Kausaler Gottesbeweis

Der kausale Gottesbeweis schlussfolgert von der (angeblichen) Notwendigkeit einer ersten Ursache a posteriori auf die Existenz (des abrahamitischen) Gottes:

(P1) Das Kausalitätsprinzip ist universell, d.h. alles hat eine Ursache.

(P2) Es ist nicht sinnvoll, einen infiniten Regress an Ursachen anzunehmen.

(C1) Also muss es eine erste Ursache gegeben haben.
(C2) Diese erste Ursache war (der abrahamitische) Gott.

Die ranghöchste Karte der Mantegna Tarocchi (um 1465) soll die prima causa als den ganzen Kosmos darstellen.
Die ranghöchste Karte der Mantegna Tarocchi (um 1465) soll die prima causa als den ganzen Kosmos darstellen.

1. Kritik

a. Prämisse 1

(P1) Das Kausalitätsprinzip ist universell, d.h. alles hat eine Ursache.

(1) Die Prämisse (P1) ist philosophisch schwierig. Wir beobachten eine endliche Anzahl von Ereigniskorrelationen und deuten diese als Ursache-Wirkungszusammenhänge. Aber nur weil B auf A folgt, muss A nicht auch die Ursache von B sein. Die Annahme einer Ursache A ist deshalb philosophisch schwierig, weil sich nie mit letzter Gewissheit sagen lässt, dass ein Ereignis A ein anderes Ereignis B auch tatsächlich kausal bewirkt bzw. verursacht und nicht nur räumlich und zeitlich mit ihm korreliert (siehe auch: David Hume über Kausalität).

(2) Die Prämisse (P1) ist fachlich umstritten. Erstens werden in der Quantenmechanik Interpretationen diskutiert, nach denen nicht jedes Ereignis eine hinreichende Ursache hatte. Zweitens werden in der Astronomie Modelle diskutiert, nach dem das Universum überhaupt keine erste Ursache hatte. Das Standardmodell der Kosmologie geht zwar noch von einem Urknall ("Big Bang") aus, der das Universum erstverursacht haben soll, andere Modelle sehen das jedoch anders. So resultierte das heutige Universum nach dem Big-Bounce Modell aus einem früheren, kollabierten ("Big Crunch") Vorgängeruniversum und expandiert und kontrahiert anschließend wieder so lange, bis es selbst wieder in sich zusammenfällt und ein neues Universum gebärt. Die Annahme, dass es irgendwann mal eine erste Ursache gab, muss hier nicht getroffen werden.

(3) Die Prämisse (P1) beruht wahrscheinlich auf einem Induktionsfehler.  Sie beruht wahrscheinlich auf der Beobachtung von endlich vielen Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen. Diese Beobachtungen erlaubt aber nicht den Schluss, dass das Kausalitätsprinzip universell, d.h. immer und überall gültig ist. Aufgrund von einer Billion Ursache-Wirkung-Beobachtungen, lässt sich bspw. kein allgemeines Gesetz formulieren, denn die 1-Billion-und-erste Beobachtung könnte diesem Gesetz bereits widersprechen (siehe auch: David Hume über Induktion)

(4) Die Prämisse (P1) beruht wohlmöglich auf einem Kategorienfehler.

Der Kategorienfehler beruht wohlmöglich in der Annahme, dass der innerkosmische Begriff "Ursache" auf den Kosmos als Ganzes anwendbar ist.

Wir nehmen oft an, dass wenn eine Eigenschaftszuschreibung auf alle Elemente einer Menge zutrifft, sie dann zugleich auch auf die Gesamtmenge anwendbar ist.

Wenn also alle Dinge im Universum eine Ursache haben, dann, so die implizite Überzeugung hinter (P1), muss auch die Gesamtheit aller Dinge - also das Universum selbst - eine Ursache gehabt haben. Aber wir wissen aus Bereichen, dass Begriffe (etwa "Fellfarbe") auf Teilkomponenten eines Systems (etwa "Wildkatze") sinnvoll angewendet werden können, gleichzeitig aber in Bezug auf das System keinen Sinn machen ("die Fellfarbe der biologischen Art Wildkatze").

