Das Leibniz-Prinzip der Identität des Ununterscheidbaren (PIU: principium identitatis indiscernibilium) besagt, dass falls für jede Eigenschaft F gilt, dass Objekt x sie hat, genau dann wenn y sie auch hat, dann sind x und y identisch.
Das PIU wird traditionell als Prinzip intrinsischer und monadischer (einstelliger) Eigenschaften formuliert und geht auf Gottfried Wilhelm Leibniz zurück:
„Gleichwohl müssen die Monaden gewisse Qualitäten haben, sonst wären sie nicht einmal Seiende.
Und wenn die einfachen Substanzen sich nicht durch ihre Qualitäten unterscheiden, gäbe es kein Mittel, sich einer Veränderung in den Dingen bewusst zu werden […] Monaden ohne Qualitäten wären
ununterscheidbar.“
- Gottfried Wilhelm Leibniz: Monadologie §
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Die formale Notation des Leibniz-Prinzips PIU: ∀x∀y∀F: (Fx ↔ Fy) ➝ x = y
Lies: Für alle Eigenschaften F und Objekte x, y gilt: Wenn x die Eigenschaft F dann und nur dann hat, wenn y F hat, dann ist x mit y identisch.[1]
Kritik: Diese Notation ist problematisch. Denn wenn jedes Objekt nur mit sich selber identisch ist, warum verwenden wir dann zwei Variablen "x" und "y"?
David Lewis hat deshalb vorgeschlagen, PIU kontrafaktisch zu formulieren:
„Identity is utterly simple and unproblematic. Everything is identical to itself.
Everything is identical to itself; nothing is ever identical to anything else except itself. There is never any problem about what makes something identical to itself; nothing can ever fall to
be. And there is never any problem about what makes two things identical: two things never can be identical.“
- David Lewis: On the Plurality of Worlds (1987), S. 192 - 193
Die Lewische Formulierung des Leibniz-Prinzip der Ungleichheit des Verschiedenen (PIU2) besagt, dass falls x und y verschieden sind, existiert wenigstens eine Eigenschaft, die eines der Objekte hat und das andere nicht.
Die formale Notation des Leibniz-Prinzips PIU2: ∀F¬∃x,∀y: (x ≠ y) ⋏ (Fx <-> Fy)
Lies: Für alle Eigenschaften F und Objekte x, y gilt: Wenn x wenigstens eine Ei-genschaften besitzt, die y nicht besitzt oder umgekehrt, sind x und y verschieden.
PIU2 ist PIU1 vorzuziehen. Denn es ist logisch äquivalent zu PIU1, umgeht jedoch dessen Problem, für ein und dasselbe Objekt zwei Variablen einzuführen.
Max Black hat folgenden Einwand gegen PIU erhoben:
„Isn´t
it logically possible that the universe should have contained nothing but two exactly similar spheres? We might suppose that each was made of chemically pure iron, hat a diameter of one mile,
that they had the same temperature, color, and so on, and that nothing else existed. Then every quality and relational characteristic of the one would also be a property of the
other.“
- Max Black: The Identity of Indiscernibles (1952)
Black geht davon aus, dass alles im Universum aus zwei eigenschaftsgleichen Eisensphären besteht. Zusätzlich scheint er vorauszusetzen, dass die Raumzeitstelle nicht zur Individuation der beiden Sphären herangezogen werden kann. Eine solche Voraussetzung ist beispielsweise in einer Welt erfüllt, in der der Raum relational ist. Der Relationalismus besagt, dass der Raum nichts als die Menge möglicher Objektrelationen ist und es deshalb auch keinen leeren Raum geben kann. Raumzeitliche Lokalisation ist deshalb nur eine relationale, und nicht wie vom PIU traditionell gefordert intrinsische Eigenschaft der beiden Sphären.
