtet ist die eine Prämisse nicht minder spekulativ, als die andere.

Aus positivistischer Sichtweise müsste man Thesen und Schlussfolgerungen rund um Gott und Multiversum gleich verwerfen. Doch ich bin kein Positivist (vom Positivismus ist es wohlmöglich gar nicht weit zu John Wheelers Aussage, unbeobachtete Universen existieren nicht). Der Terminus „unwissenschaftlich“ ist nicht gleich „inexistent“. Es bedeutet nur, dass es außerhalb des dem naturwissenschaftlicher Methodik zugänglichen Bereichs und somit außerhalb des naturwissenschaftlichen Weltbildes liegt. Nichts spricht also gegen die Richtigkeit metaphysischer Behauptungen, doch sollten auch die Physiker, wenn sie solche aufstellen, diese auch als solche deklarieren.

4.3. Schlussfazit

Wie also als Naturwissenschaftler unsere eigene Existenz erklären? Gott kommt nicht infrage. Das starke anthropische Prinzip hat auch seine Schwächen. Bleibt noch die Zufallshypothese. Auf der einen Seite eine einfache, einleuchtende Erklärung. Dass wir entstanden sind, war höchst unwahrscheinlich, aber es sei nun einmal passiert. Auf der anderen  Seite spricht man bei solch niedrigen Wahrscheinlichkeiten (eine weitere Hürde bei solchen Überlegungen: Wir wissen schlichtweg noch nicht, wie wahrscheinlich die Entstehung von Leben und vieles weitere genau ist) in den Naturwissenschaften oft von vernachlässigbar klein und rechnet gar nicht mit ihrem Auftreten. Und doch bleibt die Wahrscheinlichkeit. Möglicherweise ist auch noch eine vierte Möglichkeit der Fall. Ich sehe beispielsweise die von einem selbstorganisierenden Universum. Dies mag sich wieder unwissenschaftlich anhören, doch das ist es nicht. Längst sind Beispiele unbelebter, sich scheinbar selbstorganisierender Systeme aus Biologie und Physik bekannt. So scheint sich in einigen Galaxien das Sternentstehen und Sternverlöschen bzw. das Explodieren von Supernovae aufeinander eingepegelt zu haben. Falls es solche Systeme tatsächlich geben sollte, wären diese nicht teleologisch im Sinne etwas Intentionalem und daher eine Möglichkeit zur naturwissenschaftlichen Erklärung unser Selbst. Doch auch das ist nur eine weitere Spekulation. 

Egal ob Zufall, Schicksal, Schöpfung oder sonst was. Dass wir hier leben können, ist irgendwie ein Wunder. Und wir sollten es als Solches zu schätzen wissen.

5. Verweise

  • Theory of Anything: Ein zentrales Anliegen  ist u.a. das erklären der Werte der Naturkonstanten ohne Spekulation.
  • Falsifikationismus: Das anthropische Prinzip gestattet keine empirische Vorhersagen, anhand derer man es falsifizieren könnte.
  • #anthropisches Prinzip #Beschränkungen
  • #anthropisches Prinzip #Bezeichnung

 

Kommentare: 2
  • #2

    WissensWert (Donnerstag, 31 März 2016 19:13)

    https://www.youtube.com/watch?v=1Z9MNvd5pRc ab 36.00min

  • #1

    Seelenlachen (Mittwoch, 10 Februar 2016 14:17)

    https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=1673501972928205&id=545461138850191


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