(5) Die Prämisse (P1) widerspricht dem christlich-eingefärbten  Libertarismus. Gemäß dem Libertarismus ist  der menschliche Wille frei und der Determinismus unwahr. Wer also (P1) heranzieht, um ein christliches Gottes- und Weltbild begründen zu wollen, verfängt sich in einem Selbstwiderspruch, da er einerseits die Universalität des Kausalitätsprinzips (P1), andererseits aber auch die Freiheit des menschlichen Willens (Libertarismus) behauptet.

b. Prämisse 2

(P2) Es ist nicht sinnvoll, einen infiniten Regress an Ursachen anzunehmen.

(1) Die Prämisse (P2) widerspricht der Prämisse (P1). Wenn alles eine Ursache besitzt (P1), dann muss es einen unendlichen Regress an Ursachen gegeben haben (Widerspruch zu P2). Da also schon die beiden Prämissen des Argumentes widersprüchlich sind, ist das gesamte Argument entkräftet, denn aus widersprüchlichen Prämissen lassen sich bekanntlich beliebige Schlüsse ziehen.

Hier begegnet uns in verschleierter Form das Problem der Letztbegründung:  Jede mögliche Ursache U1 lässt sich theoretisch erneut hinterfragen: Was ist die Ursache für U1? Wenn dann U2 als Ursache für U1 ausgemacht ist, lässt sich weiterfragen: Was ist die Ursache für U2? Wieso ist U3? usw. Laut Hans Albert existieren nur drei Wege, auf denen diesem Problem begegnet werden kann:

ZirkelschlussU1 und U2 verursachen sich gegenseitig.

infiniter Regress: Für jede Ursache Un existiert eine Ursache Un+1.

Dogmasetzung: Eine Ursache U0 wird nicht weiter hinterfragt.

Keine dieser drei Optionen ist wirklich intellektuell befriedigend. Gerade deshalb gibt es aber auch keinen Grund, eine von ihnen als gegeben hinzunehmen, wie es in (P1) mit dem infiniten Regress und in (P2) mit der Dogmasetzung geschieht.

c. Konklusion 1

(C1) Also muss es eine erste Ursache gegeben haben.

(1) Die Conclusio (C1) widerspricht der Prämisse (P1). Wenn es eine erste Ursache U0 gegeben hat, die nicht selbst verursacht war (C1), dann widerspricht U0 der Prämisse, dass alles eine Ursache hat (P1). Es kann also nur entweder (P1) oder (C1) wahr sein. Daraus ergibt sich ein Dilemma für jeden Theisten:

(1a) Wenn (P1) wahr ist, dann muss auch Gott eine Ursache haben.

(1b) Wenn (C1) wahr ist, dann ist der Urknall eine bessere Erklärung für das Universum als Gott. Denn anders als Gott ist der Urknall durch viele Messungen (etwa der Hintergrundstrahlung) empirisch gestützt.

Theisten wollen dieses Dilemma auflösen, indem sie behaupten, alles bedarf einer Ursache, nur natürlich nicht der Herrgott selbst. Dann aber ist das Argument eine Tautologie, denn so umformuliert behauptet es: (P1'): "Alles hat eine Ursache, außer Gott". In diesem Fall hat man Gott als unverursachte Ursache bereits in der Prämisse drin stecken, das bedeutet, man setzt voraus, was man beweisen will. Das Argument besagt so modifiziert folglich nicht mehr als: "Wenn Gott als unverursachte Ursache existiert, dann existiert Gott als unverursachte Ursache."