Black beschreibt hier eine widerspruchsfrei denkbare mögliche Welt. In dieser ist PIU offenbar verletzt. Folglich ist die Verletzung des PIU logisch möglich beziehungsweise PIU beschreibt keine metaphysische Notwendigkeit.[1][2]
Damit wird der Status von PIU als metaphysisches Grundprinzip unterminiert.
Darüber hinaus steht durch Blacks Einwand die Bündelontologie auf dem Spiel. Der Bündelontologie zufolge sind Objekte nichts als Bündel von Eigenschaften. Damit scheint sie auf PIU festgelegt zu sein, da ihr nur Eigenschaften zur Objektindividuation zur Verfügung stellen. Sie kann nicht plausibel machen, dass es sich bei den eigenschaftsgleichen Blackschen Kugeln um zwei Objekte handelt.
Die Allgemeine Relativitätstheorie weist unterschiedlichen Raumzeitpunkten nicht unterschiedliche intrinsische Eigenschaften zu.[3] Und in der Quantenstatistik ist oftmals keine Objektindividuation aufgrund intrinsischer Eigenschaften möglich.[4] Das PIU scheint somit auch keine physische Notwendigkeit zu sein. Denn es wird in unserer aktualen Welt mehrfach verletzt. Siehe ausführlicher auch hier:
Black'sche Kugeln unterscheiden sich untereinander nicht hinsichtlich ihrer intrinsischen Eigenschaften. Das Gleiche gilt für Elektronen. Aus dem PIU folgt deshalb, dass es im gesamten Universum nur ein einziges Elektron gibt.
Diese Schlussfolgerung ist absurd. Wenn man sie umgehen möchte, kann man entweder PIU ganz zurückweisen. Oder man erweitert PIU und lässt - anders als Leibniz das getan hat - extrinsische Eigenschaften zur Objektindividuation zu.
Das genuine Leibniz-Prinzip lässt sich nun auch noch umkehren:
Das Leibniz-Prinzip der Ununterscheidbarkeit des Identischen (PUI) besagt, dass falls x und y identisch sind, dann haben x und y dieselben Eigenschaften F.
Die formale Notation des PUI: ∀xAy∀F: x = y ➝ (Fx ↔ Fy)
Kritik: Diese Notation ist wieder problematisch, da es zwei Variablen für ein Objekt verwendet. Dieses Problem lässt sich analog zu dem oberen lösen:
Das Leibniz-Prinzip der Unterscheidbarkeit des Nicht-Identischen (PUI) besagt, dass falls x und y nicht identisch sind, dann haben x und y auch nicht dieselben Eigenschaften F.
Die formale Notation des PUI2: ∀F ∀x, y: ¬(Fx <-> Fy) -> (x ≠ y).
Anders als PIU scheint PUI in Bezug auf synchrone Identität eine physikalische und sogar eine metaphysische Notwendigkeit zu sein! Denn man kann sich schwerlich eine mögliche Welt vorstellen, in der unterscheidbare Dinge zu tj identisch sind, oder eine Welt, in der nicht-unterscheidbare Dinge zu tj nicht-identisch sind. Vielmehr scheint es bereits analytisch wahr zu sein, dass wenn x und y zu tj (nicht) identisch sind, x und y zu tj auch (nicht) dieselben Eigenschaften besitzen. Damit ist PUI ein heißer Kanditat für eine unmittelbar gerechtfertigte und wohlmöglich a priori einsichtige Basisüberzeugung.
[1] Die Tropen-Ontologie erfüllt PIU trivialerweise.
[2] Das starke Leibniz-Prinzip scheint dadurch widerlegt. Ein schwaches Leibniz-Prinzip, nach dem irreflexive Relationen als (schwach) indivduierende Eigenschaften erlaubt sind, lässt sich aber noch retten. Nach ihm hat die erste Black Kugel bspw. den Abstand d zur anderen Kugel, aber nicht zu sich selbst.
[3] John Stachel: The relation between Things and the Things between Relation (2002)
[4] Steven French und Michael Redhead: Quantum physics and the identity of indiscernibles (1988)
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