(2) Die Conclusio (C1) widerspricht wohlmöglich der Prämisse (P2). Der Widerspruch besteht gdw. man davon ausgeht, dass eine Entität ewig existieren muss, um nicht verursacht wurden zu sein. Wenn Gott also selbst ewig existieren müsste, um nicht verursacht wurden zu sein (C1), so entspräche seine Existenz einem unendlichem Regress von Ursache-Wirkungsbeziehungen (↯P2). Dagegen könnte nun eingewendet werden, dass das Kausalitätsprinzip nicht auf Gott angewendet werden kann. Damit bricht dann aber der gesamte kausale Gottesbeweise zusammen, denn dann wäre wäre nicht nur (P1) unwahr sondern auch kein Kausalitätsschluss auf Gott als die erste Ursache möglich (↯C2).

d. Konklusion 2

(C2) Diese erste Ursache war (der abrahamitische) Gott.

(1) Die Conclusio (C2) folgt weder aus (P1), (P2), noch aus (C1). Das heißt selbst wenn wir (P1), (P2) und (C1) einmal hinnehmen, folgt daraus noch nicht, dass die notwendige erste Ursache Gott gewesen sein muss. Es könnte genauso gut der Urknall oder das fliegende Spaghettimonster gewesen sein. (C2) ist also eine ad-hoc Annahme und der kausale Gottesbeweis damit nutzlos.

(2) Die Conclusio (C2) widerspricht dem Konzept eines Gottesbeweises. Das heißt selbst wenn wir den gesamten Gottesbeweis bis einschließlich (C2)  hinnehmen, müssen wir die Gültigkeit der Logik voraussetzen, um einen Gottesbeweis durchzuführen. Das widerspricht der Conclusio (C2), nach der Gott die erste Ursache von allen, also auch von den logischen Gesetzmäßigkeiten war.

Theisten wollen dieses Problem lösen, indem sie die Logik als nicht-gottgeschaffen annehmen. Dies relativiert den Gottesbeweis dann aber, da es dann zumindest eines gibt, das nicht von Gott verursacht wurde, nämlich die logischen Gesetze selbst. Wie man es dreht und wendet, kann der kausale Gottesbeweis also so oder so nicht Gott als Verursacher von Allem beweisen.

(3) Die Conclusio (C2) schafft einen zweifelhaften Bezug zwischen "Ursache" und "Gott"Dem Philosophen David Hume zufolge müssen folgende, notwendige, wenngleich (zusammen) nicht hinreichende Bedingungen erfüllt sein, damit eine Ursache-Wirkung-Beziehung eingeordnet werden kann:

(a) Die Ursache liegt zeitlich (unmittelbar) vor der Wirkung.
(b) Die Ursache liegt räumlich (unmittelbar) neben der Wirkung.

Wenn aber Gott das Raumzeitkontinuum erst erschaffen hat, wie kann er dann als Ursache des Universums zeitlich vor, oder räumlich neben dem Universum gewesen sein? Eine weitere, bewährte Voraussetzung ist jene:

(c) Dem Auftreten der Ursache folgt immer das Vorkommnis der Wirkung.

Diese Voraussetzung kann nicht nachgewiesen werden, da die Erschaffung des Universums ein einmaliger Vorgang war. Somit sind (a) und (b) nicht evident und (c) zumindest fraglich, es würde aber bereits auslangen, wenn nur eine der Bedingungen nicht gegeben wäre, um Gott als "Erstursache" auszuschließen.

Natürlich könnte in (C1) auch ein anderer Ursachenbegriff intendiert sein als in (a) bis (c). Dann vermengt das Argument aber zwei Ursachebegriffe, insofern (P1) sich vermutlich auf gewöhnliche Ursachen im Sinne von (a) bis (c) bezieht.

Siehe auch

alte Version dieses Aufsatzes (2016).doc
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Stand: 2018

Kommentare: 17
  • #17

    tsSLAueP (Mittwoch, 15 November 2023 17:18)

    1

  • #16

    tsSLAueP (Mittwoch, 15 November 2023 17:15)

    1

  • #15

    Philoclopedia (Freitag, 09 April 2021 23:18)

    Nuska Tschammer Der Gläubige hat auch keine Erklärung für die Existenz der Welt. Denn eine Erklärung besteht darin ein Explanandum auf etwas Bekanntes (das Explanans) zurückzuführen. Gott ist aber nichts Bekanntes, sondern etwas vollkommen Schwammiges, Unbestätigtes und in sich Widersprüchliches. Und selbst WENN der Erklärungsversuch des Gläubigen gelingen sollte, verschiebt es das tieferliegende Regressproblem nur anstatt es zu lösen: Statt keine Erklärung für die Existenz der Welt hat man nun keine Erklärung für die Existenz Gottes. Erklärungen müssen irgendwo aufhören. Es ist nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft rational angemessen, diesen Schlussstrich beim Urknall zu ziehen und nicht fälschlicherweise zu behaupten, dass man etwas erklären kann, was gerade außerhalb des Erklärbaren liegt.

  • #14

    9year old (Freitag, 15 Februar 2019 10:32)

    Subscribe to PewDiePie!!!!!

  • #13

    WissensWert (Dienstag, 18 Dezember 2018 23:44)

    https://www.youtube.com/watch?v=0LNGXleiGg8

  • #12

    WissensWert (Sonntag, 09 Dezember 2018 04:47)

    https://www.youtube.com/watch?v=0LNGXleiGg8

  • #11

    WissensWert (Mittwoch, 28 November 2018 03:51)

    https://www.youtube.com/watch?v=7Ua5IPvbs38

  • #10

    WissensWert (Mittwoch, 28 November 2018 03:51)

    FAZIT

    Einen Gott, der die Ursache des Universums darstellt, gibt es höchstwahrscheinlich nicht, weil es nutz- und sinnlos ist, Gott als die Ursache des Universums zu bezeichnen. Wenn alles eine Ursache hat, musste auch Gott eine Ursache gehabt haben und wenn wir bei Gott eine Ausnahme machen wollen, können wir gleich das Universum als ewig existent annehmen und müssen nicht erst eine extra, ominöse und semantisch unterbestimmte Entität "Gott" postulieren.

    Und ein Gott, der von nichts abhängig ist, kann ebenfalls nicht existieren, weil seine Fähigkeit zur Schöpfung von einer grundlegenden Natur abhängig ist. Kurz: die abrahamitischen Gottheiten existieren nicht.

    Es nützt nichts, die Begriffe anders zu definieren, weil man damit keine Probleme löst, sondern nur die Diskussion unmöglich macht. Setzt man für Gott die Logik außer Kraft, handelt man sich eine Fülle weiterer Probleme ein. Alle diese Probleme lassen sich vermeiden, wenn man annimmt, dass das Universum unverursacht und nicht geschaffen ist, oder ewig existiert, oder kein Beginn und kein Ende hat, aber in jedem dieser Fälle kann ein Schöpfergott nicht existieren.

  • #9

    WissensWert (Dienstag, 27 November 2018 04:20)

    Prämisse:
    Alles Existierende unserer Welt muss das Resultat einer Art "ersten Ursache" sein, welche das Vorhandensein herbeiführte. Somit muss es eine Kraft gegeben haben, die das Universum kreierte. Diese "erste Ursache" ist das, was wir Gott nennen.
    Kritik:
    Wie viele Argumente dieser Art, machen Theisten einen Sonderfall um Gott von ihren Argumenten auszunehmen. Wenn alles Existierende eine Ursache haben muss, wer hat Grott kreiert? Varianten dieses Arguments berufen sich auf den ersten Hauptsatz der Thermodynamik um zu behaupten, dass Gott schon immer existierte, weil der erste Hauptsatz der Thermodynamik besagt, dass Materie weder kreiert noch zerstört werden kann. Nette Idee, aber es beweist noch immer nicht, dass es einen Gott gibt. Es zeigt uns lediglich, dass es mehr gibt, was wir verstehen müssen und dass Wissenschaftler jeden Tag näher an eine Lösung rankommen, ohne sich auf Gott oder etwas Übernatürliches zu berufen.
    Wenn es ein widerkehrendes Thema in einem dieser Argumenten gibt, it's that theists pick and choose which tenets of science they want to embrace (the ones that help prove their claims) and ignore all the rest as if they don't exist. These theories are part of a complex interconnected system. It's intellectually dishonest and unethical to ignore evidence that counters your supernatural claims. The First Cause Argument ignores huge amounts of contradictory evidence, as do many of the arguments herein.
    More importantly, as we are only half-way into the most common arguments for God, I'm sure you've heard most of these before. And the next five will likely not be a surprise either. The real surprise is that these arguments have been bandied about for hundreds of years. And the refutations of these claims have also been present. This is a testament (no pun intended) to how many religious leaders willfully ignore the flaws and downright misrepresentations in their claims. These critiques are nothing new. A hundred years ago, famous people like Robert G. Ingersoll gave public speeches outlining the same issues. Don't think your neighborhood pastor or priest isn't aware of the faulty logic he is foisting on his flock. It may be their livelihood and they have an interest in saying these stories, but ask yourself if you have as much of a personal advantage in believing the stories told by people who know they aren't true?

  • #8

    Martin Landvoigt (Sonntag, 22 Juli 2018 13:57)

    IntellectusCreatur verwies auf:
    Kalam Cosmological Argument - Dr. William Lane Craig (University of Birmingham 2015)

    Das ist ein sehr langsam entwickelter Gedankengang ... nichts desto trotz eine Darstellung, die m.E. die logischen Fehler vermeidet, die wir u.a. auch hier finden.

    Es fällt auf, dass Craig hier von 'Argument', nicht von Beweis spricht.

  • #7

    Martin Landvoigt (Donnerstag, 19 Juli 2018 15:18)

    Ein interessanter Punkt:
    'Es wäre genauso gut vorstellbar, dass es unverursachte Ereignisse gibt Tatsächlich argumentieren vor allem Theologen gerne mit dem freien Willen, der unverursacht sein soll.'

    Hier muss genauer geschaut werden: Etwas, dass ohne erkennbaren Grund entsteht, kann unverursacht genannt werden. Dennoch sind die Gründe, warum es entsteht, zumindest an Rahmenbedingungen geknüpft, die den Zufall oder andere Ursachen, die nicht zwingend kausal genannt werden, konstituieren. Intentionale Entscheidungen von Menschen kann man versuchen generisch herzuleiten, aber die menschliche Entscheidung kann als ihr ureigenstes Wesen, dass an seine Existenz geknüpft ist, verstanden werden. Wenn der Mensch nicht existiert, dann trifft er auch keine Entscheidung. Also ist dieses Ereignis nicht voraussetzungslos. Auch eine Quantenfluktuation setzt eine physikalische Grundbedingtheit voraus.

    In der Argumentation des Aristoteles gibt es nur genau einen unverursachten Grund: den unbewegten Beweger. Dieser hat keinen Vorläufer und kann per Definition keinen haben. Somit ist aber P1 keine Entsprechung der Aristotelischen Argumentation, denn diese macht andere Grundannahmen als jener. Eine Argumentation, dass das Prinzip verletzt würde, ist dysfunktional und ein Kategoriefehler, der sich aus abweichenden Definitionen ergibt.

    Wenn aber aus P1 ein infiniter Regress folgt, der ihrerseits in seiner Existenz unbegründet ist, bleibt P1 selbstwidersprüchlich (performativer Widerspruch) und damit inkohärent.

    Ich unterscheide darum bei Ursachen für Ereignisse, auch der Entscheungsereignisse:
    1. Gesetzmäßige Ursachen (strenge Kausalität)
    2. Zufälle unter Rahmenbedingungen mit Freiheitsgraden (schwache Kausalität)
    3. Intentionale Akte (personale Kausalität)

    Die Vorstellung des unbewegten Bewegers ist aber das Fehlen jeglicher Kausalität und seit Aristoteles eine logische Notwendigkeit.

  • #6

    WissensWert (Sonntag, 09 Juli 2017 23:34)

    Nochwas: Die Annahme einer kausalen Verursachung drückt aus, dass ein Ereignis A ein anderes und zeitlich (und räumlich) nachstehendes Ereignis B bedingt hat. Demgemäß sind Raum und Zeit notwendige Bedingungen für eine kausale Verursachung. Da beide mit dem Urknall aber erst entstanden sein sollen, ist es sinnlos, nach der kausalen Ursache für den Urknall zu fragen. Der Urknall, und nicht Gott, ist die beste Erklärung für eine erste Ursache, da mit ihm das Ursache-Wirkungs-Schemata erst begonnen hat, einen Sinn zu machen.

  • #5

    IntellectusCreatur (Donnerstag, 22 Juni 2017 00:52)

    Ihre Kritik an der Prämisse P2:

    "(2) Die Prämisse (P2) ist unbegründet. Es ist sehr wohl vorstellbar, dass es einen unendlichen Regress an Ursachen gegeben hat."

    haben Sie in Ihrem eingenen Artikel:

    https://www.sapereaudepls.de/2016/01/25/argument-aus-dem-neandertal/

    widerlegt:

    "Fehler 2. Unendlicher Regress"

    Eigentlich alle Kritiken an dem Ontologischen Gottesbeweis und dem Argument nach Kalam werden hier gut widerlegt:

    https://www.youtube.com/watch?v=GKDUdb0Z03o

  • #4

    WissensWert (Freitag, 10 Februar 2017 20:28)

    Mir ist etwas Weiteres aufgefallen:

    Wenn etwas ewig existiert, kann es keinen Schöpfer haben. Gott existiert ewig, also ist es unmöglich, dass er geschaffen wurde.

    Wer dem zustimmt, setzt die Logik voraus.

    Gleichzeitig setzt er die ewige Gültigkeit der Logik voraus. Ohne Logik könnte es sehr wohl sein, dass etwas ewig existiert, aber trotzdem einen Schöpfer hat. Dazu muss es nur eine Zeit gegeben haben, in der die Logik nicht galt.

    Folglich kann die Logik nicht von Gott geschaffen worden sein, da sie ewig gültig war.

  • #3

    WissensWert (Samstag, 18 Juni 2016 23:54)

    Abt. Diskurswerfen:

    Ich versuche nochmal, zu erklären, warum das folgende Argument falsch sein muss:

    Alles, was beginnt, zu existieren, hat eine Ursache.
    Das Universum begann zu existieren.
    Folglich hat das Universum eine Ursache.

    Zunächst muss man sich fragen: Was ist eine Ursache?

    Die Definition einer Ursache, ganz allgemein, ist die:

    Wenn A eine Wirkung auf B ausübt, dann nennen wir A die Ursache und B die Wirkung. Beispiel:

    Wir werfen einen Stein in einen Teich. Dadurch bilden sich Wellen auf dem Wasser. Der Stein (A) ist also die URSACHE der Wellen (B). Die Wellen sind die WIRKUNG des Steinwurfs.

    Damit der Stein, den ich werfe, eine Wirkung haben kann, müssen aber ein paar Voraussetzungen erfüllt sein:

    1. Der Stein muss existieren. Sollte er das nicht tun, wäre die Aussage: Ein nicht-existierender Stein übt die Wirkung aus, dass sich Wellen auf dem Teich bilden. Dann aber hätten die Wellen keine Ursache. Was nicht existiert, kann keine Ursache sein.

    2. Der Teich MUSS existieren. Sonst würde ich sagen: Ich werfe einen Stein in einen nicht existierenden Teich, der daraufhin Wellen schlägt. Das ist erkennbar Unsinn.

    3. Der Stein muss Energie auf das Wasser des Teichs ausüben. Durch die Übertragung dieser Energie bilden sich Wellen.

    4. Zeit muss vorgehen: Bevor ich den Stein werfe, wenn ich ihn werfe. Und Wellen bilden sich nur dann, wenn Zeit vergeht. Wellen sind räumliche Bewegungen von Wassermolekülen in der Zeit.

    Anders gesagt: Indem ich den Stein werfe, überträgt er Energie auf das Wasser im Teich, und diese Energieübertragung ist die Ursache für die Wellen in der Zeit. Der Stein, als Ursache, BEWIRKT eine Zustandsänderung des Wassers.

    Für eines aber gibt es kein Beispiel - kein einziges. Nämlich, dass eine Ursache die EXISTENZ eines weiteren Objekts bewirkt. Denn das Wasser im Teich muss vorhanden sein. Das Wasser entsteht nicht dadurch, dass ich den Stein werfe. Nur die Bewegung der Wassermoleküle in Raum und Zeit entsteht als Wirkung.

    Wenn man sagt: Der Beginn der Existenz des Universums hat eine Ursache, dann werden gleich drei der Punkte der Definition verletzt:

    Punkt 2. ist nicht gegeben: Das Universum existiert nicht. Folglich kann nichts eine Wirkung auf das nicht existierende Universum ausüben.

    Punkt 3. ist nicht erfüllt: Wenn bereits Energie existiert, muss sie irgendwo herkommen. Das bedeutet, zum Zeitpunkt der Verursachung gab es bereits Energie (damit auch Materie - denn Energie und Materie sind dasselbe). Dann gab es schon Materie, BEVOR das Universum existierte.

    Punkt 4 ist nicht erfüllt: Denn die Zeit wird gebildet von der Bewegung von Materie in einem Raum. Gibt es keinen Raum und keine Materie, gibt es auch keine Zeit.

    Eine Ursache kann durch Energieübertragung den Zustand eines schon existierenden Objekts bewirken. Es gibt aber keine "Existenzursache". Man hat noch nie beobachtet, dass etwas zu existieren beginnt. Man kann eine Ausnahme anführen: Vakuumenergie. Nur hat diese keine Ursache, da sogar alle vier Punkte der Definition nicht erfüllt wären.

    Im Argument wird eine Ursache plötzlich zu einer "Existenzursache", die es aber nicht gibt. Diese erfüllt keinen Punkt der Definition. Aber ALLE Ursachen, die wir je beobachtet haben, erfüllen alle vier Punkte der Definition! Bei einer Existenzursache reden wir, bildlich gesprochen, von einem Haus, das keine Wände, kein Fundament, und kein Dach hat, also kein Haus ist.

    Korrekt wäre daher das genaue Gegenteil der ersten Voraussetzung im Argument:

    Nichts, was zu existieren beginnt, kann eine Ursache haben.

    Dann würde aus dem Argument aber:

    Nichts, was zu existieren beginnt, kann eine Ursache haben.
    Das Universum begann zu existieren.
    Folglich hat das Universum keine Ursache.

    Der Trick, mit dem das Argument die Vernunft aushebelt und eine Illusion erzeugt, liegt darin, dass aus einer Ursache plötzlich, indem man das Wort völlig anderes definiert, eine Existenzursache. Wer immer das glaubt, wurde getäuscht und ausgetrickst. Man hat ihn beschwindelt. Und man muss sich nicht wundern, dass einem der Wind hart ins Gesicht bläst, wenn man versucht, auch andere mit diesem Schwindel zu täuschen.

    Denn nicht alle Menschen sind so dumm, diesen Betrug nicht zu durchschauen. Manche beherrschen die elementare Logik und können die Begriffe definieren. Aber einige können es sich nicht eingestehen, dass man sie betrogen und ausgetrickst hat!

    Man könnte auch formulieren, dass alles, was zu existieren beginnt, einen URSPRUNG hat. Nur ist das leider unmöglich, und das Argument ist damit widerlegt.

  • #2

    WissensWert (Donnerstag, 09 Juni 2016 02:12)

    Aus „Warum ich kein Christ bin“ von Bertrand Russell:

    „Das Argument, das wohl am einfachsten und leichtesten zu verstehen ist, ist das einer ersten Ursache. (Es wird behauptet, dass alles, was wir auf dieser Welt sehen, eine Ursache hat und dass man zu einer ersten Ursache gelangen muss, wenn man die Kette der Ursachen immer weiter zurückverfolgt, diese erste Ursache nennt man Gott.) Dieses Argument hat heute kaum noch Gewicht, vor allem, weil der Begriff der Ursache nicht mehr die gleiche Bedeutung hat wie früher. Die Philosophen und Wissenschaftler haben sich darüber hergemacht, und der Begriff hat viel von seiner früheren Vitalität verloren. Aber auch unabhängig davon muss man einsehen, dass das Argument, es müsse eine erste Ursache geben, keinerlei Bedeutung haben kann. Ich muss zugeben, dass ich als junger Mann, als ich diese Fragen sehr ernsthaft erwog, lange Zeit das Argument der ersten Ursache gelten ließ, bis ich eines Tages, im Alter von achtzehn Jahren, John Stuart Mills Autobiographie las und darin folgenden Satz fand: »Mein Vater lehrte mich, dass es auf die Frage »Wer hat mich erschaffen?« keine Antwort gibt, da diese sofort die weitere Frage nahe legt: »Wer hat Gott erschaffen?« Wie ich noch immer glaube, machte mir dieser ganz einfache Satz den Trugschluss im Argument der ersten Ursache deutlich. Wenn alles eine Ursache haben muss, dann muss auch Gott eine Ursache haben. Wenn es etwas geben kann, das keine Ursache hat, kann das ebenso gut die Welt wie Gott sein, so dass das Argument bedeutungslos wird. Es liegt genau auf der gleichen Linie wie die Ansicht des Hindus, die Welt ruhe auf einem Elefanten und der Elefant stehe auf einer Schildkröte; als man ihn fragte: »Und was ist mit der Schildkröte?«, sagte der Inder: »Sprechen wir von etwas anderem!« Das Argument ist wirklich um keinen Deut besser. Es gibt weder einen Grund dafür, warum die Welt nicht auch ohne eine Ursache begonnen haben könnte, noch, warum sie nicht schon immer existiert haben sollte. Wir haben keinen Grund anzunehmen, dass die Welt überhaupt einen Anfang hatte. Die Idee, dass alles einen Anfang haben müsse, entspringt nur der Armut unserer Vorstellungskraft. Deshalb brauche ich wohl keine weitere Zeit mehr auf das Argument der ersten Ursache zu verschwenden.“

  • #1

    WissensWert (Donnerstag, 09 Juni 2016 01:58)

    Korrigiert man die Fehler des Beweises, kann man daraus einen Beweis gegen die Existenz Gottes machen:

    Vor allem (4) zeigt, dass der Beweis nur genau dann gültig sein kann, wenn man die im Beweis enthaltenen Prinzipien auch auf Gott anwenden kann. Wenn dies geht, dann funktioniert damit auch automatisch jeder Beweis gegen Gott, der dieselben Prinzipien verwendet. Wenn es also einen Gottesbeweis gäbe, dann könnte man eventuell einen Beweis gegen Gott konstruieren. Das ist tatsächlich problemlos möglich - mehr noch: Die Beweise gegen Gott sind überzeugender als die für Gott, weil sie nicht auf Denkfehlern wie (1) bis (5) basieren.

    Man kann nämlich folgern, wenn (P1) wahr ist, dass es einen unendlichen Regress an Ursachen gegeben haben muss und dass folglich das Universum keine erste Ursache gehabt haben kann, also ewig existiert. Wenn das Universum ewig existiert, dann hatte es keinen Schöpfer, folglich existiert der christliche Schöpfergott nicht. Für die Annahme, dass das Universum ewig existiert, spricht zudem, dass weder Materie noch Energie vernichtet werden können (man kann sie nur umwandeln). In diesem Beweis gegen Gott steckt zumindest kein Denkfehler (wie in dem Beweis für Gott) und er stimmt mit unseren empirischen Evidenzen und Beobachtungen überein. Folglich ist seine Plausibilität größer.